Gendertypische Raumwahrnehmung

(Foto: geralt / pixabay)

Ist Raumwahrnehmung universell oder durch individuelle Präferenzen verschiedener Gruppen geprägt? Gibt es nachweisbare Unterschiede der räumlichen Wahrnehmung von zwischen Männern und Frauen? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich das Team der psycholinguistics laboratories der TU Dortmund. Eine Eye-Tracking-Studie (DETAIL research berichtete: Architekten haben eine andere Wahrnehmung) belegte bereits, dass architektonisches Fachwissen als Expertise die Raumwahrnehmung deutlich beeinflusst. Auch der Faktor Sprache hat sich in Studien zu Raumwahrnehmung und -semantik als ausschlaggebend erwiesen. Die aktuelle Studie, die in Kooperation des Instituts für deutsche Sprache u. Literatur und dem Lehrstuhl Baukonstruktion (Professoren Ansgar u. Benedikt Schulz) durchgeführt wurde, belegt nun auch Geschlechtsunterschiede für die Versprachlichung von architektonischem Raum. Eine alltägliche Aufgabe: Beschreibung eines Raumes innerhalb der eigenen Wohnung
An der Studie nahmen 71 deutschsprachige Studierende der Universität Heidelberg (51 Frauen, 20 Männer) im Durchschnittsalter von 25,6 Jahren teil. Ihre Aufgabe bestand darin, das eigene Badezimmer für eine fiktive Reparatur zu beschreiben. Die Probanden mussten die Räumlichkeit aus dem Gedächtnis abzurufen. Es zeigte sich, dass die Studienteilnehmer zwei grundsätzlich unterschiedliche Beschreibungsstrategien nutzten: Bei der Listen-Strategie wurden die vorhandenen Merkmale des Raums aufgezählt, ohne dass diese räumlich miteinander in Verbindung gebracht wurden. Die Raum-Strategie beschreibt hingegen die einzelnen Elemente in ihrer räumlichen Lage in Beziehung gesetzt. Beide Strategien erwiesen sich bei Männern und Frauen als unterschiedlich verteilt: Frauen wählten signifikant häufiger die Listen-Strategie, Männer hingegen die Raum-Strategie. Kognitive Unterschiede
Eine klassische linguistische Analyse zeigte keine Geschlechtsunterschiede, weder in der Reichhaltigkeit des Wortschatzes noch in der syntaktischen Komplexität oder anderen linguistischen Vergleichskriterien. Dies kann durch den homogenen sozioökonomischen Hintergrund der Probanden, die alle Studierende waren, erklärt werden. Unterschiede zeigten sich hingegen auf der kognitiven Ebene. Es wird angenommen, dass es einerseits einen Zusammenhang zwischen der Art und Weise gibt, wie Raum wahrgenommen, gespeichert und erinnert wird, und andererseits, wie die erinnerte räumliche Information selektiert und sprachlich wiedergeben wird. Indem sich Sprecher auf mit dem Gebäude unmittelbar verbundene Objekte im Raum beziehen, beschäftigen sie sich gleichzeitig auch mit der Raumnutzung; also dem Zweck, für den der Raum geplant und gebaut wurde. Die Strategien sind jedoch unterschiedlich ausgerichtet: Die Raum-Strategie betont die Physikalität der Objekte, die immer auch eine Lage im Raum bedingt. Die Listen-Strategie benennt die vorhandenen Objekte, gibt aber Funktion und Nutzung Vorrang. Dabei bleibt offen, ob die Listen-Strategie ein Abstraktionsschritt ist und die räumlich erinnerte Information auslässt, ob die räumliche Information auf einer anderen Ebene abgespeichert ist, die für die Aufgabe nicht aktiviert wurde, oder ob die Gegenstände tatsächlich ohne Rauminformation erinnert werden. Geschlechtsabhängige Präferenzen
Die Lage von Objekten in Relation zu anderen Objekten zu erinnern und sie räumlich zu vernetzen ist kognitiv vorteilhaft, wenn es sich um unbewegliche oder wenig bewegliche Objekte handelt wie z.B. Waschbecken oder Fenster. Handelt es sich hingegen um oft und leicht bewegte Gegenstände wie einen Hocker, stellt die räumliche Zuordnung einen kognitiven Mehraufwand dar. Die von Frauen bevorzugte Listen-Strategie kann demnach als Expertise für die Objektkategorie 'oft bewegt' interpretiert werden. Hier ist es naheliegend, die Objekte in ihren funktionalen Zusammenhang wiederzugeben. Die Raum-Strategie kann als Expertise für 'selten bewegt' interpretiert werden. Die relative Lage der Objekte kann nur dann zu einer verlässlichen räumlichen Rekonstruktion führen, wenn der Standpunkt bzw. die Perspektive der Beschreibung eindeutig ist. Da die beschreibende Person selbst aber beweglich ist, macht es Sinn, bei der Beschreibung eine imaginäre Position im Raum einzunehmen, die verlässlich reproduziert werden kann (z.B. 'von der Tür aus gesehen', 'von oben gesehen'). Um diese Strategie erfolgreich anzuwenden, muss eine mentale räumliche Rotation vorgenommen werden. Für die Architektur bedeuten die Erkenntnisse der Studie, dass die Wahrnehmung von architektonischem Raum an sich nicht neutral ist, sondern vielmehr durch verschiedene Einflussgrößen des Betrachters geprägt ist. Ein weiterer und zukünftig zu untersuchender Aspekt für Raumbeschreibungen ist die Rolle des Kommunikationspartners und der damit verbundenen Intention des Sprechers.
Unterschiedliche Informationen werden grafisch durch charakteristische Linien- und Punktformen in der Reihenfolge umgesetzt (von oben nach unten), in der sie geäußert wurden. Die Anzahl der Informationen ist an den Wiederholungen der Figur oder der Linienlänge ablesbar. Räumliche Verbalisierungen sind sprachlich typischerweise in den kommunikativen Kontext eingebettet. Diese Meta-Informationen sind horizontal dargestellt (Begrüßung, Verabschiedung), die eigentliche Beschreibung vertikal. 
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