Seerosenförmige Betonsäulen
Wohnhaus 75.9 von Omer Arbel Office
Das Wohnzimmer, der Essbereich und die offene Küche des Hauses 75.9 sind unter dem Vordach einer Seerosenblatt-Säule angeordnet. © Omer Arbel Office
Omer Arbel ist dafür bekannt, mit Grenzen verschiedener gestalterischer Disziplinen zu experimentieren. Dabei konzentriert er sich vor allem auf die Materialien Kupfer, Glas und Gussbeton. Für eine Familie in Vancouver stellte er nun das Einfamilienhaus 75.9 fertig. Vier große, monumentale Seerosenblatt-Säulen zieren das Innere des Hauses.
Die rauen Oberflächen der sogenannten „Lily Pads“ kontrastieren mit polierten Betonböden. © Omer Arbel Office
Stoffgegossene Betonformen
Noch bevor Omer Arbel den Bauauftrag erhielt, startete er mit der Entwicklung einer Methode, bei der eine spezielle Betonmischung langsam in ein geotechnisches Gewebematerial gegossen wird, das zwischen radial angeordneten Sperrholzrippenstrukturen, nachgiebigen Wänden und säulenförmigen Dachformen gespannt ist. Als die erste Säule erfolgreich auf der Baustelle gegossen war, erteilten die Bauherren den Auftrag für das Wohnhaus. Aus der Idee Nummer 75 entwickelte sich so das fertige Architekturprojekt 75.9 – zum ersten Mal gelingt es Omer Arbel seinen prozessbasierten Designansatz in einem architektonischen Maßstab anzuwenden.
„15 Jahre lang haben wir eine Methode entwickelt, um mit Materialien im Maßstab eines Objekts zu arbeiten“, sagt Omer Arbel. „Dies ist das erste Projekt, bei dem wir die Gelegenheit hatten, diese Methodik auf der Ebene der Architektur zu erproben. Unser Ansatz bestand darin, Methoden zur Herstellung konkreter Artefakte zu entwickeln und sie so zu behandeln, als handele es sich um vorgefundene Formen, als seien sie archäologische Ruinen. Wir haben die Entscheidungsfindung in zwei verschiedene Phasen unterteilt, von denen sich die eine auf die Schaffung spezifischer Objekte konzentrierte und die andere, viel später, auf die Einbindung in den Wohnraum."
Das Wohnzimmer, der Essbereich und die offene Küche liegen unter dem Vordach einer Säule. © Omer Arbel Office
Moderne Wohnlandschaft
Die Wohnräume sind in vier Volumen mit doppelter Raumhöhe unterteilt, die aus Glas und Zedernholz bestehen. Das Wohnzimmer, der Essbereich und die offene Küche sind alle unter dem Vordach einer Säule angeordnet. Die raue Oberfläche der sogenannten „Lily Pads“ kontrastiert mit den polierten Betonböden. Möbel und Einbauten aus Holz sowie ein von Japan inspirierter Innengarten sorgen für eine warme Wohnatmosphäre.
Das Wohnhaus 75.9 liegt auf einer Heuwiese im Nordwesten Kanadas. Zwei Magnolienbäume wachsen auf dem Dach. © Omer Arbel Office
Landschaftsgestaltung
Die das Wohnhaus umgebende Heuwiese wurde wie ein Teppich angehoben, um die Verbindungsgänge des Hauses zu bedecken. Durch diesen Vorgang verschmilzt die Architektur mit der Landschaft und erscheint als eine natürliche Erweiterung. Die hohle Trompetenform der Säulen ermöglicht es, die Dachlandschaft mit altem Baumbestand zu bepflanzen. So sitzen zwei Magnolienbäume in den hohlen Spitzen der Säulen und lassen die „Lily Pads“ blühen.
Architektur: Omer Arbel Office
Team: Omer Arbel, Mark Dennis, Kathryn Lamoureux, Jaedan Leimert, Graeme Smith, Tyler Wied
Verantwortlicher Architekt: Bruce Gernon Architect
Bauherr: Joe and Keira Haley
Standort: Vancouver (CA)
Bauunternehmen: Chris Wright of Build Wright Construction with Joe Haley and consulting by Brad Martin of Treeline Construction
Tragwerksplanung: Thomas Duke and Nick de Ridder of Fast + Epp Structural Engineers
Geotechnik: Matt Kokan von Geopacific Consultants
Fassadenplanung: JRS Engineering
Fertigstellung: 2017–2023
Bruttogrundfläche: 740 m²