Sakrale Raumexperimente: Vatikanische Kapellen in Venedig
Eduardo Souto de Moura, Foto: Alessandra Chemollo
Mit einer eindrucksvollen Bauausstellung im Kleinen feiert der Vatikan Premiere bei der Architekturbiennale in Venedig. Der Kurator Francsesco dal Co hat zehn Architekten aus aller Welt eingeladen, ihre eigene Reinterpretation von Gunnar Asplunds 1920 erbauter Kapelle auf dem Waldfriedhof in Stockholm zu realisieren. Schauplatz ist der Park der Klosterinsel San Giorgio Maggiore, der seit den 50er-Jahren im Besitz der Kulturstiftung Fondazione Cini ist.
Abgesehen von wenigen wiederkehrenden Elementen wie Altar, Kreuz und Sitzbänken hatten die Architekten bei der Gestaltung der Kapellen alle Freiheiten – und entsprechend unterschiedlich fallen ihre Entwürfe aus. Die beiden Extrempositionen besetzen dabei der Japaner Terunobu Fujimori und die Brasilianerin Carla Juaçaba. Fujimoris Satteldachhaus mit geflammter Holzverschalung und Narthex aus grob behauenen Kiefernstämmen weist relativ direkte Bezüge zu Asplund auf. Das hölzerne Altarkreuz ist bei ihm integraler Bestandteil der Tragstruktur.
Bei Juaçaba hingegen bilden lediglich zwei riesige Edelstahlkreuze – eines stehend, eines liegend und als Sitzbank gedacht – die Kapelle. Schwer, introvertiert und äußerlich unscheinbar wirkt Eduardo Souto de Mouras Gebetsraum Dach aus massiven Veroneser Kalksteinplatten. Leichtigkeit und Offenheit strahlt dagegen Norman Fosters Bau mit Stahlstützen und »Takelage« aus hölzernem Lattenwerk aus. Der Chilene Smiljan Radic hat anthrazitfarbene Betonfertigteile und ein Dach aus einer rahmenlosen Glasplatte zu einem lichterfüllten Rundbau kombiniert. Die Betonwände erhielten ihre eigenwillige Oberflächenstruktur durch Blisterfolie, die in die Betonschalung eingelegt wurde.
Den eigenwilligsten und vielleicht zeitgemäßesten Entwurf hat Sean Godsell aus Australien mit einem Stahlturm beigesteuert, dessen vier Seiten sich im unteren Bereich wie Schwingtore hochklappen lassen. Die Kapelle ist für häufige Ortswechsel konzipiert – ganz wie sie für die Jesuiten seit jeher an der Tagesordnung sind, bei denen Godsell selbst als Kind zur Schule ging.