HochhausBestand

Wenn ein Bautypus das Bild unserer Innenstädte prägt, dann der des Bürohochhauses der Nachkriegszeit. In seinem kulturellen und architektonischen Wert wird er jedoch systematisch missachtet oder unterschätzt. Nicht selten fallen Bauten dieser Zeit der Abrissbirne zum Opfer, wenn auch – das muss gesagt sein – mehr als ein Fünftel aller zwischen 1955 und 1985 in Deutschland gebauten Bürohochhäuser heute unter Denkmalschutz stehen. 

Dass es hierfür erfolgreiche und gleichsam behutsame Strategien und Konzepte der Revitalisierung gibt, zeigt das neu bei Edition Detail erschienene Buch HochhausBestand. Herausgegeben haben es Andreas Putz, Professor für Neuere Denkmalpflege an der Technischen Universität München (TUM), und Hanne Rung, die bis vor kurzem am gleichen Lehrstuhl tätig war und nun an der Technischen Universität Wien zur Denkmalpflege und zum Bauen im Bestand forscht.

Interdisziplinäre Forschung

Die 160 Seiten starke Publikation HochhausBestand entstand in Zusammenarbeit mit weiteren Expertinnen und Experten der TUM und der Bauhaus Universität Weimar. Zusammen bilden sie ein Autoren- und Forschungsteam aus den Bereichen Städtebau, Architektur und Denkmalpflege, Ingenieurswesen, Nachhaltiges Bauen, Gebäudeschadstoffe und Bauphysik. Diese Interdisziplinarität spiegelt sich auch in der Bandbreite der Fachbeiträge wider: Hanne Rung und Heike Overmann etwa gehen auf die denkmalpflegerischen und städtebaulichen Dimensionen des Umgangs mit den Hochhäusern der Nachkriegsmoderne ein. Anica Mayer, Roland Göttig und Sebastian Koth beschäftigen sich mit der Bauphysik, Energie und Behaglichkeit, Anja Runkel mit den in den Gebäuden verbauten Schadstoffquellen jener Zeit.

Unterschiedliche Perspektiven

In den Interviews von Hanne Rung und Andreas Putz mit Gerhard G. Feldmeyer (HPP Architekten), Margit Sichrovsky (LSXY Architekten) und Joachim Grund (Henn Architekten) wird deutlich, wie Bauschaffende auf die Bürohochhäuser der 1950er- und 1960er-Jahre blicken und welche Erfahrungen sie in der Praxis damit machen. Vom Design- und Grafikbüro Strobo aus München konzipiert, beinhaltet das Buch zudem grafisch aufbereitete Fotos, Zeittafeln, Pläne und Tabellen – in ihrer Machart gleichen sie Röntgenbildern, quasi als tiefer Blick in die Vergangenheit.

Fünf Projektbeispiele aus fünf Bundesländern

Den inhaltlichen Schwerpunkt von HochhausBestand bilden die fünf unter Denkmalschutz stehenden Fallbeispiele: Das Plärrer- bzw. EWAG-Hochhaus in Nürnberg, das Commerzbank-Hochhaus (heute: Hotel Ruby Luna) in Düsseldorf, das Schweizer National-Haus (heute: NM1) in Frankfurt am Main, das Hahn-Hochhaus (heute: City-Tower) in Stuttgart und das Dorlandhaus bzw. Haus der Werbung in Berlin. Der bauzeitliche Zustand und die Sanierungen dieser Bauten sind in der Publikation analysiert und in zum Teil historischen Archivfotos, Übersichtsplänen und Detailschnitten dargestellt.

Das Commerzbank-Hochhaus/Hotel Ruby Luna in Düsseldorf, © Jens Weber

Die Leserinnen und Leser erkennen darin konstruktiv, bauphysikalisch und gebäudetechnisch unterschiedliche und mitunter gegensätzliche Lösungen. Das Fazit daraus könnte demnach lauten: Eine einheitliche Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit der Nachkriegsmoderne gibt es nicht – sehr wohl erfordert dieser aber Feingefühl und Wissen um ihren architektonischen und kulturellen Wert.