Baumaterialien der Zukunft
Reset Materials – Towards Sustainable Architecture in Kopenhagen
Blick in die Ausstellung Reset Materials – Towards Sustainable Architecture, © Hampus Berndtson
Für die Ausstellung ResetMaterials in der Kunsthalle Copenhagen Contemporary haben Künstler und Architektinnen Natur- und Recyclingbaustoffe für die Architektur neu interpretiert.
Rückbaubares Trockenmauerwerk aus Hochlochziegeln, © Jakob Schoof
Beton, Ziegel und reichlich Verbundmaterialien – auch in Dänemark dominiert der tradierte Materialkanon der letzten 50 Jahre nach wie vor die Architektur. Doch immer mehr Bauschaffende fragen sich, wie lange das so weitergehen kann. Die Diskussion über die Baumaterialien und Baumethoden der Zukunft prägte folgerichtig auch den diesjährigen UIA-Weltkongress Anfang Juli in Kopenhagen und sein Rahmenprogramm.
Einen Diskussionsbeitrag liefert Copenhagen Contemporary – eigenen Angaben zufolge die größte Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst des Landes – mit ihrer ersten Architekturausstellung Reset Materials. Gut 50 Teams aus Architektinnen, Künstlern und Handwerkerinnen hatte sich vor einem Jahr auf einen „Call for Projects“ hin gemeldet, zehn davon wählten die Architektin und Kuratorin Chrissie Muhr und ihr Team schließlich für die Teilnahme aus.
Die Teams haben sich Gedanken zu der Formgebung und Einbindung der Materialien in künftige Baukonstruktionen gemacht. © Jakob Schoof
Baumaterialien neu interpretiert
Präsentiert wird das Ganze in einem umgenutzten Industriebau auf der Insel Refshaleøen, einem ehemaligen Werftgelände unweit der Müllverbrennungsanlage CopenHill von BIG. Passend zu dem rauen Umfeld präsentiert sich Reset Materials als Mix aus Edelbaustelle und Showroom für die Baumaterialien von morgen. Darunter sind auch alte Bekannte, die auf ungewohnte Weise präsentiert werden. Sei es als rückbaubares Trockenmauerwerk aus Hochlochziegeln, bei denen Hanfgewebe die sonst üblichen Mörtelfugen ersetzt. Oder als enorm schlanke, von Spanndrähten stabilisierte Trennwandkonstruktion aus Stampflehm. „Zurück zur Natur“ signalisieren die überraschend tragfähigen Bögen aus Schilfrohr, die ein Team der Royal Danish Academy im Ausstellungssaal errichtet hat.
© Jakob Schoof
© Jakob Schoof
Biozement & Pilzmyzel
Andere Beiträge experimentieren mit neuartigen Materialien wie Pilzmyzel, das sich vorzüglich als Akustikverkleidung für Innenräume verwenden lässt, oder Biozement. Dabei handelt es sich um einen Beton-Ersatzstoff, der mithilfe von Bakterien aushärtet. Entwickelt wurde er von einem US-amerikanischen Unternehmen. Das erste europäische Werk soll in den nächsten Jahren in Dänemark errichtet werden.
Die Ausstellung zeigt etablierte und neuartige Baumaterialien. © Hampus Berndtson
Neuartige Ziegelglasuren
Ein weiterer Schwerpunkt von Reset Materials liegt auf Abfallstoffen, die noch auf ihre Entdeckung für die Architektur harren. Zum Beispiel Silizium: Rund die Hälfte des Rohstoffs, der in hoch reiner Form für die Chipherstellung genutzt wird, landet im Abfall und wird auch nicht recycelt. Eines der Teams hat das Material, vermischt mit Ton, zu Mauerziegeln gebrannt und aus Silizium Ziegelglasuren hergestellt. Auch Recyclingkunststoffen begegnet man bei Copenhagen Contemporary – in diesem Fall hergestellt aus entsorgten OP-Materialien eines Kopenhagener Großkrankenhauses. Die Anwendung der langen Plastikbahnen im Bauwesen bleibt in diesem Fall der Imagination der Ausstellungsbesucher überlassen.
© Jakob Schoof
© Jakob Schoof
Dass die Beiträge nur das „rohe“ Material präsentieren, ist jedoch eher die Ausnahme. Die meisten Teams haben sich auch Gedanken zu dessen Formgebung und Einbindung in künftige Baukonstruktionen gemacht. Insofern hat ihre interdisziplinäre Zusammensetzung der Ausstellung gutgetan.
Ausstellung: Reset Materials – Towards Sustainable Architecture
Ausstellungsort: Copenhagen Contemporary, Refshalevej 173A, 1432 København (DK)
Ausstellungsdauer: Bis 28. September 2023
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 11-18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr
Weitere Informationen: copenhagencontemporary.org
KØBENHAVN. Urbane Architektur und öffentliche Räume
25 Projekte, zahlreiche Zeichnungen und Fotos
Herausgeberin: Sandra Hofmeister
Edition Detail, München
Erscheinungsdatum: Juni, 2021