20.01.2025 Jakob Schoof

Für eine Kultur des Teilens

Thomas Wortmann © Norbert Barth

Welche Hoffnungen verbinden Architektinnen mit der Künstlichen Intelligenz? Für unsere Ausgabe 1/2.2025 haben wir dazu rund 20 Expertinnen befragt. Thomas Wortmann vom Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung der Universität Stuttgart hofft, dass der Siegeszug der KI mit einer verstärkten Open-Source-Kultur unter Architekturbüros einhergeht.


Wo nutzen Sie bereits Künstliche Intelligenz (KI) in Ihrer Arbeit und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Meine Abteilung am ICD nutzt KI-Methoden regelmäßig in Forschung und Lehre und entwickelt diese weiter. Dabei nutzen wir meist selbst-trainierte KI-Modelle, an Stelle bestehender Modelle wie Midjourney oder ChatGPT. Zum Beispiel nutzen wir Maschinelles Lernen um Werte, die entweder zeitintensive Simulationen benötigen oder für die keine Simulationsmodelle bestehen, in Echtzeit vorherzusagen. Beispiele für solche Werte sind der Energiebedarf, die Tageslichtqualität, und Windlasten von Gebäuden, das Verhalten von biobasierten, inhomogenen Materialien wie Holz und Fertigungszeiten in der robotischen Fabrikation. Diese KI-Modelle erlauben uns, Entwurfsentscheidungen mit Echtzeit-Informationen zu unterstützen und Optimierungsprozesse zu beschleunigen.

Neben diesen daten-basierten KI-Ansätzen nutzen wir auch einen regelbasierten, symbolischen Ansatz, sogenannte Wissensgraphen, zu einer flexibleren Art der BIM-Modellierung. Dieser Ansatz erlaubt eine standardisierte Repräsentation von beliebigen Konzepten, das Prüfen von Datenintegrität und automatisches Schlussfolgern über diese Konzepte. So können verschiedene Fachdisziplinen in der Gebäudeplanung verlustfrei Daten austauschen, zum Beispiel um die Einhaltung von Brandschutzvorgaben zu prüfen. Schließlich nutzen wir Graphen auch, um mit sogenannten Graph-basierten neuronalen Netzen dreidimensionale Gebäudeentwürfe und BIM-Modelle mit sinnvollen räumlichen Zusammenhängen zu generieren.

Wo hat die Nutzung von KI ihre Grenzen und welche Risiken birgt sie?
Die entscheidende Grenze von KI ist, dass KI zwar Muster aus Daten erlernt, aber kein Verständnis unserer Welt besitzt. KI besitzt somit auch kein Verständnis von grundlegenden räumlichen Konzepten wie oben und unten und links und rechts, und physikalischen Konzepten wie Schwerkraft. Wenn man etwas genauer hinschaut, lässt sich das leicht bei KI-generierten Bildern und Videos beobachten. Allgemeiner gesagt sind die heutigen KI-Modelle wie ChatGPT nicht verlässlich und machen öfter falsche Angaben, zum Beispiel zu Bauregeln. Das größte Risiko ist also, zu großes Vertrauen in die Ergebnisse von KI-Modellen zu haben.

Eine verwandte Grenze ist der Mangel an Daten über Gebäude, Architektur und Bauen im Allgemeinen. Das KI-Modelle nur von Daten lernen, und die Menge an Daten über Gebäude, Architektur und Bauen im Internet begrenzt ist, ist ein Grund, warum diese Modelle gerade in diesem Bereich wenig verlässlich sind. Aktuell wird verstärkt (elektrische und mentale) Energie in die Verarbeitung von Videos gesteckt. Die Verarbeitung großer Mengen von Videos könnte das räumliche Verständnis und die Verlässlichkeit von KI-Modellen allgemein verbessern. Ein anderer Ansatz, um die Verlässlichkeit von KI-Modellen zu erhöhen, ist daten-basierte KI-Methoden mit symbolischen KI-Methoden zu kombinieren, die sogenannte neurosymbolische KI.

Wie wird die KI Planungs- und Bauprozesse in den nächsten zehn Jahren verändern?
Mit symbolischer, also regelbasierter KI, lassen sich viele wiederholende Entwurfsaufgaben, wie etwa Mehrfamilien- und Bürogebäude automatisieren. Dazu können bildgenerierende KI-Modelle Visualisierungsaufgaben naturgemäß enorm beschleunigen. Ich erwarte daher, dass sich das Aufgabenfeld von Architektinnen auf spezifische und kulturell relevante Planungsaufgaben im Bestand konzentrieren wird.

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Welche Weiterentwicklung der KI wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass KI verlässlicher wird und zunehmend ein räumliches Verständnis besitzt. Daran arbeiten wir in meiner Abteilung. Ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung wäre, dass sich in der Architektur und im Bauen eine Open Data-Kultur des Sammelns und Teilens von Daten etabliert, analog zur Open Source-Kultur in der Informatik.



Alle Interviews zum Thema KI finden Sie in unserem Whitepaper zum Thema Architektur + Künstliche Intelligenz.

Mehr dazu in Detail 1/2.2025 und in unserer Datenbank Detail Inspiration.

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