Reihe »Zukunft des Bauens« in Hamburg: Ressourceneffiziente Materialien und Systeme
Wencke Haferkorn (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR) stellte heraus, dass 50 % der in Deutschland verbrauchten Ressourcen von der Baubranche beansprucht werden. Vor diesem Hintergrund gewinnen ein materialsparender Bauprozess, die Langlebigkeit von Materialien sowie klimaschonendes Bauen und Wohnen massiv an Bedeutung. In ihrem Vortrag gab die Referentin einen kurzen Überblick über neun vom BBSR geförderte Projekte, die sich diese Ziele gesetzt haben. Neue Technologien allein, so stellte Wencke Haferkorn heraus, reichen jedoch nicht. Vielmehr müssen reale Anwendungen in der Praxis folgen, wie sie beispielhaft mit Projekten wie den robotergefertigten BUGA Pavillons in Heilbronn oder der Photobioreaktor-Fassade anlässlich der IBA in Hamburg zeigte.
Für Jun.-Prof. Hanaa Dahy (Leiterin der Abteilung Biomaterialien und Stoffkreisläufe in der Architektur, am ITKE der Universität Stuttgart) sind Forschung und Lehre eng miteinander verknüpft. Sie widmet sich in ihren zahlreichen Projekten, die sie mit ihren Studierenden realisiert, schwerpunktmäßig den jährlich nachwachsenden Rohstoffen als Materialbasis. So wird beispielsweise Stroh, das bei der Ernte von Getreide weltweit und in fast unerschöpflichen Mengen zur Verfügung steht, wichtige Basis von Biocompositives und zu einer HDF-Faserplatte gepresst. Diese Faserplatten könnten in absehbarer Zeit zum Beispiel Faserplatten aus langsam wachsenden Hölzern ablösen.
Parametrisch optimierte Fassaden, die auch als Energiequelle dienen, waren der Schwerpunkt im Vortrag von Prof. Frank Hülsmeier (Architektur-Institut Leipzig AIL der HTWK Leipzig). Seine Fassaden entstehen aus mehrfach gefalteten Metallverbundplatten, in die geschickt PV-Elemente integriert sind. Durch parametrische Berechnung der idealen Lage und Ausrichtung der PV in der Fassade entstehen optimierte Hüllflächen, die einen bestmöglichen Stromertrag bieten können. Frank Hülsmeier will mit seinem »SOLARshell«, wie das Produktkonzept heißt, Architekten dazu animieren, ästhetische Fassaden und Energiegewinnung mit Photovoltaik zu realisieren. SOLARshell ist erfolgreich: ein erstes Projekt ist aktuell in der Umsetzung.
Bereits in der Ausführungsplanung und Prototypenproduktion ist die 3D-gedruckte temporäre Fassade für den Haupteingang des Deutschen Museums in München. Architekt Moritz Mungenast (Wissenschaftlicher Mitarbeiter der TU München und Gründungspartner bei 3F Studio, München) stellte den interessierten Gästen das größte, bisher im additiven 3D-Druck geplante Bauwerk vor. Die gedruckten Fassadenplatten sind ca. 1m2 groß. Jeweils sechs davon ergeben ein Fassadenelement. Die Fassadenplatten werden mithilfe von Computational Design Methoden vorberechnet und anschließend im 3D-Großformatdrucker ausgedruckt. Dank des adaptiven Faltungsmusters, das die Eigenverschattung erhöht, wird der Energieeintrag durch die Fassade verringert.
Prof. Markus Holzbach (Professur Visualisierung und Materialisierung, Institut für Materialdesign, Kunsthochschule HfG Offenbach) animierte mit seinem Abschlussvortrag die anwesenden Gäste, ein bekanntes Material und dessen altbekannten Funktionalitäten nicht einfach als gegeben hinzunehmen. Sein Standpunkt: der Mensch gestaltet Materialien für seine Zwecke, seitdem er Werkzeuge nutzt. Dabei entstehen immer wieder neue, ungeahnte Optionen, wie er beispielsweise mit seinen »sintered textiles« zeigte.
Die Hamburger Veranstaltung endete nach fünf inspirierenden Vorträgen mit einem Aperó, den die Gäste zum Dialog miteinander und den Referenten nutzten. Moderiert wurde der erfolgreiche Diskurs in die Zukunft des Bauens vom Fachjournalisten Tim Westphal.
Die nächste und letzte Veranstaltung der fünfteiligen Reihe unter dem Titel »Kostengünstiger Wohnungsbau – Konzepte für Mensch und Architektur« findet am 24. Oktober 2019 in Frankfurt am Main statt.