Interview mit Tatiana Bilbao
Der Klimawandel und die soziale Frage
Tatiana Bilbao, © Luis Garvan
Für Tatiana Bilbao aus Mexico City sind Diversität und gegenseitige Fürsorge notwendig, um den Klimanotstand zu bekämpfen. Im Gespräch mit Sandra Hofmeister beschreibt sie, welches Potenzial die Architektur dabei hat. Das Interview ist in der Neuerscheinung Architektur und Klimawandel von Edition Detail erschienen.
Mexico City pumpt über weite Strecken Wasser in das Stadtgebiet. Aber die zunehmenden Dürren und der Klimawandel führen zu Engpässen bei der Versorgung, Wasser wird zu einer immer wertvolleren Ressource. Bist Du Optimistin oder Pessimistin, wenn es um die Zukunft der Stadt geht?
Mexico City wird sicher weiterhin existieren. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es noch Menschen in der Stadt geben wird. Seit den 1970er-Jahren leitet das Cutzamala-System Wasser von weit her, bis aus dem Bundesstaat Hidalgo, über die Berge in das Tal von Mexico City. Wir sind in unserer Grundversorgung abhängig von anderen Teilen des Landes. Das ist verrückt, besonders wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass Mexico City an einem See gegründet wurde. Die Azteken siedelten an seinem Ufer, für sie war er überlebenswichtig. Aber dann kamen die Spanier mit einer dogmatischen Vorstellung davon, wie Städte sein sollen. 300 Jahre lang setzten sie alles daran, den See trockenzulegen. Noch heute leben wir in Mexiko City auf seinem schlammigen Boden, der weiter austrocknet. Und das umso mehr, da das Regenwasser nicht versickern kann. Wir brauchen also dringend einen Plan, wie wir in Mexico City überleben können. Es ist keine Lösung, Wasser aus anderen, noch weiter entfernten Regionen zu uns zu leiten, bis es auch dort keines mehr gibt.
Architektur und Klimawandel. 20 Interviews zur Zukunft des Bauens, © Edition Detail, München 2024
Dann geht es um ein grundsätzliches Neudenken?
Wir müssen zusammenarbeiten und Verständnis füreinander entwickeln. In meinen Augen ist der grundsätzliche gesellschaftliche Wandel insgesamt entscheidend für die Zukunft. Derzeit sind finanzielle und wirtschaftliche Beziehungen das Fundament unserer Gesellschaft. Eigentlich aber sollte die Grundlage sein, füreinander Sorge zu tragen – ebenso wie für alles, was uns umgibt. Dazu muss sich unser Verhältnis zu Menschen und Dingen radikal ändern.
Wo fangen wir an?
Bisher sind wir verschwenderisch mit Ressourcen umgegangen. Künftig müssen wir sie bedacht nutzen, gerechter verteilen und soziale Verantwortung übernehmen. Ich glaube nicht, dass wir neue Dinge erfinden müssen. Schließlich können wir alles nutzen, was es schon gibt – allerdings müssen wir es sinnvoller und verantwortlicher einsetzen.
Mehr dazu in der Neuerscheinung Architektur und Klimawandel.
Blick ins Buch: Hier blättern.
Architektur und Klimawandel. 20 Interviews zur Zukunft des Bauens.
Herausgeberin: Sandra Hofmeister
Sprachen: Deutsch, Englisch
Erscheinungsdatum: April 2024
Verlag: Edition Detail, München 2024
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