Plug-In-City für die Kultur
Taipei Performing Arts Centre von OMA und Kris Yao | Artech
© Chris Stowers
Taipeis neues Zentrum für darstellende Künste verbindet drei sehr unterschiedliche, teils miteinander kombinierbare Theatersäle zu einem flexibel nutzbaren Ganzen. Damit schufen OMA und ihr taiwanesisches Partnerbüro Kris Yao | Artech nicht zuletzt eine Antithese zu den Theaterbauten, die sonst landauf, landab entstehen.
© Shephotoerd Co. Photography
Über diese schreiben sie: „Zeitgenössische Aufführungstheater werden zunehmend standardisiert: eine Kombination aus zwei unterschiedlich großen Sälen und einer Blackbox [...] Kann ein öffentliches Theater noch inklusiv sein, indem es das Klassische und das Zufällige, das Anspruchsvolle und die Massen, das Künstlerische und das Soziale beherbergt - ein Ort für das kreative Leben aller?“
Die Antwort gibt der rund 180 Millionen Euro teure Neubau am östlichen Rand der Innenstadt von Taipei: ein transluzenter Kubus, an den die metallverkleideten Volumina der drei Säle angedockt sind. Schon 2009 hatte OMA den Wettbewerb für das Theaterzentrum gewonnen, der Bau zog sich danach von 2012 bis 2021 hin.
© Chris Stowers
Neben dem Grand Theatre mit 1500 Plätzen gibt es im Haus eine 800 Personen fassende Blue (statt Black) Box sowie das einzigartige Globe Playhouse, das mit seiner zweischaligen Kugelhülle gewissermaßen das formale Alleinstellungsmerkmal des Neubaus darstellt. Grand Theatre und Blue Box liegen einander vis-a-vis gegenüber und lassen sich zu einem riesenhaften durchgehenden Saal mit Zentralbühne und beidseitig ansteigenden Zuschauerrängen zusammenschalten.
© Shephotoerd Co. Photography
© Shephotoerd Co. Photography
Der so entstehende, langgestreckte Hallenraum dürfte sicher eine Herausforderung an die Inszenierungskunst künftiger Regisseurgenerationen darstellen. Der zentrale Kubus enthält die Bühnentechnik für die Säle, alle Nebenräume sowie die Erschließungsbereiche.
Auch Besuchern ohne Eintrittskarte werden künftig Einblicke in die Aufführungen möglich sein: Ein „Public Loop“ duchläuft alle Ebenen des Neubaus vom Eingangsbereich bis zur Aussichtsterrasse auf dem Dach. Entlang des Wegs stellen große Fensteröffnungen nicht nur Blickverbindungen in die drei Säle, sondern auch in die Backstage- und Technikbereiche her.
© Chris Stowers
© Shephotoerd Co. Photography, courtesy of OMA
Im Detail sind an dem Neubau zahlreiche Versatzstücke älterer OMA-Bauten wiederzuerkennen - etwa die gewellte Glashülle der Casa da Musica in Porto, die orangerot leuchtenden Rolltreppen des Ruhr-Museums in Essen sowie die industrielle Materialpalette aus Gitterrosten und Lochblechen, die viele Projekte des Büros ziert. Statisch war der Neubau ebenfalls eine Herausforderung, vor allem da Taipei in einem Erdbebengebiet liegt. Über entsprechende Fundamentauflager ist das Gebäude komplett vom Untergrund entkoppelt, sodass der Materialbedarf für die Tragstruktur nach Angaben der Ingenieure von Arup um 60 Prozent reduziert werden konnte.
Virtual Tour: Taipei Performing Arts Centre
Weitere Projekte von OMA sowie ausführliche Konstruktionsdetails der Gebäude finden Sie in der OMA-Monographie bei Edition Detail.
Architektur: OMA, Kris Yao | Artech
Bauherr: Stadtverwaltung Taipei
Standort: No. 1號, Jiantan Rd, Shilin District, Taipei City, Taiwan 111 (TW)
Landschaftsarchitektur: CNHW
TGA-Planung: Arup, Heng Kai, IS Leng and Associates Engineers
Brandschutz: Taiwan Fire Safety Consulting
Lichtplanung: Chroma 33
Theaterplanung: Ducks Scéno
Akustik: Royal Haskoning DHV
Baukosten: Ca. 180 Mio. €
Bruttogrundfläche: 58 600 m²
Galerie
Diese Artikel könnten Sie auch interessieren
-
Schauspiel für die ganze Stadt
Nouvelle Comédie de Genève von Fres Architectes
Mit mehr als 100 m Glasfassade öffnet sich das neue Genfer Schauspielhaus von Fres Architectes zur Stadt. Eine perfekte Voraussetzung also für die Lichtinszenierung, mit der der Neubau sein Äußeres zwischen Tag und Nacht vollkommen verändert.
-
Bühnenzauber im Holzzelt
Domaine de Bayssan von K Architectures Sigwalt Herman
Der Theaterkomplex bei Béziers in Südwestfrankreich bildet die Bauformen traditioneller Zirkuszelte mit dauerhaften Holzkonstruktionen nach. Selbst an das benachbarte Freilufttheater aus Beton applizierten die Architekten formale Versatzstücke aus der Zeltarchitektur.
-
Partnerschaftliche Entwicklungshilfe
ETH Zürich: Kunstschule in Barranquilla, Kolumbien
Auf Initiative der ETH Zürich und der Universidad del Norte de Barranquilla wurde in der kolumbianischen Hafenstadt Barranquilla in einer ehemaligen Tabakfabrik eine international renommierte Schule für Kunst und Kunsthandwerk geschaffen.