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Niklas Heiss – ZEICHNUNG UND ENTWURF
August 2018, © Niklas Heiss
Denken und Zeichnen sind zwei voneinander getrennte Vorgänge. Einen Einfall festzuhalten erfordert ein hohes Maß an Geduld und Konzentration. Die Idee auf das Blatt zu übertragen ist ein spannender Akt. Hand, Auge und Bewusstsein müssen zusammenfinden (1), um das Gedachte zu skizzieren. Das Blatt wird zur Projektionsebene der eigenen Vorstellung. (2) Ich skizziere jeden Tag, untersuche Fragen zu laufenden Projekten und versuche, diese über den Weg der Zeichnung zu beantworten. Der Stift muss mit Entschiedenheit bedient werden, um die oft sehr kurzlebigen Gedankengänge klar darzustellen. Das Papier – ohne Rasterung oder Blattteilung – darf möglichst wenig Entscheidungsfreiraum beanspruchen. Sehr willkürlich platziere ich eine erste Skizze, wesentlich ist der Inhalt des Gedankens. Die Skizze veranschaulicht den Umfang der Vorstellung: Die zugrundeliegenden Bausteine werden gelistet, ihr Fügungsprinzip wird abstrahiert dargestellt; die Dimension und Maßstäblichkeit der Idee werden konkret. Diese Skizze wiederhole und aktualisiere ich, bis eine möglichst genaue Beschreibung des Gedachten gelingt. Dabei ziehe ich verschiedene Zeichenwerkzeuge heran, um den Gestaltungsprozess auszudehnen und einen inhaltlich vielschichtigen Entwurf zu skizzieren: Einen ersten Entwurf mit roter oder blauer Mineralfarbe verfeinere ich mit Graphit- oder Rötelstift. Füllfeder und Radierung erlauben es mir, Teile der Zeichnung zu fixieren oder zu überarbeiten. Möchte ich die Zeichnung neu konstruieren, kaschiere ich eine Lage Transparentpapier darüber. Am Ende des Zeichenprozesses haben sich mehrere Arbeitsschritte überlagert und bleiben in ihrer zeitlichen Abfolge lesbar, Fortschritte oder Rückschritte im Gedankenverlauf können reproduziert werden. (3)
Meistens arbeite ich an Details, Axonometrien und Projektionen. Vor allem die Parallelperspektive ermöglicht die unzentrierte Darstellung eines Baukörpers oder Bauteils und gibt so Einsicht in das Gesamtgefüge. (4) Die Bildsprache bleibt elementar: Jedes Bauteil wird zunächst autonom gesehen, um in einem zweiten Moment zu einer übergreifenden Einheit zusammengefasst zu werden. (5) Mit der Zeichnung untersuche ich Fügungs- und Ordnungsprinzipien von Bauteilen oder simuliere die räumliche Wirkung und das Lichtverhalten einer Konstruktion. Die Handzeichnung erlaubt es mir, meinen Fokus auf den am Blatt fixierten Maßstab zu legen, ihn beim nächsten Blatt zu wechseln und den Entwurf dabei in verschiedenen Abstraktions- und Detaillierungsgraden zu denken. Im CAD-Programm verschwimmt dieser Fokus, da der Maßstab durch die Zoom-Funktion bis zum Ausdrucken der Zeichnung ständig veränderbar ist. Erst sobald ich genug Informationen zu einem Entwurf gesammelt habe und alle Bauteile einer logischen Ordnung unterliegen, wechsele ich zur digitalen Zeichnung. Im Zeichenprogramm habe ich dann Aufbau und Zusammensetzung des zu untersuchenden Objekts bereits vor Augen und nutze den hohen Detailliertheitsgrad der digitalen Zeichnung, um meinen Entwurf genauer zu bemessen. Das Ergebnis der digitalen Untersuchung wird als Ausdruck zur Grundlage für weitere Zeichnungen. Den Wechsel vom analogen ins digitale Medium wiederhole ich, bis die Zeichnung keiner Ergänzungen oder Sondierungen mehr bedarf und die ungelösten Aspekte geklärt wurden.
Abgeschlossene Zeichnungen archiviere oder platziere ich in meinem Umfeld. Sie werden zum kreativen Hintergrund meines Arbeitsplatzes. Mein Blick verliert sich dann oft in bestimmten Teilaspekten eines Entwurfs, ich beginne verschiedene Gedanken miteinander zu vernetzen. Es entstehen Handlungsabläufe und Geschichten über vergangene und gegenwärtige Fragen und Antworten. Sie gestalten den laufenden Gedanken mit. Das Vertiefen erster Ausgangsideen über den Weg der Handzeichnung ist eine Vorgangsweise, die mich kreativ stimuliert und auf der Suche nach der Gestalt eines Gedankens vorantreibt. Zeichnen und gezeichnetes Wissen zu sammeln bedeutet, sich auf die Möglichkeiten der eigenen Erinnerung zu stützen und die eigene schöpferische Leistung kontinuierlich zu schärfen.
