Dämmstoffrecycling in der Praxis
Wenn Hersteller zu Sammlern werden
Vorteil für das Recycling: XPS wird oft nur lose verlegt wie hier in der neuen Produktionshalle von Austrotherm im österreichischen Purbach. © Austrotherm
XPS ist in Flachdach- und Perimeterdämmungen weit verbreitet. Prinzipiell ließe es sich gut recyceln – wenn da nicht einige Problemstoffe wären. Doch die Branche sinnt bereits auf Abhilfe.
Wenn Hersteller zu Sammlern werden
Extrudiertes Polystyrol, kurz XPS, lag in den letzten Jahren auf Rang drei der meistverwendeten Dämmstoffe im deutschsprachigen Raum. Mit knapp 9% ist sein Marktanteil annähernd so groß wie der aller nachwachsenden Dämmmaterialien zusammengenommen. Vor allem als Perimeterdämmung bei Kellern und Bodenplatten sowie auf Umkehrdächern kommt das Material oft zum Einsatz.
80% weniger Emissionen durch Recycling
Noch immer hält sich die Mär von der angeblich mangelnden Recyclingfähigkeit von EPS- und XPS-Dämmstoffen hartnäckig. Dabei hat sich hier inzwischen viel getan: Nach 2015 hergestellte Dämmstoffe aus diesen Materialien gelten nicht als gefährlicher Abfall. Das Recycling von Produktionsabfällen und Baustellen-Verschnittmaterial ist hier seit Jahren gängige Praxis.
Seinen Ablauf erläutert Dirk Baune, Leiter Technischer Vertrieb von Austrotherm: „Das Material kommt von der Baustelle in Säcken zurück, wird sortiert und zerkleinert, eingeschmolzen und granuliert. Dieses Granulat kann dann wieder dem Produktionsprozess beigefügt werden.“ Nach Schätzung des Branchen-Dachverbands, der Fachvereinigung Extruderschaumstoff (FPX), spart diese Art des Recyclings gegenüber der Produktion von Neumaterial bis zu 80% Energie und CO2-Emissionen ein. Mitunter ist nicht einmal das notwendig: XPS-Dämmungen aus Umkehrdächern, die in der Regel nur lose verlegt werden, lassen sich oft auch ohne Recycling direkt wiederverwenden, betont FPX-Geschäftsführer Norbert Buddendick.
Vor allem als Perimeterdämmung ist XPS eine oft verwendete Option – hier etwa in Form der neuen XPS Plus Z-Foliendämmung von Austrotherm. © Austrotherm
Umweltgifte und Treibhausgase behindern den Stoffkreislauf
Komplizierter wird es bei älteren XPS-Dämmungen. Bis 2015 war es gängige Praxis, sie mit dem Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) zu versehen. Es gilt laut EU-Recht als persistenter, also in der Umwelt schwer abbaubarer, organischer Schadstoff (POP) und ist in der EU inzwischen verboten. HBCD-haltige Dämmstoffe ließen sich bisher nicht recyceln und mussten daher thermisch verwertet, also in Abfallverbrennungsanlagen verbrannt werden. Bis etwa 2000 wurden die Dämmplatten überdies mit ozonschädigenden Fluorchlorkohlenwassserstoffen (FCKW) aufgeschäumt. Um diese Altdämmungen verwerten zu können, braucht es spezielle Anlagen zur Verwertung von gefährlichen Abfällen.
Etwa 30% der Herstellungsenergie wird bei der thermischen Verwertung von XPS zurückgewonnen. Das ist besser als nichts – aber auch nicht optimal: Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt stellte 2019 in einer Studie fest, dass das Recycling von Dämmstoffen aus ökologischer Sicht fast immer besser ist als deren Verbrennung.
Zumindest für FCKW-freies XPS öffnen sich nun neue Perspektiven: 2021 ging im niederländischen Terneuzen die Recyclinganlage PS Loop in Betrieb. Sie verwendet das vom Fraunhofer Institut für Verfahrens- und Verpackungstechnik entwickelte CreaSolv-Verfahren. Dabei wird der Dämmstoff in Lösemitteln gelöst und das enthaltene Flammschutzmittel kann danach abgeschieden werden.
