Zeltbau der Superlative: Millennium Dome in London (1999)
Er galt als Meisterwerk des Ingenieurbaus, Monument des Scheiterns und Europas größtes Leerstandsproblem. Der Millennium Dome, errichtet 1996-1999 nach Plänen von Richard Rogers Partnership und Buro Happold, hat wechselhafte Jahre hinter sich, seit er in der Silvesternacht 1999 mit einer Party mit 10.500 Gästen offiziell eingeweiht wurde. Ein Jahr fand hier die Millennium Experience statt, eine Art Mini-Weltausstellung in zwölf Stationen. Danach folgten verschiedene Zwischennutzungen – über Weihnachten 2004 sogar als Obdachlosenunterkunft -, jahrelanger Leerstand und der Verkauf an einen Privatinvestor. Dieser ließ den Dome nach Plänen von HOK umbauen und taufte ihn in „The O2“ um nach dem Hauptsponsor, der inzwischen zum Telefonica-Konzern gehörenden Mobilfunkfirma. Seither dient der größte Membranbau der Welt als Konzertarena und gelegentlich – wie etwa bei den Olympischen Sommerspielen 2012 – auch als Sportstätte.
Kulturelle Landmarke
Ob London ein solches Bauwerk überhaupt braucht, war von Anfang an umstritten. Doch „New Labour“ unter Premier Tony Blair trieb den Bau des Millennium Dome unermüdlich voran – als kulturelle Landmark ebenso wie als Leuchtturm für die Umnutzung der Ost-Londoner Industriegebiete am Themseufer. Fast 100 Jahre hatte der Gaskonzern British Gas das Areal besessen und gründlich verseucht, nun sollte hier ein Zeichen gesetzt werden für den Aufbruch in ein neues Jahrtausend. Dabei war zunächst Zahlensymbolik wichtig: 365 m beträgt der Durchmesser des Kuppelzelts, 52 m seine Höhe und 12 Pylone halten die Konstruktion. Wenn man so will, ist der Dome also auch ein gebauter Kalender.
Die Tragkonstruktion in der Dachebene besteht aus einem Seilnetz mit 72 paarweise angeordneten Radialseilen und sieben konzentrischen Seilringen im Abstand von je 25 bis 30 m zueinander. Um auch beim Versagen eines Seils noch eine ausreichende Tragfähigkeit zu erreichen, besteht jeder Ring aus mehreren Einzelseilen – beim innersten sind es zwölf Stück mit je 48 mm Durchmesser. Die Seilringe wiederum hängen an den 100 m hohen Pylonen, die – alle baugleich – aus je 12 Stahlrohren verschweißt und an ihren Fußpunkten gelenkig gelagert sind.
Die eigentliche Dachhaut hängt an den Seilringen und Radialseilen – würde sie aufliegen, bildeten sich im Lauf der Zeit schüsselartige Vertiefungen in der Membran, in denen sich das Regenwasser sammeln würde. Verwendet wurden für das Dach zwei Lagen teflonbeschichtetes Glasfasergewebe – außen schwerer und dichter als Wetterhaut, innen etwas leichter und weitmaschiger.