14.04.2022 Jakob Schoof

Kommunikationsmotor BIM

© David Chipperfield Architects Berlin

BIM treibt die Vernetzung an – auch über Büro- und Projektgrenzen hinaus, sagt Simon Wiesmaier von David Chipperfield Architects Berlin.


In welchen Bereichen des Planens und Bauens hat die Digitalisierung in den letzten Jahren die größten Veränderungen gebracht?

Entwicklungen wie BIM, Computational Design und Digitale Fabrikation sind natürlich schon länger im Gange. Das Gleiche gilt im Bereich der Visualisierung und Simulation für Virtual Reality, Augmented Reality und Mixed Reality. Diese Entwicklungen beschleunigen sich zunehmend, auch in Richtung von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning. Sie wirken sich – nicht ausschließlich positiv – immer stärker auf die Arbeit von Architektinnen und Architekten aus. Auch das Interesse von Bauherren und Bauherrinnen steigt. Bei der Frage, welche technologischen Entwicklungen tatsächlich einen Mehrwert darstellen, kommt es auf die Arbeitsweise und das Architekturverständnis eines Büros an - aber ganz klar auch auf den Nutzen für übergeordnete Ziele wie die Bekämpfung der Klimakrise im Bauen.
Bei unserer Art des Entwerfens spielen Imagination und Abstraktion eine wichtige Rolle, ein bewusster Einsatz der Mittel sowie die unmittelbare Kraft der Handskizze und des physischen Modells. Der Einsatz der jeweils neuesten Technologien, insbesondere solcher, die den Entwurf früh ins zu detaillierte ‚locken‘, ist daher für uns nicht selbstverständlich. Umgekehrt interessieren wir uns sehr für Mittel und Methoden, die unser Entwerfen bereichern und erleichtern können – gerade im Hinblick auf Entwicklungen wie das nachhaltige Bauen. Ob neue Technologien für uns einen Fortschritt bedeuten, können wir am ehesten beurteilen, indem wir sie am realen Projekt erproben.

Simon Wiesmaier © David Chipperfield Architects Berlin

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Elbtower in Hamburg, unser erstes großes BIM-Projekt und zugleich das erste maßgeblich mit Computational Design entworfene. Der Nutzen des BIM-Prozesses bei diesem Projekt lag neben der Qualitätssicherung vor allem darin, 2D-Zeichnungen, Bauteillisten und ein Raumtypenbuch aus dem Modell ableiten zu können und in den Bauteilen Informationen des Schall- und Brandschutzes zu hinterlegen. Dem stand allerdings in den frühen Entwurfsphasen ein hoher Aufwand gegenüber. Essentiell für den gesamten Entwurfsprozess war insbesondere die parametrische Modellierung und ihre Schnittstelle ins BIM-Modell. Die geschwungene Form des Turms wäre mit herkömmlichen Mitteln kaum oder nur mit massivem Mehraufwand gestaltbar gewesen.
Ein anderes Beispiel, wenn auch weitaus experimenteller, ist das Forschungsvorhaben Shaping Space, bei dem wir Kooperationspartner der Berliner Universität der Künste sind. Dabei untersuchen wir im Kontext von Mixed Reality und hybriden Darstellungstechniken Möglichkeiten nachhaltigerer Entwurfswege.

Wo funktionieren die Dinge noch nicht so, wie Sie sich es wünschen?

Der Weg von der Theorie in die Praxis ist nicht ohne Hürden. Bei der Anwendung von BIM in Projekten müssen wir zwischen dem Maximum an technologisch Vorstellbarem und echtem Nutzen abwägen. Wir brauchen schlanke Prozesse, brauchbare Standards und funktionierende Schnittstellen. Die Rollen von Architekturschaffenden und Bauherr oder Bauherrin in BIM-Prozessen müssen neu gedacht werden. All dies befindet sich gegenwärtig noch in Entwicklung, muss erlernt, erprobt und teilweise weiter angepasst und entwickelt werden.
Im Moment sehen wir, dass Prozesse und BIM-Dokumente teils überladen wirken, und nicht selten werden BIM- und konventionelle Planung sogar parallel geführt. In andere BIM-Projekte gehen alle Beteiligten dagegen von Anfang an mit klaren Erwartungen, realistischen Rahmenbedingungen und einer guten Struktur. In solchen Projekten kann der BIM-Prozess schon früh zu einem sinnvollen und aktiven Instrument der gemeinsamen Planung werden. Wir nehmen insgesamt die Tendenz zu einem bewussteren, kontrollierteren Einsatz von BIM wahr.
Dennoch erscheint es uns essenziell, auf die Entwicklung aktiv Einfluss zu nehmen. Das betrifft Normen und Standards, aber auch eine sinnvolle Definition und Honorierung von BIM-Leistungen im Sinne der Architekten und Architektinnen. Dabei handelt es sich um zentrale Anliegen der BIM-Allianz, was für uns die ausschlaggebende Motivation war, als Gründungsmitglied mitzuwirken.

Elbtower in Hamburg © David Chipperfield Architects Berlin 

Wie hat sich Ihre Zusammenarbeit durch BIM verändert?

