Refugium zwischen Glashäusern
Wohnhaus in der Gärtnerei von Jahnke Architektur
Das Wohnhaus greift die Kubatur der alten Gewächshäuser auf und nutzt deren Stahl-Glaskonstruktion als überdachte Veranda. © Dietmar Strauß
Die Kleinstadt Tamm liegt zwischen Bietigheim und Ludwigsburg im zersiedelten Umland von Stuttgart. Eine klassische Schlafstadt für Pendler, doch am südlichen Ortsrand gibt es noch einige wenige landwirtschaftliche Betriebe. Dazu zählt auch eine 1952 errichtete Gärtnerei, die 2011 ihren Betrieb aufgab.
Aus der Luft wird die lineare Anordnung der Gebäude auf dem Grundstück sichtbar. © Dietmar Strauß
Mehrgenerationen-Grundstück
Seither dämmerten die Gewächshäuser im Dornröschenschlaf vor sich hin. Zum Wohnen lässt das Grundstück indes wenige Wünsche offen: zentrumsnah und doch im Grünen, in leichter Hanglage, umgeben von Feldern und Wiesen. Nach wie vor ist das Grundstück im Eigentum der ehemaligen Gärtnereibesitzer. Die Mutter lebt im Wohnhaus an der Straße. Für ihre Tochter und deren Familie haben Jahnke Architektur nun ein zweites Haus mitten zwischen die Glashäuser platziert.
Haus mit zwei Satteldächern
Der Neubau folgt nicht nur deren linearer Nord-Süd-Ausrichtung, sondern passt sich auch in puncto Bauvolumen exakt an den Bestand an. Er umfasst zwei parallel angeordnete Baukörper mit Satteldach – der kleinere für den Wohn- und Essbereich und der größere für die Privaträume sowie ein Büro.
Windschiefer Wetterschutz: Das ehemalige Gewächshausdach breitet sich über den Sitzplatz hinter dem Wohn- und Essbereich aus. © Dietmar Strauß
Gewächshäuser neu genutzt
Auch die Glashäuser wurden teils neu genutzt – etwa als überdachte Veranda für den Neubau oder als gläsernes Hallenbad en miniature mit neu angelegtem Swimmingpool. Leidglich die PVC-Gewächshäuser ganz im Süden des Grundstücks nutzt die Bauherrenfamilie nach wie vor für den Gemüseanbau.
Die Vormauerziegel für die Längswände stammen aus einem Abbruchhaus. © Dietmar Strauß
Offen und geschlossen
An den Stirnseiten präsentiert sich das Wohnhaus maximal transparent – ein fließender Übergang zwischen Innen und überdachtem Außenbereich. Die Seitenwände dagegen sind weitgehend geschlossen; sie bestehen aus Lochziegeln mit integrierter Holzfaserdämmung sowie einer Vormauerung aus den Ziegeln eines Abbruchhauses.
Großformatige Bodenplatten aus Beton stellen eine Kontinuität zwischen Innen und Außen her. © Dietmar Strauß
Recycling und natürliche Dämmung
Darüber breitet sich ein Holzdachstuhl mit Titanzinkdeckung und ungewöhnlichem Innenleben: Die Zwischensparrendämmung besteht aus Seegras, sogenannten Neptunbällen. Für die Innenwände verwendeten die Architekten unverleimte Massivholzplatten aus dem Schwarzwald. Auf dem Boden unterstreichen die alten Betonbodenplatten der Gärtnerei, im Dickbett verlegt, die Kontinuität zwischen Innen und Außen. Anstelle von Sockelleisten bilden alte Reifen, mit Schotter gefüllt, eine schützende Fuge zwischen Bodenbelag und Wänden.
Wärmequelle und Blickfang ist der Kamin im Wohnbereich mit seinem lederbezogenen Sockel. © Dietmar Strauß
Da sich der Bauherr beruflich mit der Ledergerbung befasst, kehrt auch dieses Material an vielen Stellen im Haus wieder: als Sockelverkleidung für den Kamin ebenso wie an den Griffschlaufen der Schränke oder am Briefkasten, der aus einem alten Gewächshausgestell mit eingehängter Ledertasche besteht.
Architektur: jahnke | architektur
Bauherr: Privat
Standort: Kernäckerstraße 9/1, Tamm (DE)
Tragwerksplanung: Wulle Lichti Walz