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Das weiche Haus: Werner Aisslingers "Home of the Future"
Berlin-Zehlendorf hat einen neuen Laufsteg – und zwar einen für Häuser, Autos und andere Dinge: Mit der Eröffnung der Ausstellung „Werner Aisslinger: Home of the Future“ kleidet sich auch das Ausstellungshaus selbst – die ehemalige Villa „Haus am Waldsee“ – in ein neues Gewand. Ein farbenfroher Behang aus Stoff schmückt die Giebelfront des alten Anwesens an der Argentinischen Allee, das seit einigen Jahren von der Kuratorin Katja Blomberg neben Kunstausstellungen immer wieder auch mit Schauen zu Design und Architektur bespielt wird. Dabei will Aisslinger mit dem Fassadenbehang auf das Design-Thema „Up-Cycling“ verweisen – ebenso wie mit dem neuen „Anzug“, den er seinem alten Porsche verpasst hat, der vor dem Eingang der Villa parkt.
Datum: 21. April 2013 – 09. Juni 2013
Ort: Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 14163 Berlin
Datum: 21. April 2013 – 09. Juni 2013
Ort: Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 14163 Berlin
Die weiche Wand
Mit Up-Cycling ist die Wertsteigerung eines zwar funktionsfähigen, aber ästhetisch nicht mehr zeitgemäßen und dadurch Wegwurf-gefährdeten Produkts innerhalb unseres Wertstoffkreislaufs gemeint. Um die innerhalb dieses Produkts oder auch eines Gebäudes gespeicherte „Graue Energie“ nicht mitsamt demselben zu entsorgen, denkt man inzwischen immer häufiger nicht nur über deren Wiederverwertung – im Sinne eines Re-Use oder Re-Cycling – sondern eben auch über dessen ästhetische Auf-Wertung – Up-Cycling – nach. Aisslinger versteht seine Kunstinstallation vor und an der Fassade des Hauses am Waldsee daher als Kommentar zu unserem Umgang mit Altem und Neuem, Temporärem und Langlebigem, Nützlichem und Schönem. Dabei geht es weniger um die tatsächliche Funktionsfähigkeit der Installation – die eingesetzten Wollstoffe sind nicht zum Wetterschutz geeignet –, mit der ästhetischen Provokation einer weichen Hülle will Aisslinger vielmehr zum Nachdenken anregen: Ist das nun Schutz, Schmuck oder Tarnung?
Mit Up-Cycling ist die Wertsteigerung eines zwar funktionsfähigen, aber ästhetisch nicht mehr zeitgemäßen und dadurch Wegwurf-gefährdeten Produkts innerhalb unseres Wertstoffkreislaufs gemeint. Um die innerhalb dieses Produkts oder auch eines Gebäudes gespeicherte „Graue Energie“ nicht mitsamt demselben zu entsorgen, denkt man inzwischen immer häufiger nicht nur über deren Wiederverwertung – im Sinne eines Re-Use oder Re-Cycling – sondern eben auch über dessen ästhetische Auf-Wertung – Up-Cycling – nach. Aisslinger versteht seine Kunstinstallation vor und an der Fassade des Hauses am Waldsee daher als Kommentar zu unserem Umgang mit Altem und Neuem, Temporärem und Langlebigem, Nützlichem und Schönem. Dabei geht es weniger um die tatsächliche Funktionsfähigkeit der Installation – die eingesetzten Wollstoffe sind nicht zum Wetterschutz geeignet –, mit der ästhetischen Provokation einer weichen Hülle will Aisslinger vielmehr zum Nachdenken anregen: Ist das nun Schutz, Schmuck oder Tarnung?
Symbiotische Hybride
Im Inneren der Ausstellungsräume setzt sich der Parcours fort. Dabei interpretiert Aisslinger die einzelnen Funktionsbereiche eines Wohnhauses – wie es das Haus am Waldsee ursprünglich war – neu und setzt sie zu aktuellen Trends in Design und Forschung in Beziehung. So wird die Küche zum Hybrid aus Koch-Werkstatt und Bio-Labor, in dem Aquarien und Pflanzentöpfe eine symbiotische Einheit bilden: Während die Aquarien den Pflanzen Wasser spenden und die Ausscheidungen der Fische ihnen Dünger liefern, sorgen die Pflanzen selbst mit ihrem Stoffwechsel für die Reinigung des Wassers. Einen Raum weiter wird der Designer mit seiner „Chair Farm“ zum Baubotaniker von Stühlen: In einem Gewächshaus werden Pflanzensetzlinge so in Form gebracht, dass sie den Umriss eines Stuhls nachzeichnen. Die genetische Programmierung von Pflanzen, die sie ohne äußere Einwirkung quasi Chromosomen-gesteuert zum Stuhl oder einem anderen Produkt wachsen lässt, impliziert Aisslinger gleich mit.
Im Inneren der Ausstellungsräume setzt sich der Parcours fort. Dabei interpretiert Aisslinger die einzelnen Funktionsbereiche eines Wohnhauses – wie es das Haus am Waldsee ursprünglich war – neu und setzt sie zu aktuellen Trends in Design und Forschung in Beziehung. So wird die Küche zum Hybrid aus Koch-Werkstatt und Bio-Labor, in dem Aquarien und Pflanzentöpfe eine symbiotische Einheit bilden: Während die Aquarien den Pflanzen Wasser spenden und die Ausscheidungen der Fische ihnen Dünger liefern, sorgen die Pflanzen selbst mit ihrem Stoffwechsel für die Reinigung des Wassers. Einen Raum weiter wird der Designer mit seiner „Chair Farm“ zum Baubotaniker von Stühlen: In einem Gewächshaus werden Pflanzensetzlinge so in Form gebracht, dass sie den Umriss eines Stuhls nachzeichnen. Die genetische Programmierung von Pflanzen, die sie ohne äußere Einwirkung quasi Chromosomen-gesteuert zum Stuhl oder einem anderen Produkt wachsen lässt, impliziert Aisslinger gleich mit.
Das Objekt als Asymptote
Im Wohnzimmer verwandelt sich ein langer Tisch in eine Bühne für unterschiedliche Objekte, deren Funktion man noch nicht kennt, sie sind jedoch sämtlich geometrische Interpretationen oder Ableitungen organischer Strukturen. Das entsprechende Auditorium dazu ist ein Sofa, das sich über drei Stufen in die Höhe entwickelt. Damit verweist Aisslinger indirekt auch auf den urbanen Raum – er selbst spricht von der Spanischen Treppe. Gleichzeitig schafft er so eine spiegelartige Verbindung zur Eingangs-Installation: Während er dort ein dem Innenraum zugedachtes Material – einen Wollstoff – nach außen kehrt, versetzt er im Wohnzimmer die Schwellensituation der Treppe in den Innenraum. Bemerkenswert ist das Badezimmer, das mit seinen drei offenen Kammern einer ähnlichen Regaltypologie folgt wie die Küche: Auch hier spielen Pflanzen und innovative Materialien eine Rolle. Aisslinger verwendet nämlich einen bionischen Spezialstoff, dessen Funktionsweise den Nebelkäfern in der Wüste abgeschaut ist: Das Textil kann Dampf absorbieren und dient so als Feuchtigkeitsträger für die Pflanzen.
Im Wohnzimmer verwandelt sich ein langer Tisch in eine Bühne für unterschiedliche Objekte, deren Funktion man noch nicht kennt, sie sind jedoch sämtlich geometrische Interpretationen oder Ableitungen organischer Strukturen. Das entsprechende Auditorium dazu ist ein Sofa, das sich über drei Stufen in die Höhe entwickelt. Damit verweist Aisslinger indirekt auch auf den urbanen Raum – er selbst spricht von der Spanischen Treppe. Gleichzeitig schafft er so eine spiegelartige Verbindung zur Eingangs-Installation: Während er dort ein dem Innenraum zugedachtes Material – einen Wollstoff – nach außen kehrt, versetzt er im Wohnzimmer die Schwellensituation der Treppe in den Innenraum. Bemerkenswert ist das Badezimmer, das mit seinen drei offenen Kammern einer ähnlichen Regaltypologie folgt wie die Küche: Auch hier spielen Pflanzen und innovative Materialien eine Rolle. Aisslinger verwendet nämlich einen bionischen Spezialstoff, dessen Funktionsweise den Nebelkäfern in der Wüste abgeschaut ist: Das Textil kann Dampf absorbieren und dient so als Feuchtigkeitsträger für die Pflanzen.
