Vom Gefängnis zum Hotel
Hotel Wilmina in Berlin
© Patricia Parinejad
Grüntuch Ernst Architekten haben den denkmalgeschützten Backsteinbau des ehemaligen Frauengefängnisses in eine ruhige Oase transformiert. Die Berliner kennen das neobarocke Gebäude in einer normalen Häuserreihe der Charlottenburger Kantstraße kaum. 1896 als Strafgericht erbaut, sieht es aus wie ein historistisches Bürgerhaus und war zuletzt ganz unscheinbar als Grundbucharchiv genutzt worden. Noch weniger bekannt, weil vom Straßenraum nicht einsehbar, ist das zugehörige Gefängnis, ein mehrflügeliger, backsteinerner Komplex im Hinterhof. Während der Nazizeit diente es als Frauengefängnis für Regimegegnerinnen.
Das behutsam sanierte Backsteindenkmal steht verborgen inmitten ineinanderfließender Höfe, umgeben von üppigem Grün.
© Patricia Parinejad
Architekteninitiative
Ein Investor wandte sich um 2010 an die Berliner Grüntuch Ernst Architekten, um mit ihnen zu erkunden, welche baulichen Möglichkeiten das unter Denkmalschutz stehende ehemalige Amtsgericht und Frauengefängnis bieten könne. Von den 1930er Jahren bis 1986 als Frauengefängnis genutzt, in dem auch viele Frauen des Widerstands inhaftiert worden waren, galt der Ort als historisch belastet.
Trotz mehrerer Gutachten mit verschiedenen Nutzungsoptionen verlor bald der Investor das Interesse, jedoch nicht die Architektinnen und Architekten. Diese erwarben 2012 den Komplex, um das Gerichtsgebäude in ein Kultur- und Kunsthaus und das Gefängnis in ein Hotel umzuwandeln.
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Sensible Transformation
Die Schwierigkeit des Gebäudebestands lag darin, dass er Großteils in einem von der Straße abgetrennten inneren Hofbereich lag, und die gesamte Raumstruktur kleinteilig und verwinkelt war. Es galt, einen abweisenden Ort in ein einladendes Gästehaus zu transformieren und den Dialog mit der Geschichte nicht zu scheuen.
Pendelleuchten von Bocci, die sich überall im Hotel wiederfinden, erhellen den Raum. © Patricia Parinejad
Schlafen hinter Gittern
Heute sind im Gebäude 44 Gästezimmer untergebracht, die Bandbreite reicht von kleinen Schlafkojen mit 11 m² bis zu mehreren Penthouse-Einheiten und einer Suite im ehemaligen Versammlungsraum mit 75 m².
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Jedes Zimmer ist als Unikat gestaltet, helle Farben sowie weiche Texturen prägen die unaufgeregte Atmosphäre. Für einige Zimmer wurden jeweils zwei oder drei Zellen durch Herausnahme der Trennwand zusammengefasst. Die Gitter der hoch liegenden Fenster blieben erhalten, die Fensteröffnungen wurden jedoch nach unten vergrößert, für mehr Lichteinfall und Ausblick auf Augenhöhe. Andere Zimmer fügen sich in ungewöhnlich geschnittene Nebenräume und entfalten ihren Charakter beim Eintreten. Eine Zelle im Originalzustand mit Schautafeln gibt Auskunft über die Geschichte des Hauses, gewissermaßen als Gedenkstätte, auch für die Zeit des Nationalsozialismus.
© Patricia Parinejad
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Grüne Akzente
Erhalten blieb auch die alte Galerieerschließung mit Atrium, das befreit von seinen früheren horizontalen Fallnetzen sich durch Helligkeit auszeichnet. Dem Niveau des Hauses angepasst ist das Restaurant Lovis im Erdgeschoss, für das der notwendige Raum durch Überdachung eines Innenhofs gewonnen wurde. Durch das Panoramafenster fällt der Blick aus dem Gastraum in einen üppig wuchernden Garten, der abends eindrucksvoll beleuchtet ist.
© Patricia Parinejad
Innovative Bauherrinnenschaft
Das Projekt zeigt beispielhaft, wie auch unter schwierigen Ausgangsbedingungen Lösungen für ein Bauen im Bestand gefunden werden können. Ebenso ist es exemplarisch für die Tendenz, dass Architektinnen und Architekten selber immobilienwirtschaftlich aktiv werden, um innovative Lösungen jenseits herkömmlicher Bauherrenschaften zu ermöglichen.
Mehr dazu in Detail 3.2023 und in unserer Datenbank Detail Inspiration.
Architektur: Grüntuch Ernst Architekten, Berlin
Bauherr: Wilmina GmbH
Standort: Kantstr. 79, 10627 Berlin (DE)
Tragwerksplanung: GTB-Berlin Gesellschaft für Technik am Bau, StudioC Nicole Zahner
Haustechnik: Ingenieurbüro Weltzer
Landschaftsplanung: Marc Pouzol Atelier le balto, Christian Meyer