Ausstellung in Winterthur
Blut & Staub: Wenn Reststoffe zu Werkstoffen werden
Materialien aus Experimenten, © Zürcher Hochschule der Künste ZHdK
Keramikprodukte aus Rotschlamm der Aluminiumindustrie, Dämmung aus Schafswolle, Besteck aus biologisch abbaubarem Biokomposit, Steckdosen aus gebundenem Knochenmehl oder modische Lederaccessoirs aus Kuhmagen – all dies sind Ansätze viel diskutierter Materialnutzungsszenarien mit Ziel einer Kreislaufwirtschaft, die die Wegwerfkultur unserer Gesellschaft in die Kritik rücken. Dieser Kritik entgegnet auch das Gewerbemuseum Winterthur mit der Ausstellung Blut & