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Spezialisierung als Strategie für Architekten?
Viele Architekten missverstehen Spezialisierungen als Gegensatz zum generalistischen Anspruch der Disziplin Architektur – in Wirklichkeit schärfen sie das Profil eines Büros und verbreitern seine Kompetenz.
Wenn ich mit den Teilnehmern meiner Marketingseminare über das Profil von Architekturbüros diskutiere, taucht die Frage immer wieder auf: Soll ich mich spezialisieren? Und falls ja, wie kann ich meine Kompetenz zum schlagkräftigen Alleinstellungsmerkmal ausbauen?
Spezialisierung steht scheinbar im Widerspruch zum generalistischen Selbstverständnis des Architekten – was auch daran liegt, dass sie oft verkürzt verstanden wird als die Konzentration auf bestimmte Bauaufgaben. Auch die große Zahl kleiner Büros, die sich – oft notgedrungen – eine fachliche Nische als Bausachverständige oder Energieberater gesucht haben, repräsentieren nicht unbedingt die Potentiale systematischer Profilierung.
Viele verbinden mit dem Begriff „Spezialisierung“ die Befürchtung, in einer marginalisierten Nischenexistenz zu enden. Solche Bedenken werden dem breiten Spektrum denkbarer Expertise-Strategien allerdings nicht gerecht, denn Spezialisierung kann auf den unterschiedlichsten Ebenen stattfinden: In Hinblick auf die Art der Auftrageber, Leistungsschwerpunkte, und nicht zuletzt bezüglich der Prozessqualität von Projekten.
Viele Architekten missverstehen Spezialisierungen als Gegensatz zum generalistischen Anspruch der Disziplin Architektur – in Wirklichkeit schärfen sie das Profil eines Büros und verbreitern seine Kompetenz.
Ein Beispiel für eine innovative Prozesskultur sind die Planungsworkshops, die das Wiener Büro nonconform unter dem Motto „Architektur vor Ort“ mit Experten und Bürgern von Gemeinden durchführt. Der herkömmliche Ablauf mit seiner Ideenfindung, der Bürgerbeteiligung und Planauslegung wird hier durch kurze, aber intensive Brainstorming-Workshops dynamisiert.
Spezialisierung erweitert Kompetenzen
Bietet also die Spezialisierung eine besondere Chance für kleine Büros, sich am umkämpften Markt um Bauaufträge zu behaupten? Die Antwort lautet „Ja“ – vorausgesetzt, die Spezialisierung führt zu einem Zugewinn an Professionalität und fachlicher Vernetzung, auch über die Grenzen der Disziplin hinaus.
Wie so etwas aussehen kann, zeigt das Beispiel der Berliner Architekten Tom Kaden und Tom Klingbeil: Ihr bis dato vierköpfiges Büro rief jüngst ein beachtliches Medienecho hervor, nachdem es den Architekten gelungen war, das europaweit erste siebengeschossige Wohnhaus in reiner Holzbauweise zu errichten. Auftraggeber war eine Gruppe aus sieben Bauherren, zu denen die Architekten selbst gehörten.
Als es daran ging, die Planung zu verwirklichen, aktivierten die Architekten und ihre Mit-Bauherren eine breite Klaviatur externer Spezialisten, Entscheider und Institutionen: Man vereinbarte eine Marketing-Kooperation mit der Lobby-Organisation Informationsdienst Holz und den beteiligten Holzbaufirmen, engagierte einen PR-Profi und eine Grafikerin, verhandelte mit Banken, stellte Förderanträge bei Stiftungen und suchte aktiv nach Unterstützern auf der politischen Ebene. Von hoher Professionalität zeugte zudem, dass die beiden Architekten ihre Bauherren stets uneingeschränkt als Partner auf Augenhöhe behandelten. Diese honorierten es durch hohen persönlichen Einsatz für das Projekt.
Das „erste Wohnhaus ganz aus Holz“ erreichte maximale öffentliche Aufmerksamkeit. Teil des Erfolgrezeptes war, dass die Architekten Kaden und Klingbeil die zu bewältigenden Aufgaben souverän in drei Gruppen unterschieden: Erstens Dinge, die man selbst erledigen kann. Zweitens Dinge, für die das Büro externe Experten konsultieren muß. Drittens Aufgaben, die einer der Mitbauherren oder ein anderer Projektpartner leisten kann.
Daneben sind Kaden und Klingbeil auch im ganz konventionellen Sinn spezialisiert – und zwar auf den Baustoff Holz. Spezialisiert auf ein Material, dabei aber generalistisch und netzwerkorientiert in der Haltung – diese Herangehensweise macht deutlich, dass Spezialisierung im Idealfall das genaue Gegenteil von Einengung bedeutet.