(1) Serrazanetti, Francesca, Schubert, Matteo, La mano dell‘architetto, in: La mano dell‘architetto, 2009, S.13.
(2) Gallwitz, Klaus , Zeichnungen sind nicht Selbstzweck, in: Joseph Beuys - Walter Pichler, Ausstellungskatalog, Deutsche Bank, Bremen, Berlin, Mannheim 1996.
(3) Steiner, Karin , Material, Technik und Methode als gestaltbestimmende Parameter in Bruno Gironcolis Arbeiten auf Papier, in: Bruno Gironcoli, in der Arbeit schüchtern bleiben, 2018, S.315.
(4) Andritz, Inge: Mies van der Rohe und Japan, 2018, S.37.
(5) Boeckl, Matthias , Arbeit und Körper, Zeit und Raum, Fundamentales und Paradoxes im Projekt Walter Pichlers, in: Walter Pichler, Zeichnungen, 1996, S.15.
Meistens arbeite ich an Details, Axonometrien und Projektionen. Vor allem die Parallelperspektive ermöglicht die unzentrierte Darstellung eines Baukörpers oder Bauteils und gibt so Einsicht in das Gesamtgefüge. (4) Die Bildsprache bleibt elementar: Jedes Bauteil wird zunächst autonom gesehen, um in einem zweiten Moment zu einer übergreifenden Einheit zusammengefasst zu werden. (5) Mit der Zeichnung untersuche ich Fügungs- und Ordnungsprinzipien von Bauteilen oder simuliere die räumliche Wirkung und das Lichtverhalten einer Konstruktion. Die Handzeichnung erlaubt es mir, meinen Fokus auf den am Blatt fixierten Maßstab zu legen, ihn beim nächsten Blatt zu wechseln und den Entwurf dabei in verschiedenen Abstraktions- und Detaillierungsgraden zu denken. Im CAD-Programm verschwimmt dieser Fokus, da der Maßstab durch die Zoom-Funktion bis zum Ausdrucken der Zeichnung ständig veränderbar ist. Erst sobald ich genug Informationen zu einem Entwurf gesammelt habe und alle Bauteile einer logischen Ordnung unterliegen, wechsele ich zur digitalen Zeichnung. Im Zeichenprogramm habe ich dann Aufbau und Zusammensetzung des zu untersuchenden Objekts bereits vor Augen und nutze den hohen Detailliertheitsgrad der digitalen Zeichnung, um meinen Entwurf genauer zu bemessen. Das Ergebnis der digitalen Untersuchung wird als Ausdruck zur Grundlage für weitere Zeichnungen. Den Wechsel vom analogen ins digitale Medium wiederhole ich, bis die Zeichnung keiner Ergänzungen oder Sondierungen mehr bedarf und die ungelösten Aspekte geklärt wurden.
Abgeschlossene Zeichnungen archiviere oder platziere ich in meinem Umfeld. Sie werden zum kreativen Hintergrund meines Arbeitsplatzes. Mein Blick verliert sich dann oft in bestimmten Teilaspekten eines Entwurfs, ich beginne verschiedene Gedanken miteinander zu vernetzen. Es entstehen Handlungsabläufe und Geschichten über vergangene und gegenwärtige Fragen und Antworten. Sie gestalten den laufenden Gedanken mit. Das Vertiefen erster Ausgangsideen über den Weg der Handzeichnung ist eine Vorgangsweise, die mich kreativ stimuliert und auf der Suche nach der Gestalt eines Gedankens vorantreibt. Zeichnen und gezeichnetes Wissen zu sammeln bedeutet, sich auf die Möglichkeiten der eigenen Erinnerung zu stützen und die eigene schöpferische Leistung kontinuierlich zu schärfen.
(1) Serrazanetti, Francesca, Schubert, Matteo, La mano dell‘architetto, in: La mano dell‘architetto, 2009, S.13.
(2) Gallwitz, Klaus , Zeichnungen sind nicht Selbstzweck, in: Joseph Beuys - Walter Pichler, Ausstellungskatalog, Deutsche Bank, Bremen, Berlin, Mannheim 1996.
(3) Steiner, Karin , Material, Technik und Methode als gestaltbestimmende Parameter in Bruno Gironcolis Arbeiten auf Papier, in: Bruno Gironcoli, in der Arbeit schüchtern bleiben, 2018, S.315.
(4) Andritz, Inge: Mies van der Rohe und Japan, 2018, S.37.
(5) Boeckl, Matthias , Arbeit und Körper, Zeit und Raum, Fundamentales und Paradoxes im Projekt Walter Pichlers, in: Walter Pichler, Zeichnungen, 1996, S.15.