24.11.2015 Jakob Schoof

Kulturwandel durch Kooperation? Kongress „BIM – Planungsprozess im Wandel“ in München

Akershus University Building/ C.F. Møller Architects, Aarhus

Warum überhaupt BIM? Diese Frage stellen sich momentan viele Architekten in Deutschland. Annette von Hagel beantwortete sie in ihrem Auftaktvortrag zum Kongress so: Weil die europäische und nationale Gesetzgebung nicht nur immer energieeffiziente, sondern zunehmend auch recyclingfähige Gebäude fordert. Zum Beispiel müssen alle öffentlichen Neubauten in der EU ab 2019 als Niedrigstenergiegebäude erstellt werden. Und die 2013 eingeführte Bauproduktenverordnung fordert, dass ein Bauwerk und seine Bestandteile nach dem Abriss recycelt werden können. Diese Vorgabe gilt nicht nur für Neubauten, sondern auch für Bestandsgebäude. Ab 2017 gelten in Europa zudem strengere Vorgaben für die Nachhaltigkeitsberichterstattung größerer Unternehmen. Diese müssen dann auch über die energetische Performance ihrer Liegenschaften Rechenschaft ablegen können.

All diese  Vorgaben sind nur zu erfüllen, wenn die entsprechenden Daten über Baukonstruktion und technische Installationen vorliegen und gepflegt werden. Der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), bei der Annette von Hagel in der Sparte Facility Management tätig ist, kommt dabei eine Vorreiterrolle zu. Die BImA ist mit einer Gesamtfläche von 500000 Hektar und 39000 Wohnungen eine der größten Immobilieneigentümerinnen in Deutschland und administrativ dem Finanzministerium untergeordnet. Die Datenlage über ihren Baubestand ist bisher aber bestenfalls lückenhaft. Umbaumaßnahmen gleichen daher oft archäologischen Grabungen, so Annette von Hagel.  

Daraus wird deutlich: BIM ist beileibe nicht nur eine Angelegenheit für den Neubau, sondern auch für das Management von Bestandsimmobilien. Vor allem in Nordeuropa setzt die öffentliche Verwaltung daher schon länger auf das integrierte Management von Gebäudedaten. Hierzulande tut sich die öffentliche Hand noch deutlich schwerer mit BIM. Erste, zaghafte Gehversuche macht nun das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), das im Rahmen eines Pilotprojekts drei Brücken und einen Tunnelbau mit BIM planen und erstellen lässt.

Viele Hürden bei der BIM-Einführung
Im Hochbau sollte eigentlich das neue Humboldt-Forum auf der Schlossinsel in Berlin zum BIM-Pilotprojekt werden, über das Petra von Both (Karlsruher Institut für Technologie) in ihrem Vortrag berichtete. Allerdings waren die Spezifikationen des Bauherrn in diesem Fall so ungenau, dass die Architekten ein praktisch unbrauchbares BIM-Modell ablieferten und dieses daraufhin im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung neu erstellt werden musste. Für die Ausführungsplanung der Fassaden wurde später wieder auf herkömmliche 2-D-Pläne umgestiegen.

Erfahrungen wie diese sind typisch, wenn hinreichend genaue Vorgaben und Richtlinien des Bauherrn für die BIM-Planung fehlen. Auch in zwei Umfragen des KIT von 2013 sowie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) von 2015 zeigte sich, dass die öffentliche Verwaltung hierzulande eher die Nachhut bei der Einführung von BIM bildet. Unter den befragten Bauunternehmen und Handwerksbetrieben nutzen bereits 83% BIM, bei den Architekten und Planern waren es 55% und bei der öffentlichen Hand lediglich 38%. Als größte Vorteile der neuen Planungsmethode nannten die Befragten eine verbesserte Kostenkalkulation, die bessere Kommunikation im Planungs- und Bauprozess, eine größere Datengenauigkeit sowie die Vermeidung von Mehrfacheingaben. Hemmschwellen sehen die Planer derzeit noch bei der Vergütung und Rechtssicherheit: So behindert die nach Leistungsphasen gegliederte Auftragsvergabe eine phasenübergreifende Wertschöpfung mit BIM. Außerdem sind Urheber- und Nutzungsrechte bei der Weitergabe von BIM-Modellen unzureichend geklärt, und die Leistungsphasen der HOAI spiegeln einer verbreiteten Meinung zufolge die geänderten Planungsabläufe mit BIM nicht ausreichend wider.

Spielräume der HOAI ausloten
Hinweise zu den Themen BIM-Verträge und HOAI gab Dr. Robert Elixmann von der Düsseldorfer Anwaltskanzlei Kapellmann und Partner in seinem Vortrag. Nach seinem Dafürhalten ist die HOAI im Grundsatz durchaus „BIM-kompatibel“. Die Tatsache, dass in der Planung ein BIM-Modell erstellt wird, rechtfertige zwar für sich genommen kein Überschreiten der HOAI-Honorarsätze, wohl aber deren „Ausloten nach oben hin“, so Elixmann. Selbst dies dürfte freilich bei den meisten Bauvorhaben unrealistisch sein, weil der Bauherr am „längeren Hebel“ sitzt. Allerdings sollten Planer genau Buch darüber führen, ob sie durch BIM de facto Teilleistungen späterer Leistungsphasen schon zu einem früheren Zeitpunkt in der Planung erbringen. Diese dürfen sie dann auch entsprechend früher abrechnen. Auch ist es durchaus möglich, dass der Architekt den Fachplanern die Weitergabe eines BIM-Modells in Rechnung stellt, auf dem diese mit ihren weiteren Planungen und Simulationen aufbauen können.

Eine solche Weitergabe von Modellen zwischen unterschiedlichen Fachdisziplinen ist derzeit aber noch die Ausnahme. Die Gründe dafür können vielfältiger Art sein: unterschiedliche Arbeitsweisen, gegenseitiges Misstrauen, fehlende projektspezifische BIM-Richtlinien und Schnittstellenprobleme zwischen Softwarelösungen unterschiedlicher Hersteller, die zu Datenverlusten führen.

BIM-Vorreiter Dänemark
Einen Blick in die – aus deutscher Sicht – Zukunft warf Julian Weyer vom dänischen Architekturbüro C.F.Møller in seinem Referat. In Dänemark ist das Baugeschehen stark durch Aufträge der öffentlichen Hand bestimmt, und seit 2012 fordert der Staat für alle seine Bauvorhaben eine Planung mit BIM. Für C.F.Møller und seine rund 300 Mitarbeiter im Grunde kein Problem: Das Büro bearbeitete schon 2004 mit dem Akershus-Krankenhaus in Norwegen sein erstes BIM-Projekt. „Damals wussten alle im Projektteam, dass sie BIM nicht können, und das war hervorragend“, berichtete Weyer. Heute hingegen müsse man seine Planungspartner schon genau auswählen. Denn BIM zu beherrschen, behaupten in Dänemark mittlerweile alle; bildet es doch die „Eintrittskarte“ zu öffentlichen Aufträgen. Nur lieferten bei weitem nicht alle Ingenieurbüros das, was sie versprächen, so Weyer. Vor allem die bisher oft praktizierte Vergabe von Teilleistungen in der Planung an Subunternehmer in Billiglohnländern sei nun nicht mehr möglich. Denn BIM verpflichtet alle Beteiligten zu Transparenz und zu einer engen, stetigen Kooperation von Anfang an.

Das schließt den Bauherrn ausdrücklich mit ein: Auch er muss die neue Planungsweise verstehen und realisieren, dass gewisse Entscheidungen früher und verbindlicher getroffen werden müssen als in einem herkömmlichen Planungsprozess. C.F.Møller hat daher in Eigenregie Schulungsunterlagen für Auftraggeber und Planungspartner entwickelt, die die veränderten Workflows und die Verschiebung der Leistungsphasen durch BIM erläutern. Damit sei man zwar vor späten Änderungswünschen eines Bauherrn nicht gefeit, so Weyer, könne diese aber immerhin auf ein Mindestmaß reduzieren.

Das Facility Management bleibt oft außen vor
Warum BIM? Eines der größten Versprechen, das sich mit diesen drei Buchstaben verbindet, lautet: Kosteneinsparung für den Bauherrn – insbesondere im Gebäudebetrieb. Doch gerade dieses Potenzial bleibt oft ungenutzt, wie Alfred Waschl in seinem Beitrag verdeutlichte. Waschl leitet das österreichische Facility-Management-Unternehmen caFM engineering und hat dort immer wieder feststellen müssen, wie wenig brauchbar die von Planern und ausführenden Betrieben generierten Datensätze im Gebäudebetrieb sind. Der Grund: Sie sind aus Sicht des Facility Managers völlig überdimensioniert und falsch strukturiert. „Uns interessieren im Grunde nur drei Arten von Daten: diejenigen, die behördlich relevant, sicherheitstechnisch relevant oder wichtig für den Gebäudeunterhalt sind“, so Waschl. Um genau diese Daten rechtzeitig zu selektieren, müssten Facility Manager schon von Beginn der Planung an einbezogen werden und dort ihre Vorgaben zu Datenstruktur und –selektion einbringen können. Nur werden sie vom Bauherrn oft nicht damit beauftragt; zumal dann nicht, wenn das Gebäude spekulativ erstellt wird und der spätere Nutzer und sein FM-Dienstleister bei der Planung noch gar nicht feststehen. 

 Gegenseitiges Verständnis ist essenziell

Wie „BIM-Neulinge“ am besten an das Thema herangeführt werden können, war Thema der letzten beiden Vorträge.  André Pilling vom Generalplanungs- und Beratungsunternehmen DeuBIM aus Düsseldorf plädierte für eine gemeinsame BIM-Ausbildung von Architekten und Fachingenieuren, wie ihn die von ihm initiierte interdisziplinäre BIM-Akademie verfolgt. Wenn Planer gemeinsam die ersten Schritte in BIM tätigten, so Pilling, ließe sich am ehesten ein wechselseitiges Verständnis für die Ziele und Arbeitsweisen des jeweils Anderen erreichen. Ein erstes BIM-Projekt hat auch Nils Krause mit seinem Büro hammeskrause architekten aus Stuttgart absolviert. Er sieht große Effizienzpotenziale in der neuen Methode, zumal sein Büro überwiegend hoch installierte Forschungslabore und Gesundheitsbauten realisiert. Wichtig für eine erfolgreiche BIM-Einführung seien vor allem die wechselseitige Fairness der Planungspartner sowie die gemeinsame „Planung der Planung“, also des Projektablaufs. Das bloße Verschicken von Terminplänen reicht bei BIM nicht mehr, so Krause – besser ist es, gleich zu Beginn alle Fachplaner in einem Raum zusammenzubringen und wichtige Meilensteine gemeinsam festzulegen. 

 Für die bürointerne BIM-Einführung müsse das Ziel lauten, das entsprechende Wissen möglichst breit zu streuen, anstatt sich lediglich einige wenige „BIM-Experten“ heranzuziehen, von denen dann der Projekterfolg abhinge. Lehrgeld zahlt zunächst aber jedes Architekturbüro: „Die ersten ein, zwei Projekte sind wirklich hart“, so Krause. Die positiven Schilderungen langjähriger BIM-Anwender lassen jedoch darauf schließen, dass diese Einarbeitungsphase nur eine vorübergehende Erscheinung ist. Auch der Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Softwarelösungen funktioniert laut Krause mit jedem Update, das die Hersteller herausbringen, immer besser. 

 Unternehmerische Kreativität ist gefragt

Als Fazit der Veranstaltung lässt sich feststellen: BIM ist unübersehbar im Mainstream angekommen. Treiber der Entwicklung sind vor allem Bauunternehmen und große Auftraggeber, während die öffentliche Hand eher die Nachhut bildet. Gut möglich, dass die technische (sprich: Software-)Entwicklung bei BIM der kulturellen in den nächsten Jahren enteilen wird. Denn ob die neue Methode in der zersplitterten, oft von Konfrontation geprägten deutschen Planungslandschaft zu mehr integraler Zusammenarbeit führen wird, bleibt abzuwarten. Für die BIM-Akzeptanz unter Architekten wird die Frage entscheidend sein, inwieweit sich Effizienzgewinne und zusätzliche Erlösmöglichkeiten durch BIM tatsächlich materialisieren. Das wird auch den Architekten einiges mehr an Management-Fähigkeiten und Unternehmergeist abverlangen als ihnen üblicherweise an der Hochschule beigebracht wird.
BIM ist mehr als nur Objektbibliotheken
Herkömmliche BIM-Lösungen sind meist objektbasiert; das heißt, sie „denken“ BIM-Modelle als Ansammlung von Bauelementen. Je nach Projekt kann es aber auch sinnvoll sein, ein BIM-Modell ganz anders zu starten – etwa als Raumprogramm wie bei dem Projekt eines Großkrankenhauses in Aarhus, an dem C.F.Møller seit acht Jahren planen. Oder mit der Geometrie eines komplexen Dachtragwerks zu beginnen wie das Büro Gerber Architekten bei der Olaya-Metrostation in Riad, das der Projektleiter Thomas C. Lücking beim Kongress vorstellte. Binnen drei Monaten hatten die Planer bei diesem Projekt einen ersten, mit BIM generierten Plansatz an den Auftraggeber zu liefern.


Die geometrische Komplexität des Bauwerks führte dabei sowohl das Planungsteam als auch das Schulungspersonal des Softwareanbieters an ihre Grenzen. Die Lösung bestand in einer geschickten Verknüpfung von parametrischer Entwurfssoftware und BIM. Ändert sich beispielsweise die Geometrie des geschwungenen, begrünten Dachs, wird auch die Form aller Dachaufbauten und –einbauten automatisch nachgeführt und das Ganze anschließend ins BIM-Modell exportiert. Auftraggeber der Architekten ist in diesem Fall ein großer Baukonzern, der 100 Kilometer Untergrundbahn samt aller Haltepunkte als Generalübernehmer realisiert. Spätestens bei einem solchen Mammutprojekt wird die gemeinsame Arbeit an einem BIM-Modell unmöglich. Stattdessen arbeiten die Planer an einer Vielzahl getrennter Modelle, die erst am Schluss zu einer gemeinsamen Datenbank zusammengeführt werden.
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