16.03.2011

Prädiktive Betriebsverfahren (PräBV)

Verbesserung von Energieeffizienz und Komfort im Gebäudebetrieb

von Prof. Elmar Bollin und Thomas Feldmann, Hochschule Offenburg Durch die Nutzung von Wetterprognosen lässt sich der Betrieb moderner Bürogebäude hinsichtlich Energiebedarf und Komfort verbessern. Ziel des im Folgenden beschriebenen Forschungsprojekts der Hochschule Offenburg ist es, mathematische Optimierungsverfahren für die Nutzung in der Gebäudeautomation zu entwickeln. Die Entwicklung einer vom Internet unabhängigen Versorgung mit Wetterprognosen über einen Langwellensender ist ebenfalls Gegenstand des Forschungsprojekts. Angesichts der Notwendigkeit zur Reduktion der CO2-Emissionen und der Entwicklung der Energiepreise kommt dem Gebäudebereich eine wichtige Rolle zu. Das enorme Energieeinsparpotenzial wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Gebäudebereich einen Anteil von rund 40 % am gesamten Endenergieverbrauch in Deutschland hat. Auf dem Gebiet der technischen Gebäudeausrüstung sind in den letzten Jahren viele neue Möglichkeiten der Energieversorgung und -verteilung entwickelt worden. Typische Beispiele sind Technologien zur Nutzung von Geothermie für die Gewinnung von Wärme und Kälte oder neue Systeme zur Energieverteilung, wie zum Beispiel thermisch aktive Bauteilsysteme (TABS), bei denen Gebäudeteile großer Masse wie zum Beispiel Geschossdecken durch innenliegende Wasserleitungen gekühlt oder beheizt werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass erhebliches Einsparpotenzial nicht genutzt werden kann, da die Methoden und Algorithmen der Automatisierungstechnik nicht mit den komplexen Versorgungssystemen moderner Gebäude Schritt halten konnten.

Betonieren einer Geschossdecke mit Rohrleitungen (rot) für die Bauteilaktivierung

Photo: Mecanoo architecten

Photo: Mecanoo architecten

Fazit

Eine umfangreiche Studie zum Entwicklungsstand prädiktiver Verfahren in der Gebäudeautomation ist durchgeführt worden. Die Regressionsmodelle und die Neuro-Fuzzy-Systeme sind in der Entwicklung. Sie werden in der Programmierumgebung Matlab/Simulink programmiert und können direkt in die TRNSYS-Gebäudesimulation eingebunden werden. Für den Empfang der Wetterprognosen sind unterschiedliche Empfangsmodule entwickelt und umfangreiche Untersuchungen zu geeigneten Antennen- und Filter-Konfigurationen vorgenommen worden. Gemeinsam mit Meteorologen wurden mehrere Korrektur-Algorithmen zur standortbezogenen Optimierung untersucht. Mit der Implementierung auf einer geeigneten Mikrocontroller-Plattform ist begonnen worden. Anmerkungen: [1] Elmar Bollin, Thomas Feldmann: "Prädiktive Gebäudeautomation"; Proceedings des Facility Management Kongresses vom 9.-11.3.2010 in Frankfurt bzw. Fachartikel "Mit dem Wetter sparen" in Facility Manager April 2010 [2] W. Schellong, F. Hentges: Forecast of the Heat Demand of a District Heating System. Proceedings of the conference "European Power and Energy Systems". ACTA Press 2007 Fotos: Hochschule Offenburg Projektpartner: - Hochschule Köln, Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Schellong
- HKW-Elektronik GmbH, 99846 Seebach
- S. von Keitz Gebäudeautomation, 06773 Gräfenhainichen Dieses Forschungsvorhaben wird von der Initiative Zukunft Bau des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) gefördert.

Foto: Sebastian van Damme

Foto: Sebastian van Damme

Photo: Sebastian van Damme

Photo: Sebastian van Damme

Integration neuer Verfahren in die Gebäudeautomation

An der Hochschule Offenburg sind von der Forschungsgruppe Nachhaltige Energietechnik neue Verfahren zur Optimierung des Betriebsverhaltens von größeren Nichtwohngebäuden entwickelt worden [1]. Die Integration von Expertensystemen in die Gebäudeautomation ermöglicht durch die Auswertung von Wetterprognosen und den Einsatz von dynamischer Gebäudesimulation einen vorausschauenden, optimierten Anlagenbetrieb. Erste Anwendungen konnten zur Marktreife entwickelt werden und sind in die Gebäudeautomation bestehender Gebäude dauerhaft integriert worden. Ziel dieses Vorhabens ist es, weitere mögliche Anwendungsbereiche zu identifizieren und zu beschreiben. Darauf aufbauend sind neue prädiktive Algorithmen und mathematische Optimierungsverfahren für die Gebäudeautomation zu entwickeln um den Gebäudebetrieb durch Nutzung von Prognosen für die Wetterentwicklung und die Gebäudenutzung im Sinne der Energieeffizienz, der Nachhaltigkeit und des Komforts zu optimieren.

Optimierungsverfahren

Ein Problem, das in Gebäuden häufig auftritt, ist die fehlende Optimierung der Regler bei der Inbetriebnahme oder bei Nutzungsänderungen. Der Aufwand durch den Einsatz teurer Fachkräfte und zum Teil aufwendiger Langzeitmessungen erscheint zu hoch. Meist ist sich der Gebäudebetreiber dieses Mangels jedoch nicht bewusst, das Gebäude funktioniert zufriedenstellend und der Mehrbedarf an Energie wird entweder nicht erkannt oder in Kauf genommen. Eine deutliche Verbesserung könnte hier mit lernfähigen, sich selbst optimierenden Algorithmen erzielt werden. Zwei unterschiedliche Ansätze werden im Rahmen dieses Vorhabens verfolgt. Optimierungsverfahren auf der Basis nichtlinearer Regressionsmodelle und regelbasierte Fuzzy-Systeme in Verbindung mit künstlichen neuronalen Netzen werden an Simulationsmodellen entwickelt und getestet [2].

Einbettung von Wetter-Prognose-Daten

Wetterprognosen werden bisher entweder als Ftp-Download oder per Webservice an die Gebäudeautomation übertragen. Der in beiden Fällen notwendige Anschluss an das Internet ist aber in sicherheitskritischen Bereichen häufig nicht erwünscht oder nicht möglich. Daher wird im Rahmen des Forschungsvorhabens ein neues Empfangsverfahren entwickelt. Grundlage hierfür ist die schon existierende Möglichkeit, Wetter-Prognose-Daten eingebettet in das Übertragungs-Protokoll des Zeitzeichensenders DCF77 zu versenden. Diese Daten werden in Anwendungen der Konsumgüterindustrie verwendet, zum Beispiel in Heim-Wetterstationen oder Funkweckern mit integrierter Wetterprognose. Für das neue Verfahren wird ein Sendernetz mit höherer Übertragungsrate genutzt, um mehr Informationen übertragen zu können. Die Empfangstechnik kann wie in Funkuhr-Empfängern preiswert und kompakt aufgebaut werden. Wetterprognosen aus Wettermodellen haben immer eine endliche Auflösung. Mit sehr guten Wettermodellen erhält man Auflösungen von etwa 10 km. Innerhalb einer Stadt kann die Temperatur allerdings je nach Standort um 5 Grad variieren. Dies erfordert eine Anpassung der Modellprognose an die tatsächlich am Gebäudestandort gemessenen Werte. Das Empfangsmodul wird daher mithilfe von lokal gemessenen Klimadaten die empfangenen Prognosen für den Gebäudestandort optimieren.

Zeitzeichensender DCF77 in Mainflingen

Foto: Sebastian van Damme

Foto: Sebastian van Damme

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