Kostengünstiger Wohnungsbau
Umnutzung eines ehemaligen Weinlagers zum Wohnhaus
Die mit Trapezblech verkleideten Kopfbauten des Wohngebäudes erinnern entfernt an Containerstapel – und natürlich an die Vorgeschichte des Gebäudes als Lagerhaus. © Jakob Schoof
Esch Sintzel Architekten haben ein ehemaliges Lagergebäude in Basel zu einem mehrgeschossigen Wohnhaus transformiert. Auf Initiative der Stiftung Habitat sind 64 Wohnungen unterschiedlichster Größe und Typologie entstanden. Der Bestand wird dabei geschickt umgenutzt und in Szene gesetzt. 2013 hatte die Stiftung einen großen Teil des Industriequartiers Lysbüchel in Basel mit dem Ziel erworben, dort bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. 12 der 15 Parzellen gab sie an Baugruppen und Genossenschaften weiter, drei entwickelte sie selbst – darunter das ehemalige Weinlagerhaus der Einzelhandelsgenossenschaft Coop.
Mächtige Pilzstützen tragen in den unteren Geschossen die Decken. Vorzugsweise stehen sie mitten in den Fluren und Wohnräumen. © Paola Corsini
Ein Haus mit wechselhafter Vorgeschichte
Der mächtige Gebäuderiegel steht an der Schnittstelle zwischen historischer Blockrandbebauung im Süden und den Industriebauten weiter nördlich. Er entstand in den 1950er-Jahren zunächst als Stahlbetonskelettbau mit drei ober- und zwei unterirdischen Geschossen für Fasslager, Abfüllanlagen und Büroflächen. Mächtige Pilzstützen in den unteren Wohnetagen zeugen noch heute von dieser Vorgeschichte.
Zwei neue Kopfbauten gegen Erdbeben
Spätere An – und Aufbauten der 1970er-Jahre ließen die Architekten größtenteils zurückbauen. Bis 1973 hatte das Weinlager drei oberirdische Geschosse, die beiden aufgestockten Geschosse aus dem Jahr 1973 waren nicht umnutzbar und mussten zurückgebaut werden. Auf die drei oberirdischen Geschosse aus dem Bestand von 1955 folgen nun drei neue Wohngeschosse sowie ein sechstes Obergeschoss mit Gemeinschaftsraum, Waschküchen und Dachterrasse. Das verbleibende, biegeweiche Betonskelett stabilisierten die Architekten mit zwei massiven Kopfbauten gegen Erdbeben. Dazwischen flankieren nun auf beiden Seiten grüne Stahlskelette mit Balkonen die Wohnungen. Um Platz für sie zu schaffen, ließen die Architekten die Geschossdecken an den Längsseiten zurückschneiden. Dadurch entfielen auch die 1,20 m hohen Massivbrüstungen, die zuvor hier den Weg versperrten.
An das Deck eines Ausflugsdampfers erinnert die Dachterrasse im obersten Geschoss. Das Dach darüber dient nicht nur als Witterungsschutz, sondern vor allem als Auflager für Photovoltaikmodule. © Jakob Schoof
Enorme Wohnungsvielfalt
64 Wohneinheiten in allen erdenklichen Größen – von 1,5 bis 7,5 Zimmern – stehen im Haus nun Mietern zur Verfügung, dazu reichlich Gemeinschaftsräume. Es gibt Etagen mit Mittelflurerschließung und solche mit Dreispännern, außen liegenden Laubengängen oder Maisonettewohnungen. In die Erdgeschosse der Kopfbauten sind ein Café und ein Fitnesscenter eingezogen. In den Kellergeschossen hält das Haus 175 Fahrradstellplätze, eine Tiefgarage für 50 Autos sowie sieben Proberäume für Bands aus der ganzen Stadt bereit.
Im Erdgeschoss der Kopfbauten sind zwei Gewerbeeinheiten entstanden. © Paola Corsini
Die dazwischen liegenden Wohnungen erhielten Balkone auf beiden Seiten. © Jakob Schoof
Begrenzte Wohnflächen
Nach Angaben von Esch Sintzel Architekten war der Umbau nicht teurer als ein gleich großer Neubau. Um Kosten und Ressourcen zu sparen, begrenzte die Stiftung Habitat die Energiebezugsfläche im Haus – einschließlich Treppenhäusern, Fluren und Gemeinschaftsräumen – auf 45 m² pro Person.
Die Maisonettewohnungen im 4. Obergeschoss zeigen deutlich das 3-m-Raster, auf dem das Gebäude basiert. Grundrisskonfiguration und Erschließungsstruktur sind in jedem Geschoss anders. Grafik © Esch Sintzel Architekten
Die Stütze als Mitbewohner
Die Wohnungsgrundrisse basieren auf einem 3-m-Raster, wobei die Stützen konsequent in der Raummitte platziert sind. Das gilt auch für jene, die neu hinzugekommen sind: An den Längsfassaden kompensieren tragende, geschälte Baumstämme den Wegfall der tragenden Brüstungen. An den Zimmereingängen knicken die Innenwände teils um 45° ab, sodass diagonale Durchblicke entstehen und die teils nur 2,80 m schmalen, aber 17 m tiefen Räume etwas geräumiger wirken.
Die Wohnungen im 5. Obergeschoss haben eine Gemeinschaftsterrasse auf der Südseite. Auch hier ist das Vordach mit Photovoltaikmodulen bestückt. © Jakob Schoof
Mehr als 60 % Selbstversorgung
Heizwärme liefert eine Grundwasser-Wärmepumpe, und im Sommer kann die Fußbodenheizung mit dem Grundwasser auch als Fußbodenkühlung betrieben werden. Praktisch alle Dachflächen sind mit Photovoltaikanlagen belegt. Sie liefern einschließlich des Haushaltsstroms über 60 % der Energie, die im Haus benötigt wird – eine Seltenheit für ein Wohngebäude dieser Größe und Kompaktheit.
Mehr dazu in Detail 5.2024 und in unserer Datenbank Detail Inspiration.
Architektur: Esch Sintzel Architekten
Bauherr: Stiftung Habitat
Standort: Weinlagerstrasse 11, 4056 Basel (CH)
Tragwerksplanung: Aerni + Aerni Ingenieure, Aegerter & Bosshardt
Baumanagement & -leitung: Proplaning
Landschaftsarchitektur: Stauffer Roesch