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Interview: Bert Bielefeld – »Architektur planen«
Herr Bielefeld, Ihrem jetzt bei Birkhäuser erschienenen Fachbuch „Architektur Planen“ liegt ein grundsätzlich anderes Verständnis von „Entwurfslehre“ zugrunde, als anderen Standardwerken. Sie unterscheiden zunächst zwischen „Räumen“ und „Typologien“. Während es bei „Räumen“ um eher generische Aspekte von Gebäuden geht – z.B. um innere und äußere Erschließung, Arbeits- und Produktionsräume oder Sanitärräume –, widmet sich der Teil „Typologien“ spezifischen Bautypen. Im Bereich „Büro und Verwaltung“ werden beispielsweise die unterschiedlichen Szenarien vom Zellenbüro über das Großraumbüro bis zu aktuellen Non-territorialen Arbeitswelten durchgespielt. Was ist der Vorteil dieser Struktur?
Der Unterteilung in diese beiden Hauptteile liegt tatsächlich ein längerer Denk- und Systematisierungsprozess zugrunde. Reduziert man die vielschichtige Tätigkeit des Entwerfens auf typische Situationen außerhalb des eigentlichen Schaffensprozesses, so entspricht die Struktur des Buches den zwei wesentlichen Impulsen, in denen Entwerfende ein Buch der Entwurfslehre zur Hand nehmen: Entweder geht es um eine Typologie, über die man sich grundlegend informieren möchte, weil man ggf. zum ersten Mal ein Bürogebäude, eine Schule oder ein Schwimmbad entwirft, oder man benötigt konkrete Informationen zu einzelnen Räumen, wie z.B. zu Anordnung und Größen von Sanitärräumen oder Erschließungsbereichen. So ist der Bereich „Räume“ eher ein Nachschlagewerk, wo man über eine klare Struktur schnell typologieunabhängige Informationen findet. Der Bereich Typologien begleitet den Entwurfsprozess von spezifischen Gebäudetypologien und beschreibt die individuellen Herangehensweisen, die entwurfsbestimmenden Elemente und Nutzungsbereiche bis hin zu typologiespezifischen Räumen. Durch eine intelligente Navigation ist in den Typologiekapiteln auch immer ein Rückgriff auf die allgemeinen Räume möglich, die zentral im Bereich „Räume“ verortet sind. Somit werden Dopplungen von Informationen und unübersichtliche Suchprozesse ausgeschlossen.
Zusätzlich gibt es ein erstes Kapitel mit dem Titel „Maßstab Mensch“, das grundlegende Eigenschaften des Menschen hinsichtlich Motorik, Sensorik oder Kognition berücksichtigt. Menschliche Bedürfnisse an „weiche“ Raumeigenschaften wie Behaglichkeit, Wärme oder Luftfeuchtigkeit kommen ebenfalls vor. Ein weiterer Aspekt ist die Raumwahrnehmung beispielsweise in Bezug auf Raumgeometrien und Proportion. Menschen mit Einschränkungen in der Mobilität oder Wahrnehmung werden ebenfalls berücksichtigt, ebenso wie die variierenden Flächenbedarfe von Menschen je nach Aktivität oder Körpergröße. Hier geht es also immer wieder um den „Einzelnen“. Ist ein Aspekt von „Architektur planen“auch der Dialog zwischen organisatorischen Anforderungen eines Gebäudes und den Bedürfnissen des einzelnen Menschen? Eine Art „Ein- und Auszoomen“ auf unterschiedlichen Maßstabsebenen?
Fast alle unserer Elemente, mit denen wir Architektur gestalten, haben einen direkten Bezug zum Menschen, dessen Nutzungsweise und dessen Wohlbefinden – je nach Erwartungshorizont der Nutzer werden Raumproportionen überhöht oder funktional gestaltet. Räume, Elemente und Gegenstände werden so gestaltet, dass sie anthropometrisch und ergonomisch optimal genutzt werden können. Somit war der Mensch der natürliche Ausgangspunkt des Buches, dessen Maßstab über die Räume bis zur Typologie immer größer und komplexer wird. Das Einbeziehen von Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen gehört in unserer heutigen Gesellschaft ohne besondere Hervorhebung zu jeder Planungsaufgabe, um möglichst vielen Menschen eine selbstbestimmte Teilhabe am öffentlichen und privaten Leben zu ermöglichen. Daher sind Besonderheiten, z.B. bei den einzelnen Räumen jeweils auch dort integriert und nicht isoliert dargestellt.
Auch bei den einzelnen Typologien verfolgen Sie das Prinzip, einerseits konkrete, spezifische Beispiele zu zeigen, und daraufhin grundsätzliche Möglichkeiten der räumlichen Anordnung schematisch vorzustellen. Im Kapitel „Eingangsbereiche“ bei den Kulturbauten zum Beispiel das Foyer des Konzerthauses Harpa, die Erschließungsspirale des Guggenheim New York oder das Foyer der Oper in Kopenhagen. Nach welchen Kriterien haben Sie die Beispiele ausgewählt?
Im Buch werden gebaute Beispiele in der Regel nur dort eingesetzt, wo eine Visualisierung der beschriebenen Grundprinzipien zum Verständnis sinnvoll ist. Im Laufe des Entstehungsprozesses hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass universale Informationen als Entwurfsgrundlage auch ohne Beispiele gut darzustellen sind, um die freie Kreativität im Entwurfsprozess nicht durch Beispiele zu überlagern. Gerade im Bereich der von Ihnen benannten Kulturbauten ist eine Visualisierung jedoch sinnvoll, teils werden auch einzelne Räume über Beispiele visualisiert. Allen Beispielen gemein ist, dass sie in der Regel lineargrafisch dargestellt werden, um die wesentlichen Raumeigenschaften herauszufiltern.
Wie viele Gebäude haben Sie insgesamt untersucht für Ihre Publikation? Und welche Grundlagenwerke waren als Literatur besonders wichtig oder inspirierend?
Das lässt sich schwierig beziffern – derartige Konzepte entstehen aus einer Mischung eigener Erfahrungen in der praktischen Tätigkeit, einer eigenen umfangreichen Bibliothek, vielen Architekturreisen, der Beschäftigung mit Ikonen und guter Architektur, die sich im Laufe des Architektenlebens kumulieren. Schlussendlich wäre es mir persönlich sehr schwer gefallen, dieses Wissen zusammenzutragen, hätten nicht zehn engagierte Co-Autoren bei einzelnen Typologien ihre jeweilige Expertise eingebracht.
Es gibt kaum Fotos in Ihrem Buch, dafür eine Vielzahl an sehr klaren, teilweise hauchfeinen Zeichnungen, Grafiken und Schemata. Warum diese Reduktion?
Eine seit Jahrzehnten praktizierte Methode der Architekturlehre ist es, über gebaute Beispiele Wissen zu vermitteln. Entsprechend viel Literatur mit Beispielen guter Architektur ist am Markt verfügbar – einen Mehrwert hätte ich hier kaum liefern können. Aber gerade auf Grund der schnellen Verfügbarkeit von Bildern und Projektinformationen über das Internet war es mein grundlegendes Bestreben, dieses Buch nicht anhand von Beispielen aufzubauen, sondern allgemeingültige Essenzen aus der Vielfalt der jeweiligen Typologie zu ziehen. Die Darstellung von allgemeingültigen Herangehensweisen, Nutzungsskripten, Funktionsschemata und Raumzusammenhängen versetzt den Entwerfenden in die Lage, mit neutralen Basisinformationen in den eigenen Schaffensprozess einzusteigen, ohne zunächst gebaute Beispiele selbst auf die wesentlichen Elemente abstrahieren zu müssen. Zu Beginn jedes Typologiekapitels sind lineargrafisch einige exemplarische Ikonen dargestellt, die Anreiz sein können – aber nicht müssen –, sich tiefergehend mit einzelnen Projekten zu beschäftigen. Dies sehe ich als wesentliche Qualität des Buches an.
In meinen Augen ist Ihr Buch eine ebenso präzise wie anwendungsoffene Planungshilfe für Architekten und Planer. Was haben Sie selbst gelernt beim Schreiben dieses Buchs?
Um es zusammenzufassen: sehr viel! Als ich vor einigen Jahren auf Basis einer vagen Idee zu diesem Buch mit ersten Konzepten begann, war mir nicht klar, wie lange es dauern würde und wie oft ich die Inhalte immer wieder neu strukturieren würde. Neben vielen neuen typologiebezogenen Detailinformationen ist es vor allem dieser lange Prozess, der mir gezeigt hat, dass es sich lohnt, eigene Vorgehensweisen und eingetretene Pfade immer wieder zu hinterfragen und gleichzeitig nach allgemeingültigen Mustern und alternativen Wegen zu forschen. Dies hilft mir in der praktischen Tätigkeit als Architekt und bei meiner Lehrtätigkeit an der Universität Siegen sehr.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bielefeld!
Der Unterteilung in diese beiden Hauptteile liegt tatsächlich ein längerer Denk- und Systematisierungsprozess zugrunde. Reduziert man die vielschichtige Tätigkeit des Entwerfens auf typische Situationen außerhalb des eigentlichen Schaffensprozesses, so entspricht die Struktur des Buches den zwei wesentlichen Impulsen, in denen Entwerfende ein Buch der Entwurfslehre zur Hand nehmen: Entweder geht es um eine Typologie, über die man sich grundlegend informieren möchte, weil man ggf. zum ersten Mal ein Bürogebäude, eine Schule oder ein Schwimmbad entwirft, oder man benötigt konkrete Informationen zu einzelnen Räumen, wie z.B. zu Anordnung und Größen von Sanitärräumen oder Erschließungsbereichen. So ist der Bereich „Räume“ eher ein Nachschlagewerk, wo man über eine klare Struktur schnell typologieunabhängige Informationen findet. Der Bereich Typologien begleitet den Entwurfsprozess von spezifischen Gebäudetypologien und beschreibt die individuellen Herangehensweisen, die entwurfsbestimmenden Elemente und Nutzungsbereiche bis hin zu typologiespezifischen Räumen. Durch eine intelligente Navigation ist in den Typologiekapiteln auch immer ein Rückgriff auf die allgemeinen Räume möglich, die zentral im Bereich „Räume“ verortet sind. Somit werden Dopplungen von Informationen und unübersichtliche Suchprozesse ausgeschlossen.
Zusätzlich gibt es ein erstes Kapitel mit dem Titel „Maßstab Mensch“, das grundlegende Eigenschaften des Menschen hinsichtlich Motorik, Sensorik oder Kognition berücksichtigt. Menschliche Bedürfnisse an „weiche“ Raumeigenschaften wie Behaglichkeit, Wärme oder Luftfeuchtigkeit kommen ebenfalls vor. Ein weiterer Aspekt ist die Raumwahrnehmung beispielsweise in Bezug auf Raumgeometrien und Proportion. Menschen mit Einschränkungen in der Mobilität oder Wahrnehmung werden ebenfalls berücksichtigt, ebenso wie die variierenden Flächenbedarfe von Menschen je nach Aktivität oder Körpergröße. Hier geht es also immer wieder um den „Einzelnen“. Ist ein Aspekt von „Architektur planen“auch der Dialog zwischen organisatorischen Anforderungen eines Gebäudes und den Bedürfnissen des einzelnen Menschen? Eine Art „Ein- und Auszoomen“ auf unterschiedlichen Maßstabsebenen?
Fast alle unserer Elemente, mit denen wir Architektur gestalten, haben einen direkten Bezug zum Menschen, dessen Nutzungsweise und dessen Wohlbefinden – je nach Erwartungshorizont der Nutzer werden Raumproportionen überhöht oder funktional gestaltet. Räume, Elemente und Gegenstände werden so gestaltet, dass sie anthropometrisch und ergonomisch optimal genutzt werden können. Somit war der Mensch der natürliche Ausgangspunkt des Buches, dessen Maßstab über die Räume bis zur Typologie immer größer und komplexer wird. Das Einbeziehen von Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen gehört in unserer heutigen Gesellschaft ohne besondere Hervorhebung zu jeder Planungsaufgabe, um möglichst vielen Menschen eine selbstbestimmte Teilhabe am öffentlichen und privaten Leben zu ermöglichen. Daher sind Besonderheiten, z.B. bei den einzelnen Räumen jeweils auch dort integriert und nicht isoliert dargestellt.
Auch bei den einzelnen Typologien verfolgen Sie das Prinzip, einerseits konkrete, spezifische Beispiele zu zeigen, und daraufhin grundsätzliche Möglichkeiten der räumlichen Anordnung schematisch vorzustellen. Im Kapitel „Eingangsbereiche“ bei den Kulturbauten zum Beispiel das Foyer des Konzerthauses Harpa, die Erschließungsspirale des Guggenheim New York oder das Foyer der Oper in Kopenhagen. Nach welchen Kriterien haben Sie die Beispiele ausgewählt?
Im Buch werden gebaute Beispiele in der Regel nur dort eingesetzt, wo eine Visualisierung der beschriebenen Grundprinzipien zum Verständnis sinnvoll ist. Im Laufe des Entstehungsprozesses hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass universale Informationen als Entwurfsgrundlage auch ohne Beispiele gut darzustellen sind, um die freie Kreativität im Entwurfsprozess nicht durch Beispiele zu überlagern. Gerade im Bereich der von Ihnen benannten Kulturbauten ist eine Visualisierung jedoch sinnvoll, teils werden auch einzelne Räume über Beispiele visualisiert. Allen Beispielen gemein ist, dass sie in der Regel lineargrafisch dargestellt werden, um die wesentlichen Raumeigenschaften herauszufiltern.
Wie viele Gebäude haben Sie insgesamt untersucht für Ihre Publikation? Und welche Grundlagenwerke waren als Literatur besonders wichtig oder inspirierend?
Das lässt sich schwierig beziffern – derartige Konzepte entstehen aus einer Mischung eigener Erfahrungen in der praktischen Tätigkeit, einer eigenen umfangreichen Bibliothek, vielen Architekturreisen, der Beschäftigung mit Ikonen und guter Architektur, die sich im Laufe des Architektenlebens kumulieren. Schlussendlich wäre es mir persönlich sehr schwer gefallen, dieses Wissen zusammenzutragen, hätten nicht zehn engagierte Co-Autoren bei einzelnen Typologien ihre jeweilige Expertise eingebracht.
Es gibt kaum Fotos in Ihrem Buch, dafür eine Vielzahl an sehr klaren, teilweise hauchfeinen Zeichnungen, Grafiken und Schemata. Warum diese Reduktion?
Eine seit Jahrzehnten praktizierte Methode der Architekturlehre ist es, über gebaute Beispiele Wissen zu vermitteln. Entsprechend viel Literatur mit Beispielen guter Architektur ist am Markt verfügbar – einen Mehrwert hätte ich hier kaum liefern können. Aber gerade auf Grund der schnellen Verfügbarkeit von Bildern und Projektinformationen über das Internet war es mein grundlegendes Bestreben, dieses Buch nicht anhand von Beispielen aufzubauen, sondern allgemeingültige Essenzen aus der Vielfalt der jeweiligen Typologie zu ziehen. Die Darstellung von allgemeingültigen Herangehensweisen, Nutzungsskripten, Funktionsschemata und Raumzusammenhängen versetzt den Entwerfenden in die Lage, mit neutralen Basisinformationen in den eigenen Schaffensprozess einzusteigen, ohne zunächst gebaute Beispiele selbst auf die wesentlichen Elemente abstrahieren zu müssen. Zu Beginn jedes Typologiekapitels sind lineargrafisch einige exemplarische Ikonen dargestellt, die Anreiz sein können – aber nicht müssen –, sich tiefergehend mit einzelnen Projekten zu beschäftigen. Dies sehe ich als wesentliche Qualität des Buches an.
In meinen Augen ist Ihr Buch eine ebenso präzise wie anwendungsoffene Planungshilfe für Architekten und Planer. Was haben Sie selbst gelernt beim Schreiben dieses Buchs?
Um es zusammenzufassen: sehr viel! Als ich vor einigen Jahren auf Basis einer vagen Idee zu diesem Buch mit ersten Konzepten begann, war mir nicht klar, wie lange es dauern würde und wie oft ich die Inhalte immer wieder neu strukturieren würde. Neben vielen neuen typologiebezogenen Detailinformationen ist es vor allem dieser lange Prozess, der mir gezeigt hat, dass es sich lohnt, eigene Vorgehensweisen und eingetretene Pfade immer wieder zu hinterfragen und gleichzeitig nach allgemeingültigen Mustern und alternativen Wegen zu forschen. Dies hilft mir in der praktischen Tätigkeit als Architekt und bei meiner Lehrtätigkeit an der Universität Siegen sehr.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bielefeld!