Architektentag in Frankfurt
Wie werden Fassaden zukunftstauglich?
Grüne Hülle, einfaches Klimakonzept: Hauptverwaltung des Deutschen Alpenvereins von Element A und Hiendl Schieneis Architekten mit Transsolar. © Schels, Lanz/PK Odessa
Wie lassen sich Gebäudehüllen „fit“ machen für die Zeit des Klimawandels? Diese knifflige Frage stand beim diesjährigen Architektentag der Fassadenbranche in Frankfurt im Vordergrund. „Effizient, resilient, nachhaltig – die Gebäudehülle von morgen“ lautete das Motto der Veranstaltung. Fünf Branchenverbände – A|U|F, der BF Bundesverband Flachglas, das ift Rosenheim, Rewindo und der VFF Verband Fenster + Fassade – hatten diese zum wiederholten Mal gemeinsam mit Detail organisiert.
Am 26. Oktober 2023 fand der diesjährige Architektentag der Fassadenbranche im Frankfurter Schüco-Showroom statt. © Fiona Schenck
Welche Anforderungen für klimataugliche Fassaden erfüllen müssen, haben Jörn P. Lass, Leiter des ift Rosenheim, und seine Kollegen unlängst in einem Fachbeitrag zusammengefasst: Es geht um Energieeffizienz, Tageslicht- und Frischluftversorgung, aber auch um Aspekte, die erst in den letzten Jahren auf der Agenda der Fassadenplanung stehen. Dazu zählen etwa leichte Demontierbarkeit und Recyclingfähigkeit oder eine möglichst geringe Herstellungsenergie.
Gebäudehüllen für ein heißeres Klima
Was sonst noch wichtig wird, erläuterte Jörn P. Lass in seinem Vortrag: Die Zahl der jährlichen Hitzetage in Deutschland hat sich seit den 1950er-Jahren bereits verdoppelt, Tendenz weiter steigend. Auch die Menge an Winterniederschlägen legt deutlich zu, Starkregen und Hagel werden häufiger. Um die Leistungsfähigkeit von Fenstern, Türen und Fassadensystemen in diesen Punkten transparent zu machen, entwickelt das ift Rosenheim derzeit ein neues Produktlabel. Die Ergebnisse werden von dem Rosenheimer Institut unabhängig überprüft und sollen auch in Gebäudezertifizierungen nach DGNB, Leed und Co. einfließen können. Der offizielle Launch des neuen Bewertungssystems ist um den Jahreswechsel 2024/25 geplant.
Umnutzung trotz Denkmalschutz: Aus dem Frankfurter Philosophicum von Ferdinand Kramer haben Stefan Forster Architekten und Bollinger+Grohmann Ingenieure ein Studierendenwohnheim gemacht. © Bollinger + Grohmann
Leuchtturmprojekte für Bestand und Neubau
Daniel Pfanner von Bollinger+Grohmann Ingenieure stellte beim Architektentag zwei auf den ersten Blick völlig konträre Projekte vor: den Umbau des Philosophicums in Frankfurt zu einem Studierendenwohnheim (mit Stefan Forster Architekten) und den Elbtower in Hamburg (mit David Chipperfield Architects). Ungewöhnliche Lösungen mussten in beiden Fällen gefunden werden wie zum Beispiel die Wartungsbalkone und geschosshohen Verschattungslamellen am Elbtower. Zielkonflikte waren dabei unvermeidlich – zum Beispiel zwischen effizientem Materialeinsatz und einer langen Lebensdauer der Fassadenkomponenten. Durch kluge Planung lassen sie sich allerdings minimieren – etwa indem Gebäudehüllen in die Lage versetzt werden, Verformungen des Tragwerks zu kompensieren, statt Tragwerke mit viel Materialaufwand noch steifer zu machen.
Für die Daimler-Hauptverwaltung in Stuttgart versahen KSP Engel einen dreiteiligen Gebäudekomplex aus unterschiedlichen Jahrzehnten mit neuer, einheitlicher Hülle. © Simon Menges
Welche Halbwertszeit haben Fassaden?
Viel Erfahrung mit stadtbildprägenden Hochhäusern hat auch Ulf Gatzke-Yu vom Architekturbüro KSP Engel. Er stellte beim Architektentag unter anderem die Sanierung der Daimler-Verwaltungszentrale in Stuttgart und den Neubau des Central Business Tower in Frankfurt vor. Sein Vortrag macht deutlich, dass Fassadenplanung nicht nur eine technische Disziplin ist: Ansprüche an Nutzbarkeit (Stichworte: Büroraumstrukturen und Fassadenraster) und der vom Bauherrn gewünschte Ausdruck entscheiden mitunter, ob Bestandsfassaden weitergenutzt oder ausgetauscht werden. Gleichzeitig kann eine zeitlose Gestaltung die Lebensdauer der Gebäudehülle erhöhen und steht der Integration neuer Technologien nicht im Weg: Beim Central Business Tower, einem Projekt mit 20-jähriger Anlaufzeit, werden nun die Turmkrone und die die Stirnseiten der Geschossdecken mit Photovoltaikmodulen verkleidet.
Vor 20 Jahren gewann KSP Engel den Wettbewerb für den Central Business Tower in Frankfurt. Jetzt wird er gebaut – mit neu konzipierter Hülle aus Glas und Photovoltaikmodulen. Rendering: © Helaba/Rendertaxi
Bürohaus mit Low-Tech-Klimakonzept
Im Schatten eines High-Tech-Hochhauses – in diesem Fall von Helmut Jahn – steht die neue Zentrale des Deutschen Alpenvereins in München, die Markus Krauss von Transsolar vorstellte. Für den Verwaltungsbau adaptierten die Architekturbüros Hiendl Schieneis und Element A den Büroriegel eines ehemaligen Verlagsgebäudes. Eckpunkt des Klimakonzepts sind brüstungsintegrierte Lüftungselemente, die – angetrieben allein vom thermischen Auftrieb der Radiatoren – vorgewärmte Zuluft in die Räume befördern. Zur Verschattung und zum Mikroklima am Standort tragen auch die mit Topfpflanzen begrünten Holzbalkone an den Längsseiten bei.
Markus Krauss von Transsolar stellt die neue DAV-Zentrale in München vor. © Fiona Schenck
Sanierung und Recycling als Zukunftsthemen
In der abschließenden Podiumsdiskussion besprachen Ulf Gatzke-Yu und Markus Krauss mit Michael Elstner (Bundesverband Flachglas) und Detlef Timm (VFF), wohin die sprichwörtliche „Reise geht“ in der Fassadenplanung. Dass der CO2-Fußabdruck für Bauherren ein immer wichtigeres Entscheidungskriterium wird, war dabei unstrittig. Schon die EU-Taxonomie nötigt Investoren, in diesem Punkt künftig deutlich genauer hinzuschauen. Ulf Gatzke-Yu stellte dabei die Frage in den Raum, ob Neubauten in dieser Konstellation überhaupt noch wirtschaftlich zu realisieren sein werden. Markus Krauss zeigte sich zuversichtlich, dass Gebäudesanierungen und Produktrecycling zunehmend wirtschaftlich werden – vorausgesetzt, der CO2-Preis steigt in ausreichende Höhen.
Wenn alles gut geht, wird er ab 2025 die Frankfurter Skyline prägen: der Elbtower von David Chipperfield Architects. Die von Bollinger + Grohmann geplante Fassade wird Wartungsbalkone und gebäudehohe Verschattungslamellen umfassen. Rendering: © Chipperfield Architects
Einfacher bauen – aber wie?
Ebenso unumstritten war in der Diskussionsrunde, dass einfacheren Fassadenkonstruktionen die Zukunft gehört – und zwar nicht nur aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, sondern auch der Ökobilanz. Doch die Frage, wo man Dinge am besten weglassen kann und wo besser nicht, ist bekanntermaßen komplex und wird die Branche sicher weiter begleiten. Auf die Ausgangsfrage, wie sich Fassaden „klimafit“ für heißere Zeiten machen lassen, nannten die Diskutanten überwiegend bewährte Mittel – einen außen liegenden, beweglichen Sonnenschutz, ausreichend thermische Masse und eine Nachtluftspülung. Statt einseitiger Optimierungen schlug Michael Elstner vor, Bewährtes klüger miteinander zu kombinieren. In die gleiche Richtung argumentiert auch Detlef Timm. Die geschäumten Hybridkonstruktionen bei Fensterrahmen, mit denen die Hersteller in der Vergangenheit die U-Wert-Olympiade gewinnen wollten, seien alle wieder vom Markt verschwunden. Stattdessen, so Timm, hat die Fensterbranche an der sortenreinen Trennbarkeit ihrer Produkte gearbeitet und ist sogar dabei, erste Miet- und Leasingkonzepte für Fassadensysteme zu entwickeln.
Podiumsdiskussion beim Architektentag in Frankfurt. © Fiona Schenck
Wege in die Kreislaufwirtschaft
Gleichzeitig ist eine wirtschaftliche Wiederverwendung von Bauteilen in der Fassadenbranche schwierig. Denn jedes Gebäude wird individuell geplant – und damit auch die jeweiligen Fensterformate. Ändern ließe sich das laut Detlef Timm durch mehr serielles Bauen. Das könnte nebenbei auch die Baukosten senken. Von ähnlichen Diskussionen berichtete Michael Elstner aus der Flachglasindustrie. Hier geht es weniger um die Wiederverwendung kompletter Isolierglaspakete. Aber ein Re-use einzelner Glasscheiben käme durchaus infrage – vorausgesetzt die derzeit noch hohen technischen, juristischen und wirtschaftlichen Hürden werden überwunden. Bis dahin führ am verstärkten Produktrecycling kein Weg vorbei, so Elstner: „Wenn wir den CO2-Fußabdruck unserer Produkte senken wollen, brauchen wir das Altglas und müssen Scherben sammeln. Wir sind daher an jedem Sanierungsprojekt interessiert und klären die Logistik, um die alten Scheiben wieder in den Produktionsprozess zurückzuführen.“ Im Herbst 2024 soll der Architektentag der Fassadenbranche eine neue Auflage erleben. Termin und Ort geben wir auf der Detail-Homepage rechtzeitig bekannt.
Veranstaltung: Architektentag „Effizient, resilient, nachhaltig – die Gebäudehülle von morgen“
Veranstalter:
A|U|F
BF Bundesverband Flachglas
ift Rosenheim
Rewindo
VFF Verband Fenster + Fassade
in Kooperation mit Detail
Termin: 26. November 2023
Ort: Schüco Showroom Frankfurt, Thurn-und-Taxis-Platz 6, Frankfurt (DE)