Vorsicht bei der Ausschreibung von Stadtmobiliar

Foto: Kristy Marett auf Pixabay

Städte und Gemeinden wünschen sich für ihre Fußgängerzonen, Parks und Plätze ein möglichst attraktives Erscheinungsbild. Bürger, Besucher und Touristen sollen sich dort wohl fühlen. Unverzichtbar sind dabei bequeme, langlebige und schöne Sitzmöbel. Den Grünflächen- und Stadtbauämtern, aber auch den Architekten und Landschaftsarchitekten ist die überschaubare Zahl von Anbietern bzw. Herstellern von Stadtmobiliar in Deutschland zumeist bekannt, weshalb sie gerne auf deren Qualitätsprodukte zurückgreifen. Weniger bekannt ist, dass solche Produkte (Bänke, Tische, Spielplatzausstattung etc.) häufig designrechtlich geschützt sind und der Nachbau sowie Benutzung ohne Genehmigung des Designinhabers als Produktpiraterie verboten sind.

Wer im Falle eines Falles und in welchem Umfang haftet, das zeigt folgendes Beispiel: Die Stadt X beauftragt einen Landschaftsarchitekten mit der Planung, Bauüberwachung und Erstellung eines Leistungsverzeichnisses eines neuen Parks. In seinem Plan hat der Architekt Rundbänke eines bekannten deutschen Anbieters namentlich vorgesehen, die er wegen ihrer Qualität schätzt und deren Design der Gesamtgestaltung der Baumaßnahme planerisch und ästhetisch angepasst ist. Dass das Design dieser Bank rechtlich geschützt ist, war dem Planer ebenso bekannt wie der Inhaber des Designrechts.

Um für die geplante Maßnahme öffentliche Fördermittel zu erhalten, glaubte sich die Stadt vergaberechtlich verpflichtet, die für den Park vorgesehenen Bänke »neutral« auszuschreiben und in das Leistungsverzeichnis keinen Hinweis auf den Hersteller und Designinhaber aufzunehmen. Dem an der Ausschreibung beteiligten Garten- und Landschaftsbauunternehmen, ds später den Zuschlag erhielt, waren sowohl die geplanten Bänke und auch deren Hersteller bekannt, weshalb er bei ihm für die Bänke ein Preisangebot einholte, in welchem deutlich auf den Designschutz hingewiesen war. Die Bänke ließ er jedoch nicht beim Designinhaber herstellen, sondern als 1:1-Kopien in einer Fabrik in Norditalien – und zwar zu einem deutlich günstigeren Preis – und diese an das städtische Projekt liefern, wo er die Bänke montierte. Weder dem Planer noch der Stadt fiel auf, dass Plagiate geliefert worden waren.

Der Designinhaber ließ Monate später das ihm aufgrund der Angebotsanforderung bekannte städtische Projekt überprüfen und entdeckte die nach seinem Design hergestellten Plagiate. Durch seine Anwälte forderte er die Stadt zur Auskunft auf über den Planer, den Gegenstand der Ausschreibung, den Lieferanten der Bänke sowie die gelieferte Menge und den berechneten Preis. Nach Erhalt der Auskünfte machte er gegenüber dem Lieferanten und dem italienischen Fabrikanten mit Erfolg Schadensersatz in Höhe des Verletzergewinns geltend. Auf seine gesetzlichen Ansprüche gegen die Stadt verzichtete er.

Die Rechtslage hinsichtlich der Haftung der Beteiligten dieses Beispielfalles sieht wie folgt aus: Der Inhaber eines im Register eingetragenen rechtswirksamen Designs hat gemäß § 38 DesignG das Recht, jedem die Benutzung des Designs oder einer Nachahmung, die beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck auslöst, zu verbieten. Das Verbot richtet sich auch gegen den, der ohne Kenntnis des Designschutzes („unverschuldet“) das Design oder ein Plagiat benutzt, das heißt herstellt, besitzt, anbietet, gebraucht und bewirbt.

Dies bedeutet, dass auch die Verantwortlichen der Stadt, die die Lieferung und Montage der Plagiate ohne Kenntnis von der Produktpiraterie duldeten, rechtlich haftbar sind.

Gemäß § 42 DesignG kann der Designinhaber gegen die Stadt sowie den Lieferanten und den Hersteller der Plagiate Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung der Benutzung der Bänke und bei schuldhafter (fahrlässiger oder vorsätzlicher) Verletzung des Rechts aus dem Design Schadensersatz, etwa in Höhe des Verletzergewinns, geltend machen.

Weiterhin kann der Designinhaber gemäß § 43 DesignG vom Verletzter Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen verlangen. Alle vorgenannten Ansprüche kann der Designinhaber gerichtlich durchsetzen. Angesichts der hohen Streitwerte (in aller Regel sechsstellige Beträge) in Designstreitsachen drohen hier hohe Abmahn- und Prozesskosten. Letztlich ist gemäß § 51 DesignG derjenige sogar persönlich strafbar, der ein Design ohne Zustimmung des Inhabers benutzt, wobei der Tatbestand der Benutzung die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr und den Gebrauch einschließt. Selbst der Versuch ist bereits strafbar und die gewerbsmäßige Verletzung des Designs ist mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe sanktioniert.

