16.05.2010 Tim Westphal

Villa in Uffenheim

Die Moderne zeigte Generationen von Architekten klar den Weg: reduziert auf das statisch Notwendige, wurden hier massive Wände zu schlanken Stützen, gemauerte Gewölbe zu ebenen Stahlbetondecken, horizontal fest definiert und vertikal nur durch die interne Erschließung durchbrochen. Diese Grundpfeiler der Entwurfsmethodik geraten mit dem parametrischen Entwerfen nun aus den Fugen: in mathematischen Formeln lassen sich einzelne Entwurfsparameter definieren, Wechselwirkungen darstellen – und direkt im Entwurf abbilden. Bricht mit dem computergestützten Planen also eine neue Architekturepoche an?

In der Südansicht wird die Transparenz des Hauses deutlich. Die Fassade ist mit ins Energiekonzept einbezogen: über ihren Wärmeeintrag wird das Gebäude im Winter zusätzlich beheizt. (Foto: Philipp Brohl, Köln)

Die »Villa F« liegt im Süden von Uffenheim in Franken. Das Haus steht eingebettet in eine Parkanlage, umgeben von altem Baumbestand. Die exponierte Lage verlangte nach einem durchdachten, innovativen Entwurf. Der Architekt Martin Schroth, der neben der Arbeit im eigenen Büro zudem an der Akademie für Bildende Künste Stuttgart Studenten im Digitalen Entwurf betreut, konnte den Bauherrn von seiner Planung überzeugen – auch, weil er mit diesem Projekt erstmals nach parametrischen Entwurfsprinzipien ein Einfamilienhaus entwickelte. Ein Novum, denn für komplexe Anforderungen und Kubaturen nutzen Büros wie Zaha Hadid Architects oder LAVA diese Entwurfsmethodik schon seit Jahren. Trotzdem sind sie alle, Martin Schroth eingeschlossen, Avantgarde in einer noch immer stark zweidimensional verhafteten Planerwelt, wie aktuelle Studien erneut belegen.

Lageplan

Martin Schroth sieht vor allem in der Prozesshaftigkeit des Digitalen Entwerfens dessen wesentliche Stärke: »Die neuen Entwurfsmethoden werden durch die Anwendung des Computers ergebnisoffener und lenken den Fokus stärker auf den Ensteh­ungsprozess. Diese Methoden führen zu einer großen Varianz von Alternativen, die in der Gestalt und in ihrem Aufbau neue typologische Strukturen hervorbringen.« Führt man sich vor Augen, dass der Entwurf über Jahrhunderte zweidimensional geprägt war und Konstruktionszeichnungen lediglich als Abbild von Raumstrukturen dienten, wird die große Bedeutung der Zeichnung und Kons­truktion für das digitale Entwerfen deutlich. Fast alle wichtigen Bauten der vergangenen 30 Jahre wären in ihrer Komplexität ohne den Einsatz digitaler Berechnungs- und Konstruktionsmodelle schwer möglich geworden. Und anhand von zweidimensionalen Plänen lassen sich Bauten wie das Phaeno in Wolfsburg oder das MoMa in Bilbao nicht beschreiben – höchstens illustrieren.

Foto: Martin Schroth, Rothenburg

Parametrisches Entwerfen ist somit die nächste Evolutionsstufe des digitalen Entwurfs. Komplexe Strukturen und Zusammenhänge lassen sich in mathematische Formeln und Diagramme fassen. So werden Rahmenbedingungen, Raum- und Wegebeziehungen bis hin zu Kubaturen berechenbar, vernetzt und optimiert. Ändert sich eine einzige Rahmenbedingung kann dies Auswirkungen haben auf zahlreiche andere Parameter. Solche Korrekturen lassen sich wiederum dezidiert beschreiben und in der Simulation und in »Real Time« abbilden. Das allein macht den Entwurf noch nicht perfekt, bietet aber eine größere Bandbreite an Lösungen und minimiert Fehlerquellen.

