27.05.2014 Tobias Buschbeck

Kommunikation als wesentlicher Schlüssel für die Zukunft der Gesundheitspflege

Egal ob zwischenmenschlich oder digital – Kommunikation ist ein wesentlicher Schüssel zum Erfolg im komplexen Feld der Gesundheitspflege. „Healing Architecture + Communication“ war daher das Leitthema des 5. Symposiums „Health Care der Zukunft“ am 14. März 2014 in der Berliner Akademie der Künste. Die internationalen und interdisziplinären Panels zeigten und diskutierten Hintergründe und Beispiele zukunftsorientierter Gesundheitsarchitektur unter dem zentralen Aspekt der Kommunikationsförderung.

„Das Gesundheitswesen, wie wir es bisher kennen, ist ein Auslaufmodell“ so Professor Christine Nickl-Weller, die Veranstalterin des Symposiums „Health Care der Zukunft“, vom Fachbereich Entwerfen von Krankenhäusern und Bauten des Gesundheitswesens der Technischen Universität Berlin. Unsere Gesellschaft wird im demographischen Schnitt immer älter bezogen auf Patient und Personal - mit den dazugehörigen Krankheitsbildern. Die technischen Behandlungsmöglichkeiten entwickeln sich rasant weiter und der wirtschaftliche Druck steigt beständig. Neue Lösungen für das Gesundheitswesen sind erforderlich, um auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten.

5. Symposium Health Care der Zukunft am 14. März 2014 in der Akademie der Künste, Berlin. Quelle: Fachgebiet Entwerfen von Krankenhäusern und Bauten des Gesundheitswesens, Prof. Christine Nickl-Weller, Technische Universität Berlin. Foto: Linn Gruß

„How can architecture enhance the hospital function?“ so die einleitende Frage des niederländischen Historikers Dr. Cor Wagenaar. Hierzu wurden zahlreiche Beispiele von Gesundheitszentren bis hin zu Großkrankenhäusern gezeigt und diskutiert. Die Bandbreite der erforderlichen Kommunikation ist dabei groß. So analysierte zum einen die Schweizer Ärztin Dr. Christine Romann die zwischenmenschliche Kommunikation zwischen Arzt und Patient als einen unverzichtbaren „Fall für zwei“ auf dem Weg zum Behandlungserfolg. Zum anderen betonte Professor Dr. Hans-Ulrich Heiß, Vizepräsident der TU Berlin die automatisierte Nutzung riesiger Datenmengen als ein großes Potenzial für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. An der TU Berlin wird aktuell eines von zwei BIG DATA Kompetenzzentren Deutschlands mit Förderung durch die Bundesregierung eingerichtet.

Gesundheitszentren als Schnittstelle
Das Gesundheitssystem ist so komplex geworden, dass der Endnutzer es nicht mehr verstehe, so Morten Gregersen von Nord Architects aus Kopenhagen. Als Schnittstelle zwischen System und Nutzern dienen in Dänemark dezentrale Gesundheitszentren für Prävention, Patientenbegleitung und Nachsorge. Bei einem durch Nord Architects in Kopenhagen realisierten Projekt lautete die Aufgabe ein auf Krebserkrankungen spezialisiertes Gesundheitszentrum zu entwerfen, das einem Wohnhaus ähnlicher ist als einem Krankenhaus. Nord Architects gruppierten den Archetypus eines traditionellen Wohnhauses als Reihung um einen klosterähnlichen, ruhigen Innenhof. Durch ein gefaltetes Dach wird alles zu einer Einheit verbunden. Dies schafft großzügige und kommunikations-anregende Innenräume – gleichzeitig entsteht eine individuelle Kleinmaßstäblichkeit.

Gesundheitszentrum Kopenhagen von Nord Architects. Foto: Adam Mørk

Care by design
„Ich dachte Architektur sei irrelevant und alles was zähle sei die Pflege“ so Laura Lee, CEO der Maggie Centers – privaten Gesundheitszentren für Krebserkrankungen in Großbritannien mit einer herausragenden Architektur. Mittlerweile beschreibt Lee die Wirkung der Architektur als einen zentralen Punkt für das Wohlbefinden und die Kommunikation mit den Patienten: „Die Patienten fingen an mir als Krankenschwester ihre innersten Gedanken zu erzählen – die spezielle Architektur hat sie dabei unterstützt – wir nennen das „Care by design“.“

Als Krankenschwester betreute Lee die an Krebs verstorbene Gründerin Maggie Keswick Jencks. Gemeinsam mit ihr entwickelte sie maßgeblich das Konzept der Maggie Centers. Diese sind Orte in denen es darum geht, die Freude am Leben nicht durch die Angst vor dem Sterben zu verlieren, so Lee. Sie bieten Unterstützung für Patienten und Angehörige in allen Phasen von Krebserkrankungen – beim Leben mit Krebs, nach Krebs oder beim Sterben durch Krebs.

