Toi Toi Toi: Ein Neues Haus für das Münchner Volkstheater
Foto: Roland Halbe
38 Jahre lang war eine umgebaute Turnhalle in der Brienner Straße die Heimat des Münchner Volkstheaters. Seine Werkstätten verteilten sich auf vier Gebäude, das Bühnenmaterial war in 27 Containern vor der Stadt untergebracht. Jeden Morgen, wenn die Kulissen für die Aufführung am Abend auf zwei 40-Tonnern angeliefert wurden, musste für zwei Stunden eine Spur der Augustenstraße gesperrt werden. Gravierende bauliche Mängel und ein Mietvertrag, der nicht mehr verlängert wurde, waren weitere Gründe, dem städtischen Theater ein neues Haus zu bauen.
Nach einem europaweiten Vergabeverfahren mit integriertem Architektenwettbewerb wurden Lederer Ragnarsdóttir Oei zusammen mit der Baufirma Georg Reisch als Generalübernehmer mit dem schlüsselfertigen Bau des Theaters beauftragt. Pünktlich nach Zeitplan zu den Theaterferien waren nach knapp drei Jahren die Bauarbeiten abgeschlossen; dabei wurde auch der Kostenrahmen exakt eingehalten.
Auf dem Gelände des ehemaligen Viehhofs im Schlachthofviertel ziehen jetzt die Theaterschaffenden um Intendant Christian Stückl in ihr neues Haus. Auf drei Spielstätten – der Hauptbühne, einer Studiobühne und einer Probenbühne – steht ihnen modernste Technik zur Verfügung: Eine Bestuhlung, die in ein Schubladensystem verstaut werden kann. Ein Aufzug der die Bühnenbilder in ein unterirdisches Lager fährt. Fahrbare Beleuchterbrücken, auch im Zuschauerraum (dort wo sonst der Kronleuchter hängt). Absenkbare Podien, die bei Bedarf zu weiteren Stuhlreihen, einer Verlängerung der Bühne oder einem Orchestergraben umgebaut werden können, um nur einige Beispiele zu nennen. Direkt an die Bühnen angegliedert sind eine hohe Montagehalle und großzügige Werkstätten mit Tageslicht.
Das mächtige Volumen von 160 000 m3 sieht man dem Baukörper nicht an. Unterschiedliche Fassadenstrukturen in den vertikal gestaffelten Bauteilen lösen es optisch auf: In eine semi-transparente Membranfassade gehüllt, ragt der 27 Meter hohe Bühnenturm über der gefalteten Gitterkonstruktion aus feinen Metallstäben empor, hinter der sich die gebäudetechnischen Anlagen befinden. Der Sockel aus rotem Sichtziegelmauerwerk nimmt das typische Material des Schlachthofviertels auf.
Ein markanter, weit gespannter Torbogen verbindet den denkmalgeschützten Altbau mit dem Neubau und öffnet sich zu einem langgestreckten Innenhof. Die geschwungene Wand des Foyers ragt in die Freifläche und gliedert den Hof in zwei Bereiche. Im hinteren Teil laden Bänke und Tische zum Verweilen ein. Vom vorderen Teil aus betreten die Gäste das Foyer. Wenn sie das Haus das erste Mal besuchen, werden sie von den kräftigen Farben im Inneren überrascht: Ein helles Azurblau im Eingangsbereich, Sonnengelb und Schwarz an der gegenüberliegenden Wand, wo sich die Garderoben befinden und Altrosa am östlichen und westlichen Ende des Foyers. In einem tiefdunklen Ultramarinblau spannen über allem die Decken und erinnern mit ihren strahlenden Deckenspots an den nächtlichen Himmel. Die Freude, mit der das Gebäude entstanden sein muss, ist ohne Zweifel sichtbar.
Am 15. Oktober öffnen sich die Türen in der Tumblinger Straße zur Spielzeiteröffnung im neuen Haus. Toi Toi Toi!