Bisher wird in Terneuzen nur EPS recycelt. Doch Norbert Buddendick vom FPX ist zuversichtlich, dass sich das bald ändern wird: „Sobald die Anlage mit EPS funktioniert, wird dieser Prozess auf XPS erweitert.“
Unter dem Produktnamen ReXPS bietet Bachl eine Dämmplatte aus 100% Recycling-XPS an. © Karl Bachl
Was passiert mit dem Recyclingmaterial?
Bei der Vermarktung des Recyclingmaterials setzen die XPS-Hersteller auf unterschiedliche Strategien: Bachl bietet sogenannte ReXPS-Platten aus 100% recyceltem EPS an. Ursa hat mit Ursa XPS Eco einen Dämmstoff mit 50% Recyclinggehalt im Programm. Bei Austrotherm dagegen enthalten alle neu hergestellten XPS-Platten einen bestimmten Recyclinganteil. Doch letztlich stehen alle Unternehmen vor der gleichen Herausforderung: Das Altmaterial reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. „Aktuell bewegen wir uns im Bereich von bis zu 2 % der Gesamtproduktionsmenge“, erläutert Austrotherm-Geschäftsführer Lars Peter.
XPS mit hohem Recyclinganteil lässt sich nicht überall am Bau einsetzen, wie Norbert Buddendick erläutert: „Bei denjenigen Anwendungsfällen, die in den Normen DIN 4108- 2 und DIN 4108-10 geregelt sind wie etwa Umkehrdächer oder Perimeterdämmungen ohne drückendes Wasser, gibt es grundsätzlich keine Einschränkungen. Diese sind nach hEN 13164 hergestellt und unter Berücksichtigung der Bauproduktenverordnung mit dem CE-Kennzeichen und einer Leistungserklärung (DoP) der Hersteller deklariert. Schwieriger ist es für Anwendungen, für die eine allgemeine Bauartgenehmigung (ehem. Bauaufsichtliche Zulassung) erforderlich ist wie zum Beispiel lastabtragende Dämmungen unter der Bodenplatte. Hier hat das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) klare Vorstellungen, welcher Recyclinganteil erlaubt ist. Die Herausforderung ist nun, dass viele Bauplaner auf Nummer Sicher gehen und für alle Anwendungen, egal welcher Art, Dämmungen mit entsprechenden allgemeinen Bauartgenehmigungen ausschreiben.“
Nachdem einzelne XPS-Hersteller schon vorher eigene Rücknahmesysteme angeboten hatten, hat die Branchenvereinigung FPX im September 2023 den branchenweiten Service XPS-Circular initiiert. © Austrotherm
Ein neues Rücknahmesystem für die Branche
Für die Rücknahme und das Recycling von Baustellen-Verschnittmaterial gibt es bei Austrotherm schon seit Jahren ein etabliertes System. Bisher galt dies freilich nur für Eigenprodukte des Herstellers. Das hat sich inzwischen Geändert: Im September 2023 starteten der Fachverband Extruderschaumstoff und das Entsorgungsunternehmen Ecoservice24 mit dem branchenweiten Rücknahmesystem XPS-Circular. Ihm angeschlossen haben sich bisher die fünf Mitgliedsunternehmen des FPX. Geschäftsführer Norbert Buddendick hofft, dass es nicht dabei bleibt: „Unser Ziel ist es, dass alle Hersteller, Händler und Importeure in Deutschland diesem System beitreten.“ Voraussetzung für das Recycling ist, wie bei den herstellerspezifischen Systemen bisher auch, die Sortenreinheit: „Die XPS-Dämmstoffplatten müssen also frei von Anhaftungen wie zum Beispiel Bitumenklebstoffen oder Dichtungsmassen sein. Wir entwickeln jedoch aktuell Verfahren, die es ermöglichen Anhaftungen oder Verunreinigungen vom wertvollen Rohstoff zu trennen“, erläutert Dirk Baune von Austrotherm. Dass das eines Tages funktioniert, hofft auch Norbert Buddendick – denn dann ließen sich auch Perimeterdämmungen aus XPS stofflich verwerten, statt sie zu verbrennen. „Im Konzept von XPS-Circular ist bereits vorgesehen, dass das System später auch auf Post-Consumer-Abfälle – also solche aus Umbau- oder Abbrucharbeiten – ausgedehnt werden soll.“ JS
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