16.09.2015 Jakob Schoof

Schlafen in der Shoppingmeile: Shabbyshabby Apartments in München

Foto: Jakob Schoof

Ist das nun Kunst? Architektur? Oder doch eher ein improvisiertes, in den Stadtraum ausgreifendes Schauspiel? Mit ihrer Gemeinschaftsinitiative „shabbyshabby apartments“ setzen sich die Münchener Kammerspiele und die Architektenkooperative raumlaborberlin über alle Gattungsgrenzen hinweg. Eines ist ihnen damit schon jetzt gelungen: ein pointierter und humorvoller Beitrag zur oft so resigniert bis verzweifelt geführten Debatte um die Münchener Wohnungssituation.  Das „Setting“ der Veranstaltung, die noch bis zum 13. Oktober 2015 läuft, ist schnell erklärt: Im Frühjahr hatten die Kooperationspartner Architekten, Designer, Künstler und interessierte Laien aus aller Welt aufgefordert, Entwürfe für temporäre Wohnstätten im Münchener Stadtraum zu liefern. Die besten 24 wurden von einer internationalen Jury ausgewählt und Anfang September im Rahmen eines einwöchigen „Workcamps“ von den Entwerfern errichtet. Nun können sie von Münchenern und abenteuerlustigen Touristen für je eine Nacht angemietet werden. Kostenpunkt: 35 Euro für zwei Personen, inklusive Frühstück. Während der einmonatigen Veranstaltung finden überdies immer wieder Führungen sowie Diskussionsrunden mit Architekten, Stadtplanern und Künstlern zu Themen wie spontanem Städtebau, Selbstbau-Initiativen und urbanem Wohnen statt.

Foto: Jakob Schoof

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Prada trifft Altkleidersammlung Die Standorte der Wohn-Installationen erstrecken sich von der Münchener Innenstadt bis in den Stadtteil Giesing, der einst als Arbeiterviertel galt, inzwischen aber auch bereits erste Spuren der Gentrifizierung zeigt. Der Kontrast zwischen den „schäbigen“ Apartments und dem teuren Pflaster Münchens könnte kaum reizvoller sein. Vor der Residenz hat das Münchener „Institut für Kunst und Forschung” eine Erdhütte von den Ausmaßen errichtet, wie sie vor rund 150 Jahren tatsächlich noch von Landarbeitern im Umland der Stadt bewohnt wurde. Vor den Gucci-und Prada-Boutiquen an der Nobel-Einkaufsmeile Maximilianstraße reihen sich eine Art Jurte aus Altkleidern und eine roh gezimmerte Hütte mit Außenküche auf. Andere Übernachtungsstätten sind in Unterführungen, auf Brücken, in Grünanlagen und Skateparks entstanden. Ein Entwurfsteam hat sein Apartment in einen der Torbögen des Isartors integriert, ein anderes aus einem leeren Schüttgutsilo ein Turmhaus à la Rapunzel gestaltet. Auf der Praterinsel in der Isar ließ ein schottisches Designteam die „Yellow Submarine“ aus alten Badewannen und Waschmaschinenfenstern an Land gehen. Die Arbeit mit gefundenen und gespendeten Materialien war für alle Entwürfe zentral, da der Veranstalter den Teams nur ein Minimalbudget sowie das nötige Werkzeug zur Verfügung stellte. Und, noch wichtiger die notwendigen Genehmigungen seitens der Stadt einholte. Das sei deswegen relativ reibungslos vonstatten gegangen, so Kammerspiele-Intendant Matthias Lilienthal, weil die meisten Apartments genehmigungsrechtlich als Zelte behandelt worden wären. Einige muten freilich eher wie Spielgeräte an: Auf einer Landzunge inmitten der Isar beispielsweise hat ein Belgrader Entwurfsteam einen allseitig offenen Pavillon aus einem Trampolin und Gartenschläuchen errichtet. Das Ganze lässt sich zwar mit einem roten Vorhang verschließen. Dennoch bleibt offen, ob und wie hier überhaupt übernachtet werden kann. Einfallsreichtum hilft – auch gegen die Wohnungsnot? Obwohl sie erst vor wenigen Monaten entworfen wurden, illustrieren die „shabbyshabby apartments“ doch, welchen Bedeutungswandel Kunst und Architektur im Laufe der Zeit erfahren können. Ursprünglich war die Aktion als Beitrag zur Münchner Wohnungsdiskussion geplant gewesen. Nun jedoch, da die da die Stadt zum Knotenpunkt europäischer Flüchtlingsströme geworden ist, erhält sie unversehens eine neue Lesart. Landauf, landab sind Kommunalpolitiker und Planer gefordert, immer wieder aufs Neue zu improvisieren, um den nach Deutschland strömenden Menschen aus Krisenregionen eine Unterkunft zu schaffen. Natürlich wird dies nicht so spontan und unter Missachtung (fast) aller baulicher Mindeststandards möglich sein wie bei den „shabbyshabby apartments“.  Und natürlich möchte niemand im Ernst Flüchtlinge in einem Bretterverschlag oder Zelt aus Altkleidern unterbringen. Doch immerhin geht von der Münchener Aktion die Botschaft aus, dass der entstehenden Wohnungsnot - unter Flüchtlingen und anderen - nicht mit ideenloser Massenware begegnet werden sollte, sondern mit Einfallsreichtum. Dass für dauerhaftes Wohnen dennoch andere Standards gelten müssen als für die Kleinst-Apartments auf Zeit, illustriert ein tragischer Vorfall aus der Nacht zum Dienstag: Die „Yellow Submarine“, die auch in den Fotos zu diesem Beitrag gezeigt ist, brannte komplett ab. Glücklicherweise war sie in dieser Nacht nicht bewohnt. Die Veranstalter gehen von mutwilliger Brandstiftung aus; die Behörden ermitteln.
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