»Brave New World?«

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Die diesjährige Munich Creative Business Week MCBW hat sich das Thema »Smart Revolution« auf die Fahnen geschrieben. Mit der Wahl des Partnerlandes Korea finden die Themen rund um Smart Revolution einen fruchtbaren Boden, denn die Koreaner gelten als »Early Adopters«, was die Aufgeschlossenheit und Nutzung neuer Technologien betrifft. Nachdem Schnitzer& während der MCBW die Rolle der Architektur stärken möchte, liegt das Thema »Smart City« auf der Hand. Zumal eine der weltweit am erfolgreichsten geltenden smart cities in Korea liegt. Die Planstadt Songdo IBD ist ein privat finanziertes 35 Billionen Dollar schweres Immobilienprojekt, strategisch günstig gelegen und mit der neuesten Technologie ausgerüstet. Der 18 Fahrminuten entfernte Flughafen Incheon International Airport lässt die Bewohner Songdos binnen eines dreieinhalb stündigen Fluges ein Drittel der Weltbevölkerung erreichen. Der ideale Standort für global agierende Unternehmen. In der ubiquitären Stadt Songdo kann die Informations- und Kommunikationstechnologie hinter dem Wort Smart City erfahren und getestet werden.

Durch die Nutzung eines intelligenten Abwasser- und Abfallsystem, ökologischen Mobilitätskonzepten, Katastrophenmanagement und der Überwachung und Auswertung aller Daten aus den einzelnen Haushalten können 30 Prozent der Energie und Ressourcen eingespart werden. Der Begriff »Smart City« wird mittlerweile nicht nur in Bezug auf neu entstehende Städte benutzt, sondern auch um traditionellen Städten ein gutes Label zu geben. Dahinter verbirgt sich ein rasant wachsender Markt. Laut einer Studie von ARUP (1) wird der Weltmarkt für intelligente Städte bis zum Jahr 2020 auf 400 Billionen Dollar geschätzt.

Der Masterplan von Songdo IBD ist so angelegt, dass Arbeitsplätze, Schulen und Freizeiteinrichtungen in 15 Minuten fußläufig erreichbar sind und den Bewohnern 40% Grünfläche mit venezianisch anmutenden Kanälen, Golfplatz und einem eigenen Central Park zur Verfügung stehen. Dies brachte den Entwicklern KPF den Sustainable Cities Award (Urban Land Institute, Financial Times 2008) und den People's Choice Award for Urban Design (HKIA 2007) ein.

Derzeit leben etwa 45.000 Menschen in Songdo IBD und zählen damit fast zwei Drittel der vorgesehenen 75.000 Einwohner. Dennoch ist der öffentliche Raum eher leergefegt und zeigt einen Gegensatz zu den lebhaften Straßen und Plätzen traditioneller asiatischer Städte. Jonathan Thorpe, CIO des amerikanischen Projektentwicklers Gale International, die Songdo gebaut haben, sagt: »es sind die Einwohner, die eine Stadt machen.« (2) Nun ist die intelligente Stadt ein perfektes geschlossenes System, durchgeplant und ausgestattet mit der neuesten Technologie. Die Frage stellt sich, wie diese Stadt wachsen kann. Wie flexibel kann ein geschlossenes System auf eine wachsende oder schrumpfende Population eingehen? Heute ist die Technik auf dem neuesten Stand, aber wie kann eine technische Ausstattung nach 5, 10 oder 15 Jahren ausgetauscht oder ergänzt werden? Wie anfällig ist diese Technologie gegen Hacking Angriffe?

Die Direktorin von IBM Research Dr. Lisa Amini sagt: »We need to build cities that adapt to the needs of their citizens but previously it was not possible because there was not enough information,« (3) Ein Feedbackloop durch digitale Kontrolle ermöglicht das maßgeschneiderte Lebensumfeld für die neuen Bewohner von Songdo. Dabei spielt das Thema Big Nudging eine große Rolle. Nudging beschreibt den Versuch der Industrie das Verhalten der Nutzer in eine bestimmte - möglichst ressourcenschonende -  Richtung zu »schubsen«. Als Beispiel hierzu kann gelten, dass neuere Drucker ein Blatt Papier automatisch beidseitig bedrucken, um den Papierverbrauch zu senken. Der Nutzer muss eine andere Einstellung extra vornehmen, wenn er den werkseitigen Vorschlag nicht akzeptieren möchte. Big Nudging beeinflusst das Verhalten der Bewohner einer ganzen Stadt. Über digitale Erfassung des Wasser- und Stromverbrauchs können die Bewohner nicht nur ihre persönlichen Daten einsehen, sondern auch die Statistiken ihrer Nachbarn. Der dadurch entstehende Wettbewerb bringt die Nutzer dazu, sich ökologisch disziplinierter zu verhalten.

