Weg mit den Hindernissen!

Dominik Campanella, © Concular

Mit dem Start-up Concular unterstützt Dominik Campanella Bauherren und Architektinnen dabei, gebrauchte Baumaterialien neu in den Bauprozess einzubringen. Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen und fordert von der Politik eine stärkere Förderung des kreislauffähigen Bauens. 

Das Gespräch ist Teil einer Interviewreihe, die in der Publikation „Zirkuläres Bauen in der Praxis“ der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart erschienen ist. In den kommenden Wochen veröffentlichen wir weitere Interviews aus der Reihe. 

Was war euer Antrieb, Concular zu gründen, und welche Leistungen bietet ihr an?  
Unser Ziel ist es, Materialkreisläufe zu schließen. Das klare Narrativ ist: 40 % des CO2-Ausstoßes und 60 % des Abfalls stammen aus dem Bauwesen, die Hälfte davon durch die Herstellung der Materialien. Bisher passiert da noch nichts, stattdessen liegt der Fokus auf Energieeffizienz. Die Herausforderung besteht darin, dass wir im Bestand nicht wissen, welche Materialien verbaut sind. Dadurch ist es schwierig, den Materialkreislauf zu schließen. Deshalb geben wir den Materialien mit Materialpässen eine Identität – sowohl bei neuen als auch Bestandsgebäuden. Wir fokussieren uns auf Hersteller und Recyclingunternehmen, indem wir Materialien, die vor Ort sind, zurück zu diesen Unternehmen bringen und dann neu in den Bauprozess einbringen. Wir übernehmen also die Digitalisierung und Vermittlung von Materialien und beraten in dem Prozess. 

Bestandsaufnahme von Concular in der Stuttgarter Mercedes-Benz-Arena. © Thomas Jones 

Welche Schwierigkeiten und Hindernisse gibt es beim zirkulären Bauen? 
Am Ende kommt es auf die Wirtschaftlichkeit an. So funktioniert das komplette System. Aktuell haben wir eine Take-Make-Waste-Mentalität: Wir stellen Material her und verbauen es, der Investmenthorizont beträgt 40 Jahre. Dann wird das Gebäude abgerissen und ein neues gebaut. Zirkuläres Bauen funktioniert anders, es ist eine komplett neue Mentalität und Denkweise, die aber unter der aktuellen Regulatorik schwer umzusetzen ist. Im Moment ist es zum Teil wirtschaftlich nicht sinnvoll, Materialien wiedereinzubringen, weil der Aufwand zu hoch ist.  

Hast du ein Beispiel? 
Wenn ich ein neues Gebäude baue und das mit Dämmmaterial vollpacke, das vielleicht aus Mineralwolle besteht oder aus der Erdölproduktion stammt und in der Herstellung mehr CO2 verbraucht als es einspart, bekomme ich eine KfW-Förderung. Wenn ich aber einen Ziegelstein von einem bestehenden Gebäude nehme und in ein anderes Gebäude einbaue, bekomme ich keine KfW-Förderung, sondern nur super viel Ärger. Das komplette System, die ganzen Regularien und die Bauordnung sind auf Neubauen ausgerichtet. Das führt immer zu Mehraufwand und dieser Mehraufwand kostet Geld. Hinzukommt, dass es ein neues Thema ist, weshalb es erstmal Wissensgenerierung braucht. Das ist auch Aufwand und macht die Wirtschaftlichkeit schwierig.  

Ihr seid nicht nur Unternehmer, sondern auch Aktivistinnen für das Thema Circular Economy. Wie bringt ihr euch politisch ein? 
Die Gesetzgebung ist das Wichtigste überhaupt, weil sie auf Neubauen und neue Bauprodukte ausgerichtet ist. Das muss geändert werden in Richtung Wiedereinbringung der Materialien und Umbau. Dafür gibt es viele Initiativen wie Architects4future oder German Zero, die wir unterstützen. Sie zeigen Gesetzesvorschläge auf, wie etwa die Musterbauumordnung aussehen müsste, oder wie die Bauprodukteverordnung verändert werden kann. Die Zulassungsverfahren für wiedergewonnene Materialien müssen vereinfacht werden, das ist derzeit der Knackpunkt. Bei vielen Materialien kann man Zulassungen im Einzelfall beantragen, aber bei kleineren Mengen ergibt das nicht so viel Sinn. Wir reden aber auch viel mit Politikerinnen, sind in den Fachbeiräten der EU-Kommission und der DGNB vertreten und pushen dort das Thema.

Bestandsaufnahme von Concular in der Stuttgarter Mercedes-Benz-Arena. © Thomas Jones 

Gibt es Förderprogramme, die zirkuläres Bauen unterstützen? 
Es gibt zwar ein großes Commitment, aber keine Förderprogramme. Leider. Ich glaube, der größte Hebel, der gerade existiert, ist auf EU-Ebene die Taxonomy of Sustainable Activities.

Wie stark ist die bei euren Kundinnen und auch bei euch selbst bereits angekommen? 
Es kommen ganz konkret Projektentwickler auf uns zu, die sagen, dass sie diese Kriterien jetzt erfüllen müssen und unsere Unterstützung brauchen. Die Taxonomie ist ein enorm wichtiges Instrument, deren Auswirkungen wir jetzt schon spüren. Man kann den kompletten Markt verändern, wenn man mehr in diese Richtung geht.

Wer kommt denn auf euch zu – Architekturbüros oder Projektentwicklerinnen?  
Das ist unterschiedlich. Architekturbüros haben viel Lust darauf, weil es eine neue Aufgabe ist und viel mit Kreativität zu tun hat. Wir haben selbst viele Architekten und Architektinnen in unserem Team, was bedeutet, dass wir dieselbe Sprache sprechen. Aber am wichtigsten ist es, die Bauherrschaft und die Projektentwickler abzuholen. Wenn die auf uns zukommen, können wir wirklich was bewegen. Allerdings pitchen wir auch gerne mit Architekturbüros bei den Bauherren. 

