15.08.2012

Schwebende Stahlstruktur – Theaterüberdachung in Mexiko City

Von dieser räumlichen Konstellation ließen sich Ensamble Studio unmittelbar inspirieren. Auch der Entwurf für das „Teatro Cervantes“ bezieht seine Spannung aus einem elementaren Gegensatz: eine horizontal ausgerichtete Stahlstruktur bildet, fragil in die Höhe gehoben, eine Art „schwebendes“ Dach und damit ein markantes Zeichen im städtischen Gefüge. Von außen komplett unsichtbar bleiben dagegen die eigentlichen Theaterräumlichkeiten, die sich über verschiedene Ebenen vertikal in die Erde graben.

Modellstudien

Horizontale und Vertikale: Unter einem schützenden Dach gelangt der Theaterbesucher in einen spannungsvoll gestalteten Vertikalraum mit Erschließungselementen und Foyers.

Zeitgenössische Kultur resultiert für die Architekten von Ensamble Studio aus der Fähigkeit Kontakt zu halten zu gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungsprozessen. Insofern begreifen sie die starke Präsenz und fortwährende Bedeutung indigener Spuren in der mexikanischen Alltagsskultur als wichtige Inspirationsquelle. Der berühmte Zócalo-Platz in Mexiko City gilt als Zentrum und Spiegel des mexikanischen Lebens. Hier befanden sich einst monumentale Bauten der Azteken, so auch der Templo Mayor. In dessen unmittelbarer Umgebung entdeckten Archäologen vor einigen Jahren bei Grabungen bereits zum dritten Mal nach 1790 und 1978 einen flachen und rechteckigen Monolithen. Geschützt, in einer tiefen Grube neben dem zwölf Tonnen schweren Stein, fanden Forscher nach und nach eine Reihe exotischer Opfergaben, verteilt auf verschiedene Ebenen, die tieftste lag sieben Meter unter Straßenniveau.

Mexikanische Alltagskultur als wichtige Inspirationsquelle, Foto: Ensamble Studio, Madrid

Von Peter Popp und Olga López Sans Zeugnisse indigener Kultur als Inspirationsquelle für eine räumlich spannungsvolle Komposition: Die frei ausbalancierte Überdachung für das "Teatro Cervantes" spielt mit den Gesetzen der Schwerkraft und bildet einen spektakulären Auftakt für eine Sequenz aus vertikal in die Tiefe gegrabenen Räumen und Ebenen mit dem Bühnenraum als Endpunkt.
Architekten: Ensamble Studio, Madrid
Standort: Plaza Carso, Polanco, Miguel Hidalgo, 11510 Distrito Federal, Mexiko City

Foto: Ensamble Studio, Madrid

Konzipiert als kleine „Stadt in der Stadt“ hebt sich die Plaza Carso von ihrer Umgebung ab: Hohe, prägnante Gebäude und eine große Grünfläche markieren den Platz als städtebauliches Zentrum im gehobenen Stadtteil Polanco. Im Rahmen eines Masterplans zur Aufwertung des ehemaligen Industrieareals entsteht hier bis Ende 2012 ein gemischt genutztes Ensemble aus Bürogebäuden, Hotels, Wohnungsbauten, einem Einkaufszentrum, zwei Museen und dem Cervantes-Theater.

Kleine »Stadt in der Stadt«: die Plaza Carso.

Die »schwebende« Stahlstruktur des »Teatro Cervantes« trotzt den voluminösen Büro- und Wohngebäuden im Hintergrund. Foto: Ensamble Studio, Madrid

Ebenfalls im Hintergrund zu sehen: das 2011 eröffnete Kunstmuseum »Museo Soumaya« Foto: Ensamble Studio, Madrid

Orchestrierte Abwärtsbewegung: Über insgesamt drei Foyerebenen schraubt sich der Besucher langsam in die Tiefe. Grafik: Ensamble Studio, Madrid

Lediglich vier plastisch unterschiedlich geformte Stützen fangen die horizontale Dachstruktur über starr verschweißte Verbindungen ab. Dabei entwickeln sie ein figurativ anmutendes Eigenleben, das von V-förmig gespreizt über rinnenförmig gefaltet und extrem ausladend bis senkrecht geschlitzt und mit Stegen verstärkt reicht. In ihrer räumlich asymmetrischen Verteilung sorgen sie für ein frei ausbalanciertes Gleichgewicht, das in spannungsvollem Gegensatz zur strengen Orthogonalität der darüber liegenden Trägerebene steht.

Vier unterschiedlich ausgebildete Stützen halten das Dach in einem fragilen Gleichgewicht. Fotos: Ensamble Studio, Madrid

Geschützter Kulturraum: Die eigenwillige Dachstruktur setzt ein deutliches Zeichen in einem kommerziell geprägten Umfeld.

Die rasterförmige, komplett vorgefertigte Dachstruktur besteht aus raumhohen, doppelwandigen Flachstahlträgern, deren rechtwinklig angeordnete Längs- und Querträger sich über eine geschlitzte Steckverbindung wechselseitig stabilisieren. Bevor die einzelnen Teile endgültig montiert wurden, gab es in der 100 km von der Baustelle entfernten Werkstatt mehrere Testläufe, in denen das mechanische und räumliche Verhalten der Konstruktion geprüft wurde.

Simulation des Montageprozesses 1: Überprüfung am Modell

Gefiltertes Licht dringt in den vertikalen Foyerraum. Rendering: Ensamble Studio, Madrid

Monolithischer Negativraum: Die Fertigstellung des Theaters ist für Ende 2012 geplant. Rendering: Ensamble Studio, Madrid

Der Montageprozess wurde zunächst am Modell simuliert. Anschließend setzte man die Stahlträger testweise zusammen. Dies bot auch die Möglichkeit, das Design zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Erst auf der Baustelle an der Plaza Carso setzte man die geschlitzten Flachstahlträger schließlich mittels einer metallischen Hilfsstruktur eine zweites Mal final zusammen. Diese Vorgehensweise garantierte, dass der eigentliche Montageprozess effizient, sicher und zeitsparend abgewickelt werden konnte.

Die einzelnen Träger und Stützen........

.....wurden in der Werkstatt verschweißt.......

.....komplett vorgefertigt......

.....und testweise zusammengesetzt. Fotos: Ensamble Studio, Madrid

Simulation des Montageprozesses 2: Überprüfung der »echten« Bauteile

Montageprozess an der Plaza Carso: Auf einer metallischen Hilfsstruktur weden die geschlitzten Flachstahlträger final zusammengesetzt.

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