Ich habe aufgrund der Bearbeitung zahlreicher Designverletzungsverfahren im Garten- und Landschaftsbau die Erfahrung gemacht, dass gerade die Verantwortlichen der Städte und Gemeinden, die der Gesetzmäßigkeit der öffentlichen Verwaltung verpflichtet sind, nicht wissen oder bei Ausschreibung und Vergabe nicht prüfen, ob eventuell Designrechte oder andere gewerbliche Schutzrechte beachtet worden sind. Auch die persönliche Haftung für Produktpiraterie wird häufig ignoriert oder ist unbekannt.

Auslöser für die oben beschriebenen Rechtsverletzungen ist häufig die Auffassung der Vergabestellen, die Ausschreibung müsse vergaberechtlich »neutral« erfolgen, das heißt, das konkrete im Plan des Landschaftsarchitekten vorgesehene Mobiliar und dessen Hersteller dürfe in der Leistungsbeschreibung nicht konkret benannt und es müsse aus Gründen der Neutralität „oder gleichwertig“ hinzugefügt werden.

Diese Auffassung ist falsch!

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass

  • die Bestimmung des Auftragsgegenstandes alleine dem Auftraggeber obliegt. Das Vergaberecht macht dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich keine Vorgaben hinsichtlich dessen, was er beschaffen muss oder will;
  • das Vergaberecht nur die Art und Weise der Beschaffung regelt. Es liegt damit in der Hand des Auftraggebers, die an die zu beschaffenden Gegenstände zu stellenden funktionalen, technischen und ästhetischen Anforderungen nach seinem Bedarf festzulegen; die konkreten Spezifikationen müssen aber objektiv auftrags- und sachbezogen sein und dürfen keine diskriminierende Wirkung haben (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Juli 2016 – 1 VK 28/16).

Auch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen legt den Vergabestellen keine Beschränkungen gegen eine konkrete Bezeichnung des zu beschaffenen Produkts auf. Gemäß § 127 GWB geht es um den wirksamen Wettbewerb der Ausschreibungsteilnehmer und der Zuschlag soll dem Angebot mit dem besten Preis-/Leistungsverhältnis erteilt werden, wobei qualitative und ästhetische Kriterien gleichrangig in die Entscheidung über den Zuschlag mit einzubeziehen sind.

Ein wirksamer Wettbewerb im Sinne des Gesetzes findet nämlich nur dann statt, wenn Anbieter den Zuschlag erhalten, die sich gesetzestreu verhalten. Das Angebot von Plagiaten ist grundsätzlich wettbewerbswidrig.

Was müssen die oben genannten Beteiligten also beachten?

Sowohl bei neutraler als auch bei konkreter Ausschreibung sollten die oben genannten Beteiligten, insbesondere die Verantwortlichen der Städte und Gemeinden, bei Ausschreibung einer oben beschriebenen Gesamtleistung darin enthaltene rechtlich geschützte Gegenstände mit Angabe des Herstellers oder des Schutzrechtes (z. B. Design) bezeichnen.

Gegen Nachteile bzw. Schäden durch Lieferung von Plagiaten sollten sie sich absichern, indem sie sowohl den Landschaftsarchitekten als auch den Auftragnehmer, der den Zuschlag für die Lieferung erhalten hat, vertraglich verpflichten, keine rechtsverletzenden Gegenstände des Außenraums zu liefern. Hierdurch wäre eine klare Rechtsgrundlage für Regresse gegen die jeweiligen Vertragspartner geschaffen.

Oft werden von den öffentlichen Auftraggebern für die Beauftragung von Landschaftsarchitekten Wettbewerbe und Auswahlprozesse vorgeschaltet. Es ist nur konsequent und folgerichtig, dem so aufwändig ausgewählten Planer in seiner Gesamtgestaltung zu folgen, um den gewünschten gestalterischen Gesamteindruck des Bauvorhabens zu erzielen. Entsprechend sind natürlich auch die Details umzusetzen und eingeplante Elemente – die rechtlich geschützt sind – klar zu benennen.

Erfahrungsgemäß weisen die Vergabestellen der öffentlichen Auftraggeber ihre für die Ausschreibung verantwortlichen Mitarbeiter aus Kostengesichtspunkten zur neutralen Ausschreibung an. Solche Anweisungen können allerdings niemals so verstanden werden, dass aus Kostengründen rechtsverletzende Produkte den Zuschlag erhalten.

Fazit:
Öffentliche Auftraggeber und die von ihnen beauftragten Planer sollen in ihren städtebaulichen Vorstellungen bzw. in kreativer Architektenleistung grundsätzlich frei sein. Sie sollen und dürfen jedoch bei der Umsetzung der Vorstellungen und Pläne keine Rechte Dritter verletzen.

Wolfgang Eckert auf Pixabay

Foto: Kristy Marett auf Pixabay

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