Vision und Realität
The Line: Futuristisches Stadtkonzept in Saudi-Arabien
Ein Blick in die Ausstellung „Zero Gravity Urbanism - Principles for a New Livability”. Iwan Baan © NEOM
Seit über zwei Jahren kursiert das Megaprojekt Neom in den Medien. Im Fokus steht die gläserne Wüstenstadt The Line. Sie ist das Herzstück des Laboratoriums in Saudi-Arabien. Im Rahmen der Architekturbiennale in Venedig hat das Kuratorenteam nun einen tieferen Einblick in die Konzeption des sogenannten Zero Gravity Urbanism gegeben.
Im Innenhof der historischen Abbazia di San Gregorio erstreckt sich ein Modell der Linienstadt. Iwan Baan © NEOM
Futuristische Forschung
Wachsende Städte, Klimawandel und Naturschutz: Neom sieht sich als Forschungsplattform und als eine Gemeinschaft von Problemlösern, die sich diesen Herausforderungen stellen will. Prestigeträchtige Architekturbüros, wie Morphosis, BIG oder CHAP entwickeln dabei neue Ansätze für die Stadtplanung der Zukunft. Auf dem 26 500 km² großen Gebiet am roten Meer sollen eine Hafenstadt, ein Skiresort, eine Luxusinsel und die Bandstadt The Line entstehen.
Eine Linie in der Wüste
Die Ausstellung Zero Gravity Urbanism – Principles for a New Livability eröffnete erstmals auch dem europäischen Publikum einen Blick hinter die Designstrategien des Projekts in der Wüste. Im Innenhof der historischen Abbazia di San Gregorio wurde die Idee der 170 km langen, 500 m hohen und 200 m breiten Linearstadt in einem massiven Modell veranschaulicht. Die Stadt soll auf die vielfältige Wüstentopografie reagieren und vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
Die Ausstellung zeigt detaillierte Ausschnitte der vernetzten, schwebenden Ebenen. Iwan Baan © NEOM
Schwereloses Gefüge
Von gewöhnlichen Städten unterscheidet sich The Line besonders durch seine lineare, mehrdimensionale Modulstruktur. Der Stadtraum breitet sich auf zahlreich miteinander vernetzten Ebenen aus, die es den Bewohnern ermöglichen sollen, alle Alltagsbereiche in nur fünf Gehminuten zu erreichen. Durch die Konzeption soll eine möglichst dichte Stadt mit Mischnutzungen entstehen, die auf gleicher Bevölkerungszahl nur 2 % der Grundfläche einer gängigen Stadt benötigt und so den übrigen Naturraum schützt.
Körpergroße Modelle und bunte Grafiken stehen im Fokus der Ausstellung. Iwan Baan © NEOM
Bunte Modulvielfalt
Die Ausstellung präsentierte ein Spektrum an farbenfroh gestalteten Modulen der mitwirkenden Architekturbüros, die von hängenden Gärten über schwebende Terrassen reichte. Die unterschiedlichen Ideen wurden anhand von körpergroßen Modellen, Grafiken und Video-Interviews veranschaulicht. Das Pre-Concept Design einer durchscheinenden Glasfassade und die vorgegebenen Mobilitätslinien sind in allen Entwürfen zu erkennen.
Die „Hidden Marina“ wird durch ein raumhohes Durchgangsmodell präsentiert. Iwan Baan © NEOM
Vision oder Realität?
Was für viele nach Science-Fiction klingt, soll schon bald Realität werden. Neom beabsichtigt, bereits 2030 den ersten Teil der Linearstadt – die sogenannte Hidden Marina – fertigzustellen. Das von Morphosis entwickelte Modul ist ein 2,4 km langer Stadtabschnitt, der durch einen Kanal an das Rote Meer angebunden werden soll. Die zentrale Idee – das Hafentor – wurde als raumhohes Durchgangsmodell in der Ausstellung gezeigt. Wie es mit der Bandstadt weitergeht und welche Module an die maritime Bucht angeschlossen werden, steht laut Tarek Qaddumi, dem Executive Director der Stadtplanung von Neom und Kurator in Venedig, noch offen. Der Fokus der Ausstellung lag vor allem auf der Präsentation einer Vision.
Die Ausstellung wurde mit Diskussionspanels mitwirkender Stararchitekten begleitet. Iwan Baan © NEOM
Stadt der Zukunft
The Line bildet einen starken Kontrast zu unserem derzeitigen Stadtmodell. Es ist ein neuer Ansatz, der die Vorstellung, wie Städte gebaut werden müssen, radikal überdenkt. Gleichzeitig bietet Neom eine Möglichkeit, Technologien und Konzepte zu erforschen, die teilweise in anderen Städten übernommen werden könnten. Vor allem aber werfen die Architekten und Planerinnen eine Frage in den Raum: Können wir den Herausforderungen der heutigen Zeit begegnen, wenn wir uns an die Regeln halten?
Projekt: NEOM: The Line
Ausstellung: „Zero Gravity Urbanism – Principles for a New Livability” im Rahmen der 18. Architekturbiennale 2023 (geschlossen)
Ausstellungsort: Abbazia di San Gregorio, Venedig (IT)
Mitwirkende: Adjaye Associates, Bjarke Ingels Group (BIG), Coop Himmelb(l)au, Delugan Meissl Associated Architects (DMAA), Fuksas, Laboratory for Visionary Architecture (LAVA), Luca Dini Design & Architecture, Morphosis, Oyler Wu Collaborative, Pei Cobb Freed & Partners, Sir Peter Cook & CHAP (Cook Haffner Architecture Platform), UNStudio