Die Gebäude, relativ kleine räumliche Einheiten, seien eine Mischung aus Wohnhaus, Museum, Kirche und Krankenhaus. Sie werden jeweils von herausragenden, internationalen Architekten geplant, u.a. von Frank Gehry, Zaha Hadid, Norman Foster, Snohetta und Rem Koolhaas. Seit 1996 wurden bisher 17 Maggie Centers realisiert, weitere sind aktuell in Planung. Das von Professor Alan Pert, NORD Architecture aktuell geplante und vorgestellte Maggie’s Center Forth Valley in Schottland liegt in einem großen Park mit Blick über den See und die benachbarte Landschaft. Grundlage des Konzeptes ist der alles verbindende Gemeinschaftsraum in der Mitte des Hauses.

Für die erfolgreiche Planung eines Maggie Centers formuliert Lee drei Grundprinzipien:
  1. Sorgfältige Auswahl des Architekten
  2. Bereitstellung eines auf den Architekten abgestimmten Planungsteams
  3. Freiheit für den Architekten

Das Wesen aller Maggie Centers brachte Laura Lee wie folgt auf den Punkt: „For such a small house it contains so much love.“

Maggie’s Center Forth Valley in Schottland von NORD Architecture. Quelle: NORD Architecture

Menschlicher Maßstab in Megastrukturen
„Die Megacity ist sowohl bezaubernd als auch beängstigend.“ resümiert Ute Schneider ihre Erfahrungen mit internationalen Stadtplanungsprojekten bei Kees Christiaanse Architects & Planners. Städtebau könne als Vorbild für den Entwurf komplexer architektonischer Strukturen im Gesundheitswesen dienen, insbesondere wenn es um die Berücksichtigung des menschlichen Maßstabes geht.

Professor Dr. Ruzica Bozovic-Stamenovic von der National University of Singapore  zeigte in ihrem Vortrag u.a. anhand des Khoo Teck Puat Hospital in Singapore wie das Krankenhaus durch seinen Park mit der Stadt verflochten wird, da dieser dringend als öffentliche Grünfläche benötigt wird. Das Krankenhaus als Green Hospital werde zu einem positiven Ort, seine Bedeutung als soziales Kapital so sichtbar.

Khoo Teck Puat Hospital Singapore von RMJM architects und CPG Consultants.

Fotos: Dr. Ruzica Bozovic Stamenovic

Klarheit & Short Cuts
Für die komplexen Anforderungen von Krankenhäusern seien möglichst klare räumliche Strukturen erforderlich, brachte es Professor Dr. Volkwin Marg, gmp Architekten, auf den Punkt. So zeigte er am Beispiel eines Masterplanes für die Weiterentwicklung eines  bestehenden Krankenhauses in Verona, wie durch eine radikale Neustrukturierung eine langfristige Entwicklungsperspektive gewährleistet werden kann. Der aktuelle, erfolgreiche Wettbewerbsbeitrag von gmp Architekten für eine Kinderklinik in Lausanne wiederum generiert auf dem Dach der Funktionsbereiche einen neuen, großzügigen Freiraum für den bestehenden Krankenhauscampus. Im Inneren sorgen tagesbelichtete Atrien mit Ausblick auf die Stadt für, wie Marg sagt, „ein Stückchen Güte“.

1. Preis Wettbewerb (2014) Kinderklinik Lausanne – gmp Architekten und JB Ferrari. Animation: JB Ferrari & Associés SA

Short Cuts sind eine ideale Möglichkeit, um große Krankenhäuser effizient und ansprechend zu gestalten, so der Däne Bo Boje Larsen von 3XN Architects. Dies zeigte er am Projekt für die Erweiterung des Rigshospitalet in Kopenhagen. Die gefaltete Grundrissfigur in Verbindung mit einer geradlinigen Magistrale als short cut erzielt eine Verkürzung der Wege bei Maximierung der Tageslichtflächen.

1. Preis Wettbewerb (2012) Erweiterung Rigshospitalet Kopenhagen von 3XN Architekten, Aarhus Arkitekterne, Grontmij, Kristine Jensen Studio und Nickl & Partner Architekten. Animation: 3XN and Aarhus Arkitekterne

Psychoakustisches Design
„Wie spricht ein Geräusch zu uns?” fragte Professor Dr. Brigitte Schulte-Fortkamp vom Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik der TU Berlin. Anhand von psychoakustischen Klassifizierungsparametern und Klangbeispielen erläuterte sie, wie das Design von Soundscapes zum Wohlbefinden in Krankenhäusern beitragen kann.

Akustische und visuelle Stressfaktoren auf Intensivstationen sind mit ein Grund für posttraumatische Belastungen bis hin zu kognitive Schäden von Patienten. Daher realisierte die Charité Universitätsmedizin Berlin gemeinsam mit GRAFT Architekten und einem großen Kreis an interdisziplinären Experten ein Modell- und Forschungsprojekt zur Gestaltung von Intensivpatientenzimmern. Hierzu wurden 2 Patientenzimmer einer bestehenden Intensivstation entsprechend umgebaut. Der Tag-/ Nachtrhytmus der Patienten wird durch die Lärmbelastung insbesondere der Geräte sowie die statische, starke Beleuchtung in herkömmlichen Intensivstationen erheblich gestört. Zusätzlich stelle die in der Regel langweilige und hässliche Deckenuntersicht als wesentlicher visueller Bezugspunkt ein relevantes Defizit dar, so Thomas Willemeit von GRAFT Architekten, an diesen Punkten setze das neue Design an. Die Geräte werden so weit wie möglich hinter einer holzfarbenen Verkleidung am Kopfende des Bettes versteckt, so dass die Geräuschbelastung sinkt und eine freundlichere, weniger technische Atmosphäre entsteht. Dies ist auch für die Angehörigen wichtig, deren Gesichtsausdruck überdies ein „Spiegel“ für den Patienten darstelle. Als zentrales Element für die Lichtsimulation eines Tag-/Nachtrhytmusses befinden sich über jedem Bett große, individuell steuerbare Lichtdecken. Diese können mit Filmprojektionen bespielt werden, so dass für die Patienten ein angenehmer visueller Bezugspunkt entsteht. Im Rahmen des Forschungsprojektes werden die neu gestalteten Intensivstationszimmer nun im Alltag getestet und bezüglich ihrer Effektivität erforscht.

Intensivpatientenzimmer, Charité Berlin, GRAFT Architekten. Foto: Tobias Hein

Die Auflösung des herkömmlichen Krankenhauses?
„Meine Theorie ist, dass wir das Krankenhaus im klassischen Sinne in Zukunft nicht mehr haben“ bringt es der Architekt Professor Hans Nickl überspitzt auf den Punkt, „die Notfallzentren und hochtechnisierte Bereiche wird es noch geben, aber vieles werden wir nicht mehr brauchen. Durch die enormen Rechenleistungen und entsprechende Geräte oder Apps kann vieles außerhalb des Krankenhauses ohne Arzt beim Patienten selber diagnostiziert werden. Drohnen bringen dann umgehend die erforderlichen Medikamente.“

Der Mediziner und Ökonom Dr. Dirk Richter unterstützte diese Vision mit seiner Präsentation der Konzepte des ThinkTanks „ConceptHealth“. Mit einer Reise in die Zukunft gab er einen  Ausblick was durch die digitalisierte und vernetze „Do-it-yourself“-Medizin in Kombination mit „Kaufhäusern der Gesundheit“ möglich sein könnte.

Zukunft
„Der Geist ist wie ein Fallschirm – er funktioniert nur, wenn er sich entfaltet.“ so das Leitmotiv von Professor George Mann von der Texas A&M University unter dem er in zahlreichen Kooperationen an internationalen Architekturprojekten für das Gesundheitswesen arbeitet. Die Forschungsprojekte der Universität werden dabei häufig mit wesentlicher Unterstützung durch private Architekturbüros durchgeführt. In Kombination mit der durch den Bauwelt-Redakteur Sebastian Redecke geforderten besseren Förderung der Forschungs- und Ausbildungsarbeit wäre dies auch eine wichtige Chance für die Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitswesens hin zu einer wünschenswerten Zukunft. Autor: Tobias Buschbeck, tobias buschbeck architektur, Berlin
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