Dass durch den Austausch und das Zusammenführen der Modelle in BIM automatisch Kollisionen und Konflikte entdeckt werden, stellt eine erhebliche Erleichterung für die Koordination dar und verbessert die Zusammenarbeit. Das ist mittlerweile wohl ziemlich unstrittig.
Ob und in welchem Maße sich Kollaboration und Kommunikation durch BIM und digitale Plattformen tatsächlich ändern, müssen wir aber noch länger beobachten. Erkennbar ist, dass die Planungsmethode mindestens zu Beginn eines Projekts, intern wie auch mit den anderen Planungsbeteiligten, einen höheren Abstimmungsaufwand erfordert. Dass sich das - und ein gut strukturiertes, modellbasiertes Kommunikationsmanagement – lohnen kann, erleben wir gegenwärtig in unserem Projekt „Hochhaus an der Jannowitzbrücke“ in Berlin. Von Anfang an haben alle Beteiligten die BIM-Prozesse und Ziele klar und einvernehmlich strukturiert. Das ist auch auf die Vertrautheit mit der Methode zurückzuführen.
BIM ist in jedem Fall – wie die Digitalisierung im Allgemeinen – eine Treiberin von Vernetzung. Aus unserer Sicht ist dies schon deshalb ein Gewinn, weil damit eine größere Offenheit der Planungsbeteiligten untereinander einhergeht und die Interdisziplinarität gestärkt werden kann. Auch in der BIM-Allianz erkennen wir ganz klar eine höhere Bereitschaft zum Austausch über die eigenen Arbeitsweisen und zur Erarbeitung gemeinsamer Standards – höher als noch zu Zeiten herkömmlicher, unvernetzter Planung in 2D.

© David Chipperfield Architects Berlin

Welche Fehler sollte man bei der Arbeit mit BIM in jedem Fall vermeiden?

Wenn der Nutzen unter den Beteiligten diffus bleibt, wird es schwierig, die BIM-Methode als Vehikel der Planung durchzusetzen. Dies gilt auch für die Implementierung im Büro: Ein grundsätzliches Verständnis der Methode unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollte schon vorhanden sein. Sonst fällt es wesentlich schwerer, den notwendigen Mut für die Entscheidung zugunsten von BIM aufzubringen und dabei das für gute BIM-Projekte nötige Augenmaß gegenüber den Schwachstellen zu bewahren.
Dieses Verständnis herzustellen bedeutet einen hohen Aufwand. Denn es reicht nicht, eine einmalige Inforunde zum Thema abzuhalten. Die bauteilorientierte Modellierung in den Projektteams, der Umgang mit BIM-Dokumenten oder das Kalkulieren und Verhandeln von BIM-Leistungen müssen auf verschiedenen Ebenen langfristig verinnerlicht werden. Ohne einen gut aufgestellten Support – inhouse oder von extern – ist dies kaum zu bewältigen. Zumindest dann nicht, wenn man diesen Prozess wie wir innerhalb kurzer Zeit vollziehen möchte.
Auch in diesem Kontext bietet uns die BIM-Allianz eine sehr hilfreiche Plattform. Denn neben ihrer strategischen Netzwerkarbeit und dem berufspolitischen Engagement ermöglicht sie mit thematischen Arbeitsgruppen Austausch und Unterstützung aus der Mitte unseres Berufsstandes.

© David Chipperfield Architects Berlin

Was sind die wichtigsten Bestandteile einer erfolgreichen BIM-Strategie?

Wir halten es für sinnvoll, einen längerfristigen ‚Fahrplan‘ zur Einführung von BIM im Büro zu entwickeln. Für eine allgemeine Orientierung empfanden wir die Richtlinienreihe der VDI als sehr nützlich. Eine stufenweise Einführung von BIM ermöglicht eine kontrollierte Annäherung an die Methode, zum Beispiel nach Maßstäblichkeit, Umfang der Attribuierung oder bestimmten Anwendungsfällen.
Bei der Umsetzung dieses Plans wurden wir aber von der Realität eingeholt, da wir sehr schnell mehrere neue BIM-Projekte beginnen konnten. Mittlerweile verfolgen wir daher die Implementierung von BIM nicht mehr entlang eines linearen Konzepts. Vielmehr haben wir thematische Bausteine definiert, die wir anhand realer BIM-Projekte entwickeln und nach akutem Bedarf gewichten. Hierzu zählen beispielsweise die Erstellung von Musterdokumenten, von Standards wie Bauteilmatrix oder Modellierungsrichtlinie, oder ein BIM-Rahmenterminplan. Die Entwicklung dieser Bausteine erfolgt auch in engem Austausch mit der BIM-Allianz.
Essentiell für die BIM-Strategie eines Architekturbüros scheint uns, dass sowohl auf Management- als auch auf Projektebene ein Verständnis für die Potenziale und den Mehrwert der Methode wachsen kann. Dazu ist nach unserem Eindruck die Durchführung realer BIM-Projekte besser geeignet als die Entwicklung theoretischer Ziele. Ebenso wichtig ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Prozess ausreichend zu fördern und zu begleiten.

Simon Wiesmaier ist Associate bei David Chipperfield Architects Berlin. Er leitet dort den Bereich Digitale Strategie, ist im Team mit anderen für die Implementierung von BIM zuständig, führt die BIM-Gesamtkoordination durch und vertritt das Büro in der BIM-Allianz.

Weitere Projekte von David Chipperfield Architects sowie ausführliche Konstruktionsdetails der Gebäude finden Sie in der erweitereten Neuauflage der David Chipperfield-Monographie bei Edition Detail.


Simon Wiesmaier ist Associate bei David Chipperfield Architects Berlin. Er leitet dort den Bereich Digitale Strategie, ist im Team mit anderen für die Implementierung von BIM zuständig, führt die BIM-Gesamtkoordination durch und vertritt das Büro in der BIM-Allianz.


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