Die Kontrollzentren der Stadtverwaltung werten die Daten aus und können die Verteilung optimieren. Was erwiesenermaßen gut für die Umwelt ist, klingt für Europäer nach einem Verlust an informationeller Selbstbestimmung. Der Begriff »Smart City« wird für vieles genutzt und kontrovers aufgenommen. Während er traditionell gewachsenen Städten zu einem facelift verhilft, bedeutet er auf anderen Teilen der Welt die Rettung aus Smog und Verkehrschaos.

Zu unserer Podiumsdiskussion haben wir sechs Teilnehmer aus unterschiedlichen Disziplinen eingeladen, um den Begriff »Smart City« anhand von Songdo zu beschreiben.

Monica Bernardi ist Soziologin aus Mailand, die sich mit Koreanischen Städten und mit dem Forschungsfeld »Quality of Life in the Information Society« beschäftigt. Ihre Erfahrungen über die Koreanische Haltung gegenüber dem Begriff Sharing City beschreibt sie wie folgt: »Korean culture is probably making the difference in this project since commitment, respect, discipline and caution are values deeply rooted in the Korean people. I got the distinct impression that Seoulites, and Koreans in general, are taking up the challenge seriously — from the institutional structures and the public administration, to the committed private companies, they are all playing their role to give the country the essential economic, environmental, cultural and social relief that it needs.«

Der koreanische Architekt Minsuk Cho arbeitete nach seinem Studium an der Yonsei University in Seoul und der Columbia University in New York in den USA und bei OMA in den Niederlanden, bevor er 2003 MASS studies in Seoul gründete. Das Büro erhielt zahlreiche Preise, unter anderem bekam 2014 Minsuk Cho den Goldenen Löwen für den Koreanischen Biennale Pavillon in Venedig. Seine Innensicht auf Korea aber auch die Auseinandersetzung mit der Repräsentanz eines Landes wird ein wertvoller Beitrag der Diskussion sein.

Julian Cross ist einer der Direktoren der global agierenden Architekturfirma KPF, die den Masterplan von Songdo erstellt haben. Er ist derzeit mit einem Masterplan in London beschäftigt, der letztendlich 30.000 Bewohner beherbergen wird. Also die Größe einer kleinen Stadt. Seine Ansätze für die Entwicklung dieser »Smart urban Neighbourhoods« beschreibt er in dem folgenden Zitat: »This large development needs to function as a democratic neighbourhood creating a place to live for people from a broad strata of social and economic groups whilst finding its place as a new local centre within London. It presents the opportunity to balance empathy and systems in creating a new place whilst still needing to integrate with the existing city around it.«

Um das Thema »Smart City« aus einer weiteren Perspektive zu betrachten, haben wir die Zukunftsforscherin Cornelia Daheim und Prof. Gerhard Schmitt eingeladen, dessen Forschungsgebiet Informationsarchitektur und Simulation von Zukunftsstädten an der ETH Zürich umfasst. Als Leiter des ETH Future Cities Laboratory in Singapur ist er Spezialist für asiatische Metropolen und wird von seinen Erfahrungen über Songdo berichten.

Leif Huff ist Direktor der Deutschen Niederlassung von IDEO und als studierter Produktdesigner die ideale Ergänzung unserer Diskussionsrunde, die sich mit den Maßstäben der Technologie, der Produkte, der Menschen, Gebäude und der Städte beschäftigt.

Anmeldung unter: info@schnitzerund.de

Die Moderation der Veranstaltung übernimmt die Münchner Designerin und Kuratorin Sarah Dorkenwald.

1 Future Cities: UK Capabilities Report, p.6
2 BBC News: Tomorrow’s cities: Just how smart is Songdo?
3 BBC, Stadnad digital »Tomorrow’s smart Cities« Aug. 2013
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