Mehrzweckhalle von Atelier Kaiser Shen

Familiäre Bande verbinden Florian Kaiser von Architekturbüro Atelier Kaiser Shen aus Stuttgart mit seinem jüngsten Projekt. Als Kind hatte er bereits in der Mehrzweckhalle in Ingerkingen am Sportunterricht teilgenommen und später dort zahlreiche Veranstaltungen besucht. Nun beabsichtigte die Gemeinde bei Biberach an der Riß, den 1964 errichteten Bau entweder durch einen Neubau zu ersetzen oder zu sanieren. In der Wettbewerbsauslobung wurde dies bewusst offengelassen. Obgleich die Halle schon mehrfach umgebaut worden war und dabei viele der ursprünglichen Qualitäten verloren hatte, entschieden sich die Architekten fürs Weiterbauen. Ihr Leitbild war das einer „chinesischen Porzellanschüssel, die nach dem Zerbrechen repariert wurde und dadurch erst eine unverwechselbare Poesie aufweist“, schreiben sie.

Vor allem an der Westfassade sind alte und neue Hallenbestandteile gut ablesbar. © Brigida González

Auf den ersten Blick ist nicht viel von der ursprünglichen Bausubstanz erhalten geblieben, doch der Eindruck täuscht: Neu errichtet wurden vor allem die Sporthalle selbst und ihr Tragwerk aus einhüftigen Holzrahmen. Rund 60 % der Bausubtanz – darunter Fundamente und Bodenplatten, Wände und Decken des Nebenraumtrakts im Norden sowie der straßenseitige Bühnenbau – wurden dagegen gerettet und in die neue Bausubstanz integriert. Das Zusammenspiel von Alt und Neu ist vor allem an den Stirnseiten gut ablesbar. Glücklicherweise entsprach die ursprüngliche Hallenlänge genau dem Maß einer normgerechten Einfeldhalle. Daher musste nur die verglaste Südfassade rückgebaut und nach außen versetzt werden.

Die neuen, einhüftigen Zweigelenkrahmen aus Brettschichtholz sind genau auf dem Achsraster der bestehenden Stahlbetonstützen errichtet. Rund 60 % der Vertikal- und alle Horizontallasten werden in die neuen Fundamente auf der Südseite der Halle eingeleitet und nur 40 % der Vertikallasten müssen von dem Nebenraumtrakt im Norden getragen werden. Aufgrund dessen kommt Letzterer nach wie vor mit seinen Bestandsfundamenten aus. Vor der Südfassade ist eine große Dachauskragung mit wettergeschützter Fassade entstanden, die bei gutem Wetter direkt mit der Halle verbunden werden kann. Im Halleninneren dominiert das markante Holztragwerk.

Der Innenraum wird von großen, einhüftigen Zweigelenkrahmen aus Brettschichtholz überspannt. © Brigida González

Am Außenbau sind Bestand und Neubau durch unterschiedliche Materialien und Oberflächen ablesbar. Der massive Bestand wurde gedämmt und entsprechend dem Originalputz verputzt. Die Aufstockung und Erweiterung erhielt dagegen eine hinterlüftete Holzfassade, den Dachabschluss des Gebäudes bilden zwei gegenläufige Pultdächer. Hinter der durchlaufenden Fassadenlattung verbergen sich Fenster, Lüftungsauslässe und die Wartungstüren der Lüftungsanlage. 

Die neuen Fassaden erhielten eine Holzlattung, die auch die Fenster verdeckt. © Brigida González

Im Innenraum braucht es schon einen genaueren Blick, um Altes von Neuem zu unterscheiden: Im Bühnenraum etwa blieben bauzeitliches Mauerwerk, Reparaturen und Ergänzungen aus Hochlochziegeln und Beton unverputzt und wurden mit einer Kalkschlämme egalisiert. Die Aufstockung und Erweiterung ist dagegen an den glatt verspachtelten Oberflächen der Holzrahmenwände erkennbar. Um Kosten zu sparen, halfen lokale Vereine bei der Entkernung der alten Halle mit. Viele Sanitärobjekte und die Kücheneinrichtung fanden neue Abnehmer im Second-Hand-Baustoffhandel. Die ehemalige Holzverkleidung des Hallenraums kam hingegen an einer nahe gelegenen Waldhütte als Fassadenverkleidung zum Einsatz.