13.11.2012 popp@detail.de

Raumbildende Geometrien: Platzgestaltung in Innsbruck

Platzgestaltung in Innsbruck von LAAC Architekten

Besonders robuster B7-Beton wurde eingesetzt, um einen über die Jahre zur Restfläche verkommenen Platz in eine schwungvolle Kunstlandschaft zu verwandeln. Es entstand ein aufregendes Konzept aus raumbildenden Bewegungsflächen für ein funktionierendes Miteinander verschiedener Nutzer- und Altersgruppen. Die Dominanz historischer Symbolik wurde abgemildert ohne sie zu kaschieren. Verschiedene Zeitebenen bleiben gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Für die präzise Gestaltung des Stadtraumes erhielten die Architekten eine Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen 2012.

Architekten: LAAC Architekten, Innsbruck; Stiefel Kramer Architecture, Wien
Standort: Eduard - Wallnöfer - Platz, A-6020 Innsbruck

Foto: Günter Richard Wett

Bis vor Kurzem war der zwischen Bahnhof und Altstadt gelegene, fast ganz von einer Tiefgarage unterhöhlte Landhausplatz kaum mehr als eine 9000 m² große Restfläche, der trotz der zahlreichen dort »abgestellten« Denkmäler kaum Beachtung geschenkt wurde. Nach Realisierung des 2008 siegreich aus einem Architektenwettbewerb hervor­gegangenen Entwurfs zeigt er sich heute dezidiert urban: als begehbare Bodenplastik mit fließend aus der Platzfläche heraustretenden Geometrien in hellem Beton.

Foto: Günter Richard Wett

Von oben mag die schwungvolle künstliche Landschaft im rechtwinklig geprägten Stadtgefüge vielleicht etwas fremdartig und flach wirken. Aus der Fußgängerperspektive wird allerdings schnell klar, dass die Geometrien raumbildend sind und zudem mehrere Aufgaben erfüllen. So lassen sie geborgene oder exponierte Bereiche entstehen, schaffen klar zugeordnete Freischankflächen für zwei Lokale, integrieren Tiefgaragenzufahrt und -aufgänge und bieten nicht zuletzt an­regende Bewegungsflächen für Drei-, Lauf- oder Fahrrad fahrende Kinder und skatende Jugendliche. Das gut funktionierende Mit­einander der Nutzer- und Altersgruppen ­regeln hier nicht Verbote, sondern ein gemeinsam von Jugendgruppen und der ­Tiroler Landesregierung ausgearbeiteter »Verhaltenskodex«.

Foto: Günter Richard Wett

Die gesamte Topografie des Platzes besteht aus vor Ort hergestellten Betonplatten aus besonders robustem B7-Beton. Die konkaven und konvexen Geometrien formten die Betonbauer  zunächst aus einer Glasschaumschotterschicht bzw. rund um die Bäume aus einer Substratschüttung, die sie mit einer 15-20 cm dicken Schicht des zähflüssigen und schnell abbindenden Betons überzogen. Geneigte Betonoberflächen wurden anschließend rau gefräst, die oberen Ebenen poliert.

Eduard - Wallnöfer - Platz nach dem Abtragen der

ursprünglichen Oberfläche

Um Gewicht zu sparen wurde Glasschaumschotter- bzw. Substratschüttung verwendet

Substratschüttung rund um die Baumscheiben vor der Betonierung

Bodenaufbau: in vier Stadien

Fotos: LAAC Architekten

Was in der Aufsicht wie eine frei komponierte, spannungsreiche Modellierung der Platzoberfläche aussieht ist in der Realität das Ergebnis präziser Analysen und Antworten auf bauliche Gegebenheiten, sowohl im Untergrund als auch in Bezug auf das Erbe historischer Elemente. Tiefgaragenzufahrten und -aufgänge, sowie kleinere und größere Denkmäler mussten integriert werden. Eine zentrale Stellung nimmt das nach dem zweiten Weltkrieg errichtete Befreiungsdenkmal ein. Die französischen Besatzer widmeten das Denkmal den Opfern für die Freiheit Österreichs ohne die ortsansässigen Parteigänger des Faschismus zu erwähnen. Diese Form tendenziöser Geschichtsschreibung weiß die neue Platzgestaltung „basisdemokratisch“ einzuordnen, indem sie aus dem Denkmal ein gleichberechtigtes Element neben vielen macht. Bei Nacht ist der Platz nur schwach beleuchtet, das Befreiungsdenkmal bleibt im Dunkeln. Es hat seine Dominanz verloren. Auch die Platzränder bleiben unkonturiert. Die Wege und die Stadtbewohner selbst werden zum wichtigsten Platzelement.

Foto: Günter Richard Wett

Ungewöhnliche Optik: Bei Nacht bleiben die Platzränder unkonturiert. Foto: Günter Richard Wett

Eine ausführliche Dokumentation zum Projekt lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe DETAIL 2012/11
Zuvor wurden mehrere Versuche durchgeführt, um zu testen, wie sich der Platz von der Verschmutzung verschiedener Lebensmittel reinigen lässt. Zugleich wurde die farbliche Zusammensetzung des Zements und der schwarzen, weißen und gelben Granitsplitter untersucht.

Foto: LAAC Architekten

Grundriss, Grafik: LAAC Architekten
1. Tiefgaragenzufahrt, 2. Tiefgaragenaufgang, 3. Denkmal, 4. Boden-Wasserspiel, 5. Wasserbecken,
6. Eingang »Landhaus« (Sitz der Tiroler Landesregierung)

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