14.04.2025 Jakob Schoof

Wie funktioniert Lehmbau wirklich?

Ungebrannter Lehm ist für seine hohe Feuchtesorption bekannt. Die Kehrseite der Medaille: Die Steine müssen unbedingt vor Feuchtigkeit geschützt werden. © Bauhaus Filmwerkstatt

Im Juni 2023 wurde die neue Norm DIN 18940, „Tragendes Lehmmauerwerk, Konstruktion, Bemessung und Ausführung“ veröffentlicht. Nach Ansicht von Experten ist sie ein Meilenstein für die Entwicklung des Lehmbaus und mit das Fortschrittlichste, was es in der EU zu dem Thema gibt. Statt bisher nur zweigeschossig, können nun Gebäuden aller Art mit bis zu vier Geschossen, oder 13 m Bauhöhe, aus tragenden Lehmsteinwänden errichtet werden. Die Mindestwanddicke einer tragenden Lehmwand beträgt nun nur noch 17,5 cm, bisher war es knapp das Doppelte.

Die Tragfähigkeit einer Lehmwand hängt laut der Norm maßgeblich von drei Faktoren ab: dem Querschnitt, der Steinfestigkeitsklasse und dem Feuchtegehalt der Umgebungsluft. Ganz entscheidend ist bei Lehmsteinen der Einfluss der Raumluftfeuchte. Hier dürfen tragende Lehmsteine laut der deutschen Norm nur verwendet werden, wenn sie durch ein Wärmedämmverbundsystem oder eine Vorhangfassade vor der Witterung geschützt werden.

Viele Ziegelhersteller – wie zum Beispiel Gima – haben ihr Produktportfolio in den letzten Jahren auch auf Lehmsteine ausgeweitet. © Bauhaus Filmwerkstatt

Die Kunst der richtigen Konstruktion

Aus dem eben Gesagten lassen sich eine Reihe von Konstruktionshinweisen ableiten: Vor allem in der Bauphase müssen Lehmziegelwände vor Schlagregen geschützt werden. Das gilt auch für die Paletten, auf denen die Steine gelagert werden. Lehmbauarbeiten sollten bis Ende des Sommers abgeschlossen sein, sonst drohen Frostschäden. Dabei ist auch die Trocknungszeit zu beachten, die bei Lehmsteinen abhängig von den Umgebungsbedingungen zwei bis vier Wochen betragen kann. Während dieser Zeit sollten starke Temperaturschwankungen vermieden werden, das heißt: Lehmmauerwerk ist vor direkter Sonneneinstrahlung und starken Winden zu schützen. Eine ausreichende Luftzirkulation auf der Baustelle hilft, Schimmelbildung zu vermeiden.

Auch auf den Wandaufbau kommt es an: Die unterste Steinschicht in jedem Geschoss sollte aus wasserfesten, sogenannten Kimmziegeln bestehen. Ihre Höhe sollte den Geländeverlauf und den Spritzwasserbereich berücksichtigen. In der Regel ist eine Kimmschicht von mindestens 30 cm erforderlich, die nach oben hin mit einer Sperrschicht abgedeckt wird. Die vertikale Abdichtung an der Außen- und Innenseite muss über die Kimmschicht hinausgeführt werden. Lehmsteinwände sollten diffusionsoffen sein und weder innen noch außen mit flächigen Abdichtungen, etwa aus Bitumen, versehen sein.

Vorsicht vor fließendem Wasser!

Besondere Vorsicht ist überall dort geboten, wo Wasser fließt – sei es in Nassräumen oder Heizleitungen. Nasszellen sollten nach Möglichkeit an einem Schachtstrang übereinander liegen, da dies die Installation und Wartung der Wasserleitungen und Abflüsse erleichtert. Durch die vertikale Anordnung von Badezimmern, Küchen und anderen Feuchträumen können Rohre effizienter und kostengünstiger verlegt werden. Dies reduziert nicht nur die Materialkosten, sondern minimiert auch das Risiko von Leckagen und Wasserschäden. Aus demselben Grund sollten Leitungsführungen in Lehmziegelwänden sollten tunlichst vermieden werden. In Nasszellen ist das Mauerwerk durch eine Putzschicht oder Hydrophobierung zu schützen und Nassräume, aber auch Schächte, sollten mit einer Notentwässerung ausgestattet sein.

Weitere Einschränkungen betreffen die verringerte Tragfähigkeit der Lehmziegel, die eine gleichmäßige Lastenverteilung unverzichtbar macht. Bei der Planung sollte darauf geachtet werden, dass Wände und tragende Elemente möglichst übereinander angeordnet werden, um vertikale Lasten direkt nach unten abzuleiten. Fensteröffnungen sollten wenn möglich geschossweise übereinander angeordnet werden und Punktlasten im Mauerwerk – etwa durch sehr breite Fenster und Auskragungen im Baukörper – sind zu vermeiden. Wo das nicht möglich ist, muss das Mauerwerk durch Träger verstärkt werden.

Mehr dazu in Detail 4.2025 sowie in unserer Datenbank Detail Inspiration.


Quellen: 
Jäger, Wolfram; Hartmann, Raik: Lehmmauerwerk: Entwurfs- und Konstruktionsgrundsätze für eine Breitenanwendung im Wohnbau …. Fraunhofer IRB Verlag, 2019

Gima Girnghuber: Lehmziegel – Naturnah Bauen. Eigenverlag, o.J.


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