Bestandsaufnahme beim Umbau der Stuttgarter Mercedes-Benz-Arena. © Thomas Jones 
Ausbau der Bullaugen beim Umbau der Stuttgarter Mercedes-Benz-Arena. © asp Architekten 

Wann solltet ihr in ein Projekt eingebunden werden? 
So früh wie möglich. Wir erarbeiten oft schon mit Wettbewerbsteams Konzepte, wie Zirkuläres Bauen dort aussehen kann. Bei einem Neubauprojekt brauchen wir am besten in Leistungsphase 1 bis 3 die Anfrage, oder auch schon davor. Beim Rückbau mindestens ein halbes Jahr davor, um wirklich etwas Sinnvolles bewegen zu können.  

Wie macht ihr das mit der Lagerung? Lagert ihr selber auch zwischen? 
Logistik ist ein super komplexes Thema, aber es gibt viele Strategien. Ziegelmauerwerk gibt es zum Beispiel immer. Da sucht man einfach das Gebäude, bei dem es gerade zeitlich passt. Wir arbeiten aber auch mit Herstellerinnen zusammen, geben ihnen die Materialien zurück, damit sie diese einlagern bis wir sie wieder benötigen. Genauso bei verarbeitenden Unternehmen. Meistens gibt es aber Lagerflächen auf dem Rück- oder Neubau. Im September haben wir über den Berliner Senat außerdem eine Lagerfläche von über 400 m² bekommen.  

Im Moment scheint das ja ganz gut zu funktionieren, weil es eine Nische ist. Aber wenn man das skaliert, braucht es doch bestimmt eine neue Infrastruktur? 
Ja und nein. Zum einen wird der Weg dahin gehen, dass Hersteller und Recyclingunternehmen viele der Materialien zurücknehmen und sich in den aktuellen Prozess integrieren. Zum anderen braucht es eine lokale Infrastruktur von Städten. Wir wollen sogenannte Circular Value Chains etablieren. Städte müssen die Möglichkeit geben, entsprechende Lager zur Verfügung zu stellen, in denen zwischengelagert und aufbereitet werden kann. Rotor DC haben zum Beispiel eine Lagerfläche in Brüssel und bringen dort erfolgreich Materialien wieder ein. Ich denke, es werden sich aber auch immer mehr Unternehmen etablieren, die sich auf die Aufbereitung fokussieren; das sind quasi neue Hersteller, die selber Lagerflächen haben werden. 
 

Erfassung der Baumaterialien bei der Modernisierung der Stuttgarter Mercedes-Benz-Arena durch Concular. © Thomas JonesDies ist eine Bildunterschrift

Concular und Madaster werden oft in einem Atemzug genannt. Die Branche weiß nicht genau, was euch unterscheidet? 
Es gibt verschiedene Anbieterinnen auf dem Markt, aber der ist auch groß genug dafür. Was Concular und Madaster gemeinsam haben, sind Materialpässe für neue Gebäude. Madaster ist ein Materialkataster, dort können Materialien gespeichert werden. Wir haben einen anderen Ansatz: Wir denken, dass zirkuläre Bauwirtschaft nur dann möglich ist, wenn es ein Ökosystem gibt. Wenn Materialien von neuen und bestehenden Gebäuden digitalisiert werden und wieder eingebracht werden. Über Concular kann man den kompletten Kreislauf durchführen.

Habt ihr einen Erfahrungswert, wie viele CO2-Emissionen im Betrieb und wie viele in der Konstruktion anfallen?  
Aktuell 50:50, aber das hat sich auch schon stark verändert. Früher waren es 70 % im Betrieb und 30 % bei der Herstellung. In den nächsten fünf Jahren wird sich das genau andersherum darstellen: 30 % Betrieb, 70 % Herstellung. Unter diesen Umständen ist es einfach völlig verrückt, dass die gesamte Struktur nicht darauf ausgerichtet wird.

Dominik Campanella ist Mitgründer von Concular, einer digitalen Plattform für ressourceneffizientes Bauen. Das Impact Start-up mit Sitz in Berlin sowie Stuttgart digitalisiert über Materialpässe Materialien in Bestandsgebäuden und stellt diese bei einem Rückbau in einer Materialdatenbank zur Verfügung. Architekturbüros können ihren Bedarf in neuen Projekten mit dem Angebot in der Datenbank abgleichen. Bei einem Match kümmert sich Concular darum, dass die Materialien von der Rückbau- zur Neubaustelle kommen und misst dabei das eingesparte CO2 und den vermiedenen Abfall. 


Das komplette Interview wurde zuerst veröffentlicht in der Publikation „Zirkuläres Bauen in der Praxis“ 
Verfasser/-innen: 
Markus Weismann, asp Architekten 
Marcus Herget, Marcus Herget Beratungsunternehmen 
Nadine Funck, asp Architekten 
Raphael Dietz, asp Architekten 


Auftraggeberin: Wirtschaftsförderung Region Stuttgart 
Die Publikation untersucht, inwieweit zirkuläres Bauen bereits am Markt angekommen ist, welche Potenziale sich dadurch ergeben und wie diese besser ausgeschöpft werden können. Die 15 Experteninterviews zeigen dabei die unterschiedlichen Perspektiven aus Wirtschaft, Politik, Architektur, Wissenschaft und Bauherrinnen auf. 
Download: Zirkuläres Bauen in der Praxis

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