Bei der Villa F in Uffenheim von einem parametrischen Entwurf zu sprechen, wäre zu pauschal. »Regelbasiertes Entwerfen« trifft es eher und macht die Intention des Architekten griffig. »Parametrisches Entwerfen stellt den Anspruch, alle Daten in eine Abhängigkeit zu bringen und diese dann als Ausgabeeinheit zu nutzen. Das hat jedoch bei einem Haus mit geringen Wiederholungen weniger Sinn. Daher wird diese Technik nur auf die wesentlichen Prozesschritte angewendet«, stellt Martin Schroth heraus.

Schematische Darstellung der Raumtypologie.

Darüber hinaus zeichnet sich die Villa F in Uffenheim vor allem durch ihre eigenständige typologische Entwicklung aus. Der Dreigeschosser fließt als Splitlevel-Konstruktion über fünf Niveaus, wobei Erschließung und Ebenen – Horizontalität und Vertikalität – miteinander verschmelzen. Die Landschaft findet ihre Fortsetzung in der inneren Struktur des Hauses. Eine klare Trennung der Geschosse ist so nicht möglich, die Übergänge sind fließend, um Natur und Baukörper dichter aneinander zu fügen. Die Idee der Spiltlevel-Organisation selbst ist nicht neu, aber die homogenen Ebenenverläufe bestechen in ihrer Maßhaftigkeit wie in der Ausführungsqualität. Die Abwicklung der Deckenebenen, mit der dahinterliegenden Statik und den konstruktiven Anforderungen an den Betonbauer, wären ohne digitale Entwurfstechnik schwer machbar gewesen. Und dabei ist die Grundgeometrie dennoch denkbar simpel: die Villa F besteht aus zwei »Wellen«, mit einem Peak von 1 m und einem Peak von 2 m. Sie ergeben sich aus dem Versatz zur OK Gelände im EG (1 m) und der geforderten Geschosshöhe von 3 m (2 m Höhenversatz + 1 m Höhenversatz = 3 m Geschosshöhe). Aus diesen Parametern ließ sich die Grundgeometrie entwickeln, die klar und minimalistisch zugleich im gesamten Gebäude ablesbar bleibt. Im Ergebnis entsteht eine elegante Form, die die Zirkulation der Ebenen als Ordnungsprinzip umsetzt. Martin Schroth: »Ziel dieser Form ist ein dreidimensionales Netzwerk, das eine Vielzahl von Verbindungen entstehen lässt und die maximale Nutzbarkeit des Gebäudes ermöglicht.«

Das Projekt stellte hohe Anforderungen an alle Beteiligte. Durch die komplexe Deckenstruktur waren konventionelle, geplottete Pläne, in denen Durchbrüche oder Abwicklungen dokumentiert werden, schwer zu erfassen. Die Architekten lieferten kurzerhand ein Arbeitsmodell auf die Baustelle. Erst so wurde das Bild klarer für die ausführenden Gewerke vor Ort. Aber auch die beteiligten Fachplaner wurden vor ungeahnte Aufgaben gestellt: »Wir führten zahlreiche Vorgespräche mit ihnen, bevor überhaupt der erste Strich gezeichnet wurde. Diese Methodik hat sehr viel mit den Entwurfsstrategien zu tun, die inzwischen weltweit an den Hochschulen gelehrt wird. Alteingesessene Fachplaner müssen sich erst auf diese Herangehensweise einstellen lernen«, so Martin Schroth zu den ungeahnten Herausforderungen an die Kollegen.