Ganz ähnlich ist es bei den ebenfalls in Berlin tätigen Architekten Thomas Duncan und Noel McCauley . Sie haben sich auf Ausstellungsarchitekturen spezialisiert – was bedeutet, dass Ihre Arbeit etwa für das Berliner Centrum Judaicum oder die Brandenburgische Stiftung Schlösser und Gärten herkömmliche Baumaßnahmen ebenso umfasst wie die Konzeption, die räumliche Dramaturgie von Ausstellungen und deren Leitsystem. Ihr jüngstes Werk ist ein Ziegeleimuseum, das die historischen Ziegelbrennöfen zugleich zum Lern- und Erlebnisraum macht. Neben den Exponaten wählen Duncan und McCauley auch die geeigneten Medien der Themenvermittlung. Akustischen Tonspuren, Beamer-Projektionen und sogar kurze Spielfilme produzieren sie selbst, wobei sie auf einen Pool professioneller Partner zurückgreifen können, vom Toningenieur bis zum Schauspieler. Die Spezialisierung auf Ausstellungen und anderen inszenierten Räumen verbindet sich hier mit einem generalistischen Ansatz („alles aus einer Hand“), flankiert von ausgeprägter Interdisziplinarität.
Eine fast schon klassische Spezialisierung von Architekten sind Baudenkmale sowie das Bauen im Bestand – eine Tradition, die bis zu Schinkel zurückreicht. Die Bandbreite reicht von reiner Bauforschungs- und Gutachtertätigkeiten bis zu eigenen Planungen. Einer der Pioniere in diesem Fach ist das Berliner Büro von Winfried Brenne. Auf das Gebiet Denkmalgebäude haben sich europaweit gerade kleine Büros erfolgreich als Spezialisten etabliert. Obwohl in der Aufgabe spezialisiert, bleiben sie in der Arbeitsweise Generalisten.
Mit solchen Kompetenzen erwirbt man sich Reputation bei Kollegen wie Bauherren, doch räumen viele thematisch spezialisierte Architekten ein, dass sie nicht traurig wären, von Zeit zu Zeit „auch mal einen größeren Neubau“ zu verwirklichen, wie Tom Duncan meint. Die von sorgfältiger Kleinarbeit geprägte Arbeit an Ausstellungsbauten, Denkmälern oder Umbauten ist so zeitintensiv, dass selbst fair bemessene Honorare schnell zur Neige gehen.
Spezialisierung im Team: Kooperationen
In den letzten Jahren ist es für kleine Büros schwieriger geworden, sich gegenüber Großbüros mit ihren 50 und mehr Mitarbeitern durchzusetzen – bei beschränkten Wettbewerben ebenso wie in der direkten Auftragsvergabe. Im Zweifelsfall entscheiden sich Auftraggeber eher für eine der großen Architekturfirmen, die für viele Leistungsfähigkeit und umfassende Erfahrung verkörpern.
In dieser Situation spricht viel für Zweckbündnisse mehrerer Büros, die sich als Arbeitsgemeinschaft um Aufträge bewerben. Der Arbeitsgemeinschaft ena (european network Architects) mit Sitz in Baden-Baden gehören zwar vorwiegend größere Büros an, dennoch ist das Beispiel gut auf kleinere Einheiten übertragbar. Sechs Architektur- und acht Ingenieurbüros aus Baden-Württemberg, in Profil und Leistungsbild eher komplementär, treten unter dem Namen ena gemeinsam auf, unter ihnen die Büros Wilford Schupp sowie Knapp und Partner. Im Fokus der Akquisitionsbemühungen stehen Russland und andere postsowjetische Staaten. Neben den Planern beteiligen sich auch eine Reihe namhafter Bauproduktanbieter an der Kooperation; ohne diese Vernetzung hätten sowohl die einzelnen Büros als auch die Unternehmen kaum die Chance, erfolgreich in den russischen Markt einzusteigen.
Bevor man sich an die gemeinsame Akquisition wagt, kann man die Kooperation beispielsweise mit einer gemeinsamen PR-Aktion erproben – das kann eine Themenseite „Modernes Bauen“ in der Regionalzeitung sein oder ähnliches.
Themen besetzten
Wahrgenommen werden und Profil zeigen: Spezialkompetenzen und Arbeitsschwerpunkte stehen im engen Wechselverhältnis zur Außendarstellung eines Architekturbüros. Als „Alleinstellungsmerkmale“ erleichtern sie die gezielte Bauherrenwerbung und die Abgrenzung von Kollegen. Zwar sollten die besonderen Kompetenzen, die sich ein Büro auf die Fahne schreibt, nicht bloß behauptet sein. Andererseits wird man jemanden, der sich etwa als Experten für seniorengerechtes Bauen profiliert nicht daran hindern, auch ganz andere Dinge zu bauen. Damit sollte klar sein: Niemand verliert Bauherren, nur weil er in seiner Selbstdarstellung Spezialgebiete benennen kann. Vielmehr kommt es darauf an, Themen zu besetzen, mit denen ein Büro in einem größer werdenden Radius von Öffentlichkeit und Fachöffentlichkeit identifiziert wird.
Spezialisierung fängt schon innerhalb des Architekturbüros an, und hier wird sie für mich zum Synonym für „Professionalität“: Professionell ist es, wenn im Architekturbüro jede Aufgabe von dem erledigt wird, der sie am besten beherrscht. Das kann ein Architekt sein, letztlich sind Büroinhaber aber gut beraten, sich für alle Aufgaben, die außerhalb Ihrer Kernkompetenz liegen, mit Leuten vom Fach zu vernetzen oder deren Kompetenz ins Büro zu holen – beispielsweise Stadtplaner, Designer, Grafiker, PR-Dienstleister oder Betriebswirte. Der Ehrgeiz, all diese Disziplinen selbst abdecken zu wollen, missversteht die Potentiale der generalistischen Idee.