Ausstellungskritik
In der Wunderkammer von Herzog & de Meuron
Die Herzog & de Meuron-Ausstellung in der Royal Academy of Arts in London zeigt Modelle aus dem Archiv der Architekten. Foto: © Royal Academy of Arts, London / David Parry. © Herzog & de Meuron
In der Royal Academy in London geben die Basler Architekten Herzog & de Meuron Einblicke in ihre Arbeitsweise und zeigen den Alltag in ihren Gebäuden.
In großen Holzschränken sind Modelle, Materialproben, Zeichnungen und Objekte ausgestellt. Foto: © Royal Academy of Arts, London / David Parry. © Herzog & de Meuron
Der erste Saal der Herzog & de Meuron-Ausstellung gibt sich als Wunderkammer. In großen Holzschränken sind Modelle, Materialproben, Zeichnungen und Objekte ausgestellt. Es sind Nachbildungen der Originale aus dem Archiv der Architekten. An den Wänden zeigen stimmungsvolle Farbdrucke von Projekten in Aufnahmen von Thomas Ruff und Andreas Gursky fast surreal vergrößerte Perspektiven auf die Gebäude. Es gibt auch eine Augmented Reality-App, die einfach zu bedienen ist und überdimensionale Ansichten von Gebäudedetails in den Blickpunkt bringt, die sich mit dem Galerieraum um einen herum überlagern.
Architektur und Alltag
Aufschlussreich sind auch zwei Filme im zweiten Raum. Der eine ist eine wunderschöne Installation aus drei Bildschirmen, auf denen Gebäude und ihre Umgebung im belebten Alltag zu sehen sind und zwar Jahre und Jahrzehnte nach ihrer Fertigstellung. Eine eindrucksvolle Erinnerung daran, dass sich zu viele Architekturkritiken und -fotografien auf das gerade fertiggestellte, sterile Gebäude konzentrieren. Das wahre Wesen von Architektur erschließt sich jedoch erst, wenn die Architekten längst nach Hause gegangen sind und sich die Bauten nach und nach mit Leben füllen.
Die Installationsansicht der Herzog & de Meuron-Ausstellung in der Royal Academy of Arts, London, zeigt Bêka & Lemoine, Rehab from rehab film, 2023. Foto © Royal Academy of Arts, London / David Parry. © Bêka & Lemoine
Der zweite Film beschäftigt sich mit der Basler Rehab-Klinik für Menschen mit neurologischen und körperlichen Beeinträchtigungen. Der Ansatz der Filmemacher Bêka & Lemoine ist unaufdringlich; die Architektur wird nicht erklärt, sondern ist lediglich Kulisse für den Alltag von fünf Patienten. Mit grünen Innenhöfen, lichtdurchfluteten Zimmern und dem Spa-ähnlichen Pool, ganz zu schweigen von dem beeindruckenden Verhältnis zwischen Personal und Patienten, wird deutlich, wie dieses Gebäude den Menschen bei der Heilung hilft. Die hohen Kosten für das durchdachte Projekt bleiben merkwürdigerweise unerwähnt.
Herzog & de Meuron. REHAB Basel, 1998-2002, 2018-19. Foto: © Katalin Deér
Prozesse der Planung
Der letzte Raum konzentriert sich auf ein einziges Projekt – das noch nicht fertiggestellte Kinderspital in Zürich. Der Raum zeigt alles, von detaillierten Zeichnungen bis hin zu Renderings, die den mühsamen computergestützten Prozess verdeutlichen, der heutzutage einen großen Teil der Architektur ausmacht. Der Film ist sehr technisch und wird Nicht-Fachleute eher weniger ansprechen. Diese sollten sich lieber die Filme und Fotos von Gursky und Ruff ansehen, in denen Architektur und Kunst miteinander verschmelzen, so wie es Herzog & de Meuron in ihren Werken tun – mit überzeugenden Ergebnissen. Der Besuch der Ausstellung lohnt sich allein schon deshalb. Doch insgesamt ist das uralte Dilemma, wie Architektur überzeugend ausgestellt werden kann, auch in dieser Ausstellung nicht gelöst.
Ausstellung: Herzog & de Meuron
Ausstellungsort: Royal Academy of Arts, Burlington House, Piccadilly, London (GB)
Ausstellungsdauer: 14. Juli bis 15. Oktober 2023
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr; Freitag 10–21 Uhr; montags geschlossen
Weitere Informationen: royalacademy.org.uk
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