27.05.2021

Schönheit und Emotion: Matteo Thun über die Vergangenheit und Zukunft der Architektur

Foto: Nacho Alegre

Matteo Thun ist für seine sorgfältigen Entwürfe bekannt, die er in allen Maßstäben umsetzt, vom Industriedesign bis zum Hotel oder zum Klinik-Neubau. Der Südtiroler Architekt war Mitgründer der legendären Memphis-Gruppe und blickt für DETAIL auf die Ära des „Bel Design“ in Italien.

Was glauben Sie haben uns die 60er-Jahre in der Architektur und im Design hinterlassen? 
In den 60er-Jahren gab es viel Optimismus und Tatendrang, von diesen fantastischen Visionen zehren wir heute noch. Architektonisches Denken wurde damals in großem und kleinem Maßstab umgesetzt. In Italien hat dieser kleine Maßstab zur Ära des „Bel Design“ geführt. Das ist nicht exakt das, was wir heute oft mit dem Begriff verbinden. Schönheit wurde damals aus einem sehr guten, emotionalen Verständnis von Funktion abgeleitet. Nicht „form follows function“, sondern die emotional geprägte Funktion stand im Vordergrund. Es gab Genies wie den Ettore Sottsass oder den Achille Castiglioni, die Funktion und Sinnlichkeit in ihren Entwürfen wunderbar ausgewogen haben. Und es gab „Architektendesigner“ wie zum Beispiel Angelo Mangiarotti. Er war ein reiner Formalist und hat mir einmal wörtlich gesagt: „Schade, du hast einen Fehler. Du muss dich von diesem Sottsass befreien.“

Wo werden wir in 60 Jahren stehen?
Ich würde mir wünschen, dass sich die Lehrinhalte an den Hochschulen radikal verändern. Ich selbst habe lange an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien unterrichtet. Wer mich allerdings heute fragt, was er studieren soll, dem antworte ich: Bitte nicht studieren, sondern zu einem guten Lehrmeister gehen! Die Bottega dell Arte in der italienischen Kunst – Cimabue und Giotto –, das sind meine großen Idole für die Ausbildung. Als Vierjähriger ist Giotto in die Werkstatt zu Cimabue gekommen. Und als seine Mutter ihn vier Jahre später besucht hat, meinte Cimabue, dass ihr Sohn nun alles könne. Das ist unglaublich! Wir arbeiten heute auf vielen Feldern hands on, letztlich sind wir Autodidakten und brauchen deshalb Lehrmeister, die uns helfen. Für mich persönlich war Ettore Sottsass ein solcher Lehrmeister. Er hat mir breigebracht, die einfachen Dinge anzugehen. Das ist recht schwierig und beginnt damit, wie man einen Bleistift benutzt. 

Was verbinden Sie mit Detail?
Handfeste Informationen, und ich hoffe, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Keine heiße Luft, stattdessen stichfestes Knowhow für uns Architekten.

Matteo Thun studierte Architektur in Florenz und gründete er zusammen mit Ettore Sottsass und anderen Mailänder Designern das Büro Sottsass Associati und die Memphis Gruppe. 1984 gründete er sein eigenes Studio in Mailand und 2001 Matteo Thun & Partners in Mailand. Das Unternehmen, unter der Leitung von Matteo Thun und Antonio Rodriguez, agiert auf internationaler Ebene und entwickelt Projekte in den Bereichen Hospitality und Healthcare, Residential und Office-Design, Retail und Produkt-Design. Für seine Architekturprojekte und Entwürfe im Bereich Produktdesign wurde der Südtiroler Designer mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet.

In DETAIL 6/2021 finden Sie ein ausführliches Porträt von Matteo Thun.

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