16.12.2009

Suburban, energieeffizient und von Bill Dunster

Schon 2002 realisierte Bill Dunster mit dem Wohnkomplex BedZED in Beddington bei London ein Pilotprojekt für nachhaltiges Wohnen, das bis heute in Großbritannien unerreicht blieb. Nun haben er und sein Büro ZEDfactory ein neues Bausystem für suburbane Einfamilienhäuser vorgestellt: RuralZED soll auch bei Bebauungsdichten um die 50 Wohneinheiten pro Hektar CO2-neutrales Wohnen ermöglichen.
Nachdem das Konzept RuralZED im vergangenen Jahr erstmals öffentlich vorgestellt wurde, entstehen derzeit in Upton bei Northhampton die ersten Reihenhäuser dieses Typs. ZED steht für „zero energy development“ – wobei die vollständige Autonomie von fossilen Energieträgern mit RuralZED auch Schritt für Schritt erreichbar ist. Denn RuralZED verknüpft niedrige Energieverbräuche mit einem ausgesprochen marktkonformen Ansatz: Zum einen wurden die Gebäude für eine Bebauungsdichte von 50 Wohneinheiten je Hektar konzipiert, die in Großbritannien in rund 70 Prozent aller Wohngebiete üblich ist. Zweitens können potenzielle Bauherrn auch nach und nach auf den Nullenergie-Standard aufrüsten. Damit entspricht RuralZED genau der Vorgehensweise des in Großbritannien gültigen Code for Sustainable Homes: Er definiert für Wohnbauten eine Skala von sechs „Levels“, wobei Level 6 der strengste ist und – neben Standards für Baumaterialien, Wasserverbrauch und andere Kriterien - einen CO2-neutralen Gebäudebetrieb einfordert. Level 3 soll ab 2010, Level 6 voraussichtlich ab 2016 für alle neuen Wohngebäude verpflichtend werden.

RuralZED wird in Varianten für alle Stufen von 3 bis 6 angeboten – mit Option zum späteren Upgrade. Das Gebäude versteht sich als Bausatzhaus, mit einem Gebäudekern in Leimholz-Rahmenbauweise, an und auf den unterschiedliche Dachformen, Fassadenverkleidungen, gebäudetechnische Installationen und ein südseitiger Wintergarten appliziert werden können. Anders als bei vielen herkömmlichen Fertighäusern soll RuralZED so exakt an Lage und Sonneneinstrahlung angepasst werden. Es gibt Varianten für freistehende, Doppel- oder Reihenhäuser sowie für West/Ost- und Nord-Südausrichtung. Sogar eine Variante auf Stelzen für überschwemmungsgefährdete Gebiete ist verfügbar.

In der Grundvariante besitzt RuralZED ein – wahlweise begrüntes - Flachdach. Daneben sind zwei Satteldachformen erhältlich: eine symmetrische für die Bildung harmonisch proportionierter Gebäudeensembles (vor allem bei giebelständigen Häuserzeilen) und eine asymmetrische mit vergrößerter Südseite zur optimalen Sonnenenergienutzung. Als Dacheindeckungen werden hier Ziegel, Stehfalzbleche oder ebenfalls ein Gründach angeboten. Bei Gebäuden mit Nord-Süd-Ausrichtung kann auf der Südseite ein zweigeschossiger Wintergarten angefügt werden. Alle An- und Aufbauten sind unbeheizt: Die Dämm- und Dichtungsebene liegt bei allen Bauweisen in den Hüllflächen des zentralen Gebäudekerns.

Holzfenster, Kalkputz ohne Anstrich, holzverkleidete Fassaden und die optionalen Gründächer tragen dazu bei, dass RuralZED auch hinsichtlich der Baumaterialien die Anforderungen von „Level 6“ erfüllt.

Um die thermische Speicherfähigkeit der Häuser zu erhöhen, wird der tragende Holzrahmen (Holzquerschnitte 200x300 Millimeter, Spannweiten bis 4,80 Metern) vorzugsweise mit massiven Füllmaterialien versehen: Betonfertigteile oder Terrakotta-Elemente mit gewölbter Deckenuntersicht für die Geschossdecken, Betonfliesen oder großformatige Betonpaneele für den Erdgeschossfußboden. Auch die Wände werden mit 50 Millimeter starken Betonfertigteilen verfüllt und mit 300 Millimeter Mineralfaser gedämmt.
Ab Level 4-Standard erhält RuralZED ein passives Entlüftungssystem mit in den Wänden montierten Entlüftungsrohren. Sie leiten die Luft zu einer zentralen Ablufteinheit mit Wärmetauscher und charakteristischer „Windmütze“ auf dem Dach. Diese richtet sich in Richtung des Windes aus und entfaltet so eine Sogwirkung, die die Entlüftung unterstützt. Auf diese Weise entfallen elektrische Ventilatoren, die pro Jahr immerhin rund 500 Kilowattstunden Strom verbraucht hätten.

Die Heizwärme für das Haus stellt ein Holzpellet-Heizkessel zur Verfügung, dessen Verbrauch sich laut Architekten „deutlich im Rahmen der in Großbritannien pro Einwohner verfügbaren Biomasse“ bewegt. Er wird durch Vakuumröhren-Solarkollektoren auf dem Dach unterstützt, so dass er im Sommer fast „auf Null“ heruntergefahren werden kann. Auf eine Wärmepumpe verzichteten die Architekten – sie verbraucht ihrer Ansicht nach zu viel wertvollen elektrischen Strom, der besser anderweitig im Haus eingesetzt werden kann. Denn ein RuralZED-Haus nach „Level 6“ des Code for Sustainable Homes benötigt immerhin 21 Photovoltaik-Paneele zur Deckung seines kompletten Strombedarfs.

Anspruchsvoll, aber machbar, ist sogar der Bau von Plus-Energiehäusern vom Typ RuralZED. Hierzu wird auf das Dach eine Windturbine montiert – die Tragstruktur des Gebäudes ist so ausgelegt, dass sie die entsprechenden Lasten aufnehmen kann. Jedoch hängt die Wirtschaftlichkeit einer solchen Option von den jeweiligen Windverhältnissen vor Ort ab.

Die reinen Baukosten der RuralZED-Häuser sind vom Ausstattungsstandard abhängig. Für ein Level-6-Haus muss laut Architekten mit rund 1850 britischen Pfund (rund 2050 Euro) je Quadratmeter Bruttogeschossflächen gerechnet werden. Erschließungs- und Grundstückskosten sind hierbei nicht eingerechnet.


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