Der Zugang zur Villa F erfolgt von der Westseite aus über die angrenzende Zugangsstraße. Die interne Erschließung des Gebäudes liegt auf der Nordseite, die mit gezielten Einschnitten und großzügigen Fensterbändern pointierte Ein- und Ausblicke gewährt. Die nach Süden ausgerichtete, komplett verglaste Längsfassade fängt die Sonne gezielt ein. Der solare Wärmezugewinn wird dabei im Energiekonzept berücksichtigt, ein übermäßiger Wärmeeintrag wird jedoch durch eine eigens mit Warema entwickelte Verschattungseinrichtung aus Schräglamellen verhindert. Das Haus verfügt über eine Erdsonden-Wärmepumpe. Die Kühlung erfolgt über die Bauteilaktivierung der Decken, ein zweiter Heizkreislauf ist jeweils in den Fußbodenebenen darüber verlegt. Bauseitige Maßtoleranzen von 3–5 cm waren hier nicht akzeptabel. Die Decke mitsamt den integrierten Heiz- und Kühlsystemen musste schon im Rohbau absolut exakt sein, denn an die Außenkante der Rohdecke schließen sich die Fassadenprofile bündig an. Es war also eine hohe Rohbau- und Ausführungsqualität gefordert, die aber in Summe keinen wesentlichen Mehrpreis verursachte. Martin Schroth sieht darin auch einen weiteren Vorteil seines regelbasierten Entwurfs: »Der Bauherr baut so nicht günstiger, aber er bekommt deutlich mehr für sein Geld!«

Die Decken mit ihren Verschneidungen stellten höchste Anforderungen an die ausführende Rohbaufirma.Die Maßhaltigkeit musste hier eine Qualität erreichen, die sonst oft erst in den Ausbaugewerken gefragt ist, denn die bündig angeschlossene Fassade war exakt vorbemessen und ließ keine großen Maßtoleranzen zu.

Projektdaten
Architekt/Bauleitung: architekturSTUDIO Martin Schroth, Rothenburg ob der Tauber
Projektleitung: Martin und Melanie Schroth
Tragwerksplanung: Annette Puls, Niederstetten
Energiekonzept/HLSK-Planung: Bächner Heizungsbau, Leutershausen
Lichtplanung: Via Modular, Leingarten
Elektroplanung: Gerhäußer Elektrotechnik, Bad Windsheim
Mauerwerks-, Betonbau: Friedrich Ströbel Hoch- und Tiefbau, Spielbach

Ausführende Unternehmen und Hersteller

Erdbohrungen/Wärmepumpe: Keller & Hahn, Insingen, www.keller-hahn.de; Alpha-InnoTec GmbH, Kasendorf, www.alpha-innotec.de
Dachabdichtung: Hoffmann Dachabdichtung, Bad Windsheim, www.hh-co.de; Vedag GmbH, Bamberg, www.vedag.de
Fassade: Beisser Elementebau, Feuchtwangen, www.beisser-elementebau.de;
Schüco International KG, Bielefeld, www.schueco.com
Außenputz: Robert Lenhart, Uffenheim, www.maler-robert-lenhart.de
Trockenbau: Malerbetrieb Jürgen Kohr, Schneldorf; Knauf Gips KG, Iphofen, www.knauf.de
Estrich: Thannhauser&Ulbricht, Fremdingen, www.thannhauser-ulbrich.de; Knauf Gips KG (Fachberatung Holger Frieß), Iphofen, www.knauf.de
Natursteinboden: Strauß Natursteine, Crailsheim, www.strauss-natursteine.de
Wand Gästebad: Strauß Natursteine, Crailsheim, www.strauss-natursteine.de;
Bisazza S.p.A., I-Alte (VI), www.bisazza.com
Schwimmbadtechnik: Ospa Schwimmbad-technik, Mutlangen, www.ospa.info
Innentüren/Innenausbau: Köhnlein GmbH, Stimpfach, www.koehnlein-tueren.de;
Friedrich Wolz GmbH, Kreßberg, www.wolz-gmbh.de
Küche und Badeinrichtung: Boffi Köln, Köln, www.boffi-koeln.com
Vorhangschienen: Georg Schopf, Rothenburg; MHZ Hachtel GmbH & Co. KG,
Leinfelden-Echterdingen, www.mhz.de
Garagentor: Pfullendorfer Tor-Systeme, Pfullendorf, www.pfullendorfer.de
Metallbau: Erhard Höhne, Burgbernheim, www.hoehne-metall.de

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