Kuchen unterm Lichthimmel: Bäckerei in Gondomar

Bäckerei und Konditorei Gondodoce in Porto, Paulo Merlini Arquitectura

Die Finanzkrise hat dem Bausektor in Portugal sehr zugesetzt. Viele Architekten verlassen seitdem das Land. Hoffnungsvoll stimmt, wenn junge Talente trotzdem bleiben und ambitionierte Projekte realisieren. So geschehen im Norden Portugals, in Gondomar, einer 170.000-Einwohner-Stadt vor den Toren Portos gelegen. Das ortsansässige Büro Paulo Merlini Arquitectura entwarf für die Bäckerei und Konditorei Gondodoce neue Räume. Architekten: Paulo Merlini Arquitectura
Standort: Gondomar, Portugal

Foto: João Morgado

Die erfolgreiche Bäckereikette eröffnete an der Hauptstraße eines aufstrebenden Quartiers ihre dritte Filiale. Um Kunden in die Verkaufsräume zu locken, erdachten die Architekten einen besonderen Clou: Sie rückten die Perspektive, die Passanten einnehmen, wenn sie auf die Bäckerei zusteuern, in den Fokus ihrer Gestaltung.

Da das Gebäude auf einer Anhöhe liegt, nimmt ein Besucher als erstes die Deckenansicht wahr, und genau dort platzierten die Architekten das raumbestimmende Element. Sie schufen einen künstlichen Himmel, der das Café in ein gleichmäßig helles Licht taucht.

20 Millimeter starke, weiß lackierte MDF-Lamellen, in sieben Zentimeter Abständen montiert, bilden die Struktur dieser zweiten, luftigen und durchlässigen Decke. Tropfenartige Auswüchse, die wie Torten und Gebäck verzierender Zuckerguss von oben herabhängen, sorgen für Überraschungsmomente – die Vorsehbarkeit des Raumes wird bewusst gebrochen.

Foto: João Morgado

Ganz abgesehen von der Tatsache, dass die dreidimensionalen, reliefartigen Gebilde einfach schön anzusehen sind. Der Grundriss, der sich über eine Gesamtfläche von 460 Quadratmetern erstreckt, war nicht ganz einfach zu bespielen. Aus ursprünglich zwei Ladengeschäften zusammengesetzt, teilt ein Erschließungskern für die oberen Stockwerke des Gebäudes die Grundfläche in zwei Bereiche.

Die meterlange Verkaufsvitrine, in der feine Torten, Kuchen, Snacks und Brot angeboten werden, befindet sich im rückwärtigen Bereich des Ladens. Doch den Architekten gelang es, dem augenscheinlichen Nachteil eines verwinkelten Grundrisses einen Vorteil abzugewinnen: Frei nach dem Motto “etwas für jeden Geschmack” gliederten sie das Café in drei unterschiedliche Zonen – und hofften, mit diesem Kniff auch das Spektrum und die Anzahl der potentiellen Besucher zu erhöhen.

Foto: João Morgado

Im ersten Bereich, dem stets turbulenten Hauptraum, der direkt vom Eingang aus betreten wird, stehen 20 Tische bereit. Hier lässt sich nieder, wer es gern quirlig mag. Nahe der Verkaufsvitrine lockt eine intime Nische: Loungeatmosphäre und bequeme Sofas laden die Besucher zum Verweilen ein. Und wer noch mehr Ruhe sucht, ist womöglich an den Tischen im hinteren Bereich – ohne Durchgangsverkehr – am besten aufgehoben. Überhaupt die Tische – es sind Eigenentwürfe des Architekten mit Sonderfunktion: Über einen in den Tisch eingelassenen QR-Code kann per App auf dem Smartphone die Speisekarte des Cafés aufgerufen werden, Bestellungen abgegeben oder die Rechnung verlangt werden.

In dem stets turbulenten Hauptraum, der direkt vom Eingang aus betreten wird, stehen 20 Tische bereit. Foto: João Morgado

Eine intime Nische: Loungeatmosphäre und bequeme Sofas laden die Besucher zum Verweilen ein. Foto: João Morgado

Die Tische im hinteren Bereich der Bäckerei – ohne Durchgangsverkehr. Foto: João Morgado

Ein weiteres Anliegen der Architekten: Wohlfühlräume zu kreieren. So fiel die Wahl der Wandfarbe auf einen cremigen Pastellton, der aus dem mittleren Farbton der 20 beliebtesten Backwaren ermittelt wurde. Die Architekten vertrauten auf eine Studie, die nahelegt, dass räumliche Gestaltung in Form und Farbe von Essbarem, die Gäste zum Verzehr anregt. Wie effektiv diese Maßnahme letztendlich ist, bleibt abzuwarten. Doch eines gelingt den Architekten auf jeden Fall: Sie haben ein kleines Eldorado für Torten- und Kuchenliebhaber geschaffen, das mit modernem Flair auch Tortenmuffel zumindest auf einen Kaffee zu verführen mag.

Foto: João Morgado


Eine Print-Dokumentation sowie weitere Projekte zum Thema »Essen und trinken« finden Sie im Juli in unserer Ausgabe GRID 2/2014.

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