Homes of Futures
Aisslinger ist ehrlich genug, zuzugeben, dass er weder der Erste noch der Einzige ist, der mit ironischen Funktionsverschiebungen, mit Materialinnovationen oder Bionik arbeitet, aber es ist immer wieder beeindruckend, wie er virulente Trends der Designwelt auf den Punkt bringt und ihnen eine diskussionswürdige Form gibt. Diese Haltung und seine Inspirationsquellen zeigt er auch im Empfangsraum des Hauses am Waldsee. In der Diele verweist der 1964 geborene Designer sowohl auf seine Biografie als auch die Ursprünge der Ausstellung „Home of the Future“, sie ist gleichzeitig ihre räumliche Schnittstelle. Von hier aus geht es nämlich ins Obergeschoss, wo keine Zukunftsszenarien, sondern die bekannten Produkte und Möbel von Studio Aisslinger gezeigt werden. Vor einer Fotocollage aus Sixties-Ikonen – von Brigitte Bardot bis zum Dymaxion-House von Richard Buckminster Fuller – hängt in der „Diele“ ein Modell des Loftcube, jenem aufgeständerten, kubischen Pavillon, dessen Original im Garten des Hauses am Waldsee steht. Den Loftcube hatte Aisslinger um die Jahrtausendwende als mobiles Haus entwickelt, als Vision und Angebot für den modernen Stadtnomaden, die Dächer der Metropolen zu besiedeln. Auch er war eben bereits ein „Home of the Future“.
(Cordula Vielhauer)
Weitere Informationen:
www.hausamwaldsee.de
Die Ausstellung findet in Kooperation mit dem DMY International Design Festival Berlin statt, dessen Gründungsmitglied Werner Aisslinger ist. Sie wird von zahlreichen Firmen unterstützt, Medienpartner ist unter anderem das GRID Magazin.
Aisslinger ist ehrlich genug, zuzugeben, dass er weder der Erste noch der Einzige ist, der mit ironischen Funktionsverschiebungen, mit Materialinnovationen oder Bionik arbeitet, aber es ist immer wieder beeindruckend, wie er virulente Trends der Designwelt auf den Punkt bringt und ihnen eine diskussionswürdige Form gibt. Diese Haltung und seine Inspirationsquellen zeigt er auch im Empfangsraum des Hauses am Waldsee. In der Diele verweist der 1964 geborene Designer sowohl auf seine Biografie als auch die Ursprünge der Ausstellung „Home of the Future“, sie ist gleichzeitig ihre räumliche Schnittstelle. Von hier aus geht es nämlich ins Obergeschoss, wo keine Zukunftsszenarien, sondern die bekannten Produkte und Möbel von Studio Aisslinger gezeigt werden. Vor einer Fotocollage aus Sixties-Ikonen – von Brigitte Bardot bis zum Dymaxion-House von Richard Buckminster Fuller – hängt in der „Diele“ ein Modell des Loftcube, jenem aufgeständerten, kubischen Pavillon, dessen Original im Garten des Hauses am Waldsee steht. Den Loftcube hatte Aisslinger um die Jahrtausendwende als mobiles Haus entwickelt, als Vision und Angebot für den modernen Stadtnomaden, die Dächer der Metropolen zu besiedeln. Auch er war eben bereits ein „Home of the Future“.
(Cordula Vielhauer)
Weitere Informationen:
www.hausamwaldsee.de
Die Ausstellung findet in Kooperation mit dem DMY International Design Festival Berlin statt, dessen Gründungsmitglied Werner Aisslinger ist. Sie wird von zahlreichen Firmen unterstützt, Medienpartner ist unter anderem das GRID Magazin.