Transluzentes Ziegel-Patchwork
Holocaust-Museum in Melbourne von Kerstin Thompson Architects
Der Erker der alten Apotheke bildet einen Fixpunkt in der variantenreichen Mauerwerksfront des Museums. © Derek Swalwell
Welcher architektonische Ausdruck ist adäquat für ein Gebäude, das an die Gräuel des Nationalsozialismus erinnert? Für das Melbourne Holocaust-Museum in Elsternwick, einem Vorort von Melbourne, machten Kerstin Thompson Architects Licht zu ihrem zentralen Entwurfsmotiv: Licht als Sinnbild der Bildung und Aufklärung für einen Neubau, den jährlich Hunderte von Schulklassen besuchen.
Hinter dem Patchwork aus Ziegeln und Glasbausteinen verbirgt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Wandkonstruktionen. © Derek Swalwell
Von außen ist das erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Ein historisches Erkerfenster und eine mit Glas verschlossene Bogentür an der Ecke sind die einzigen größeren Öffnungen in der Straßenfassade. Den Rest der Fläche bedeckt ein Patchwork aus grauen Ziegeln und Glasbausteinen in unterschiedlichen Mauerwerksverbänden.
Neues Mauerwerk umgibt historischen Putzgiebel
Die Kombination alter und neuer Bausubstanz verweist auf die Geschichte des Museums: 1984 wurde es auf Privatinitiative in einer ehemaligen Apotheke aus dem frühen 20. Jahrhundert gegründet. 1999 entstand daneben ein Erweiterungsbau nach Entwürfen von SJB Architects. Für die jüngste Umstrukturierung hatte sich der Bauherr ein so ambitioniertes Raumprogramm vorgenommen, dass es in keinem der beiden Bestandsbauten sinnvoll unterzubringen war. Das Ergebnis: Abriss der meisten Gebäudeteile mit Ausnahme des historischen Giebels, des markanten Ecktürmchens und eines Stücks Seitenwand an der südöstlichen Gebäudeecke.
Der zentrale Erschließungsbereich zieht sich in allen Etagen längs durch das ganze Haus. © Leo Showell
Höfe und Oberlichter bringen Licht ins Haus
In der Mitte des Hauses durchläuft eine hallenartige Erschließungszone die gesamte Gebäudetiefe. Auf jeder Ebene gibt es große Terrassen und im Erdgeschoss einen Innenhof mit Gedenkstätte. Die Gebäuderückseite ist weitgehend geschlossen mit hellem Ziegelmauerwerk und wenigen raumhohen Fenstern.
Das Treppenhaus öffnet sich zu einem kleinen Innenhof. Ein transluzentes Mauerwerks-Screen trennt diesen von der Straße. © Derek Swalwell
Richtung Straße öffnet sich der Erschließungsbereich zu einem Lichthof mit Birkenwald – eine für Australien exotische Baumart, die an Europa als Herkunftsregion der Holocaust-Überlebenden erinnern soll. Die Trennung zwischen Hof und Straßenraum bildet ein leichtes Mauerwerks-Screen, das nach oben hinzunehmend leichter wird. Ziegel und Glasbausteine sind im Wechsel auf Edelstahl-Gewindestangen aufgefädelt. Die gesamte Konstruktion wird auf der Rückseite von einem Stahlskelett gehalten.
Über Pfosten-Riegel-Fassaden erhalten auch die Büros im Obergeschoss Tageslicht aus dem Birkenhof. © Derek Swalwell
Offenheit und Sicherheit im Einklang
Hinter dem scheinbar so homogenen Mauerwerk an der Straße verbirgt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Räume und Wandkonstruktionen. In den unteren beiden Etagen sichern dicke Wände aus Betonfertigteilen und bewehrten Schalungssteinen das Haus vor potenziellen Sprengstoffanschlägen. Weiter oben ist die Fassade überall dort, wo die Räume Tageslicht benötigen, zweischalig aus Ziegeln und Glasbausteinen. In den Ausstellungsräumen dagegen kombinierten die Architekten einschaliges Mauerwerk mit dahinter liegenden, leichten Ständerwänden.
Mehr dazu in Detail 10.2023 und in unserer Datenbank Detail Inspiration.
Architektur: Kerstin Thompson Architects
Bauherr: Melbourne Holocaust Museum
Standort: 13 - 15 Selwyn Street, Elsternwick, Victoria, 3185 (AU)
Tragwerksplanung: Adams Engineer
Fassadenplanung: Inhabit
Landschaftsarchitektur: Tract
TGA-Planung, Akustik: Cundall
Immobiliensachverständiger: PLP
Brandschutz: Focussed Fire
Ausstellungsarchitektur: Thylacine
Projektsteuerung: DPPS Projects
Kostenplanung: Napier Blakely
Bauunternehmen: McCorkell Constructions