Architekturbiennale 2023
Ein Pavillonkonzept und seine Tücken
Reparaturwerkstatt des deutschen Pavillons, © Arch+/Summacumfemmer/Büro Juliane Greb
Der deutsche Beitrag „Open for Maintenance – Wegen Umbau geöffnet“ zur Architekturbiennale 2023 in Venedig soll explizit keine Ausstellung sein. Was ist er sonst und kann das Konzept funktionieren?
Materialsammlung des deutschen Pavillons, © Arch+/Summacumfemmer/Büro Juliane Greb
Dass Deutschland zur weltgrößten Architekturschau tatsächlich Architektur präsentiert, ist schon länger her. 2021 etwa blieb der deutsche Pavillon komplett leer, die Ausstellungsinhalte waren ausschließlich in der Cloud zu sehen. Der Eindruck 2023 ist dagegen der einer überbordenden Fülle. Eine perfekt eingerichtete Do-it-yourself-Werkstatt, ein Kompostklo, eine Rollstuhlrampe und eine Teeküche hat das Kuratorenteam in den Räumen errichtet, dazu kubikmeterweise lackierte Sperrholzplatten, Kanthölzer und Trockenbauprofile fein säuberlich sortiert im zentralen Ausstellungssaal aufgeschichtet. Alles Gebrauchtmaterialien, oder genauer: Hinterlassenschaften der letzten Kunstbiennale 2022. Eine „Instandbesetzung“ des deutschen Pavillons soll hier bis November stattfinden. Die Hausbesetzer sind überwiegend Studierende und Auszubildende aus dem Handwerk, die während eines Stipendiatenprogramms Reparaturarbeiten in und um Venedig durchführen.
Alte Botschaft, neu verpackt
Die Botschaft, dass Instandhaltung unverzichtbar, dass Bestandserhalt und Kreislaufwirtschaft alternativlos sind, vermittelt der deutsche Pavillon eindrücklich. Und mit dem Vorhaben, realen Nutzen für die Stadtgesellschaft zu stiften, zählt er zu den ambitioniertesten Beiträgen dieser Architekturbiennale.
Die Hinterlassenschaften der letzten Kunstbiennale sind im Ausstellungssaal sortiert aufbewahrt. © Arch+/Summacumfemmer/Büro Juliane Greb
Das Problem dabei ist zweifacher Natur. Erstens ist all dies weder neu, noch wird es hier auf besonders innovative Weise inszeniert. Schon 2010 stellte das belgische Kollektiv Rotor abgewetzte Bodenbeläge, Wandpaneele und Schreibtischplatten alter Bürogebäude, eindrucksvollen Kunstwerken gleich, bei der Architekturbiennale aus. 2013 füllte die Künstlerin Lara Almárcegui den spanischen Pavillon mit genau den Materialien, aus denen er besteht – 254 m³ Ziegel; 101 m³ Beton; 49 m3 Holz; 2 m² Glas und einigem mehr. 2016 gestaltete Kurator Alejandro Aravena den Eingangsraum des Arsenale mit übriggebliebenen Trockenbauprofilen und Gipskartonplatten von der Kunstbiennale des Vorjahrs. Und die Idee, einen Biennale-Pavillon zum Werkstattbetrieb umzufunktionieren, hatte bereits das japanische Kuratorenteam 2021. Sie fiel dann allerdings der Corona-Pandemie zum Opfer.
Teeküche, © Arch+/Summacumfemmer/Büro Juliane Greb
Versammlungsbereich, © Arch+/Summacumfemmer/Büro Juliane Greb
Partizipation ohne Publikum
Zweitens ist der deutsche Beitrag weniger inklusiv, als er sich gibt. Welche Besucherin käme ernsthaft auf die Idee, in der Teeküche eine Tasse Kaffee zuzubereiten oder in der Werkstatt – die angeblich jedermann offenstehen soll – den dort Arbeitenden in die Quere zu kommen? Auch das im Pavillon bereitliegende Brettspiel „Trivial Circuit“, mit dem das Biennale-Publikum die Planungsprozesse beim zirkulären Bauen besser verstehen soll, dürfte weitgehend ungenutzt bleiben. Dem klassischen Venedig-Besucher, der für das Arsenale und die Länderpavillons in den Giardini in Summe nur ein bis zwei Tagen übrighat, fehlt dafür schlicht die Zeit.
© Arch+/Summacumfemmer/Büro Juliane Greb
© Arch+/Summacumfemmer/Büro Juliane Greb
Ausgang (vorerst) offen
Was also bleibt von diesem Biennale-Auftritt, der laut Kuratorenteam einen neuen „Handlungsansatz für eine neue Baukultur“ präsentieren will? Abgesehen von Instagramfotos, die Lüftungskanäle neben blauen Styroporsäulen zeigen? Am ehesten noch die Arbeitsergebnisse der Nachwuchsarchitekten und –handwerkerinnen, die mit dem vorgefundenen Material im Gebäude arbeiten. Den Fortschritt ihrer „räumlichen Sorgearbeit“ – noch ein O-Ton der Kuratoren – zeigen sie während der Biennale auf einem Instagram-Kanal. Nach Ende der Veranstaltung soll auch eine umfangreichere Dokumentation erscheinen. Man darf also gespannt sein, ob und wo das bunte Materiallager aus dem deutschen Pavillon letztlich endet – in Venedigs reparaturbedürftigen Altbauten oder auf dem örtlichen Wertstoffhof.
Veranstaltung: 18. internationale Architekturbiennale Venedig
Ausstellungsdauer: 20. Mai bis 26. November 2023
Ausstellungsort: Venedig (IT)
Kuratorisches Team des deutschen Pavillons: Arch+, Summacumfemmer, Büro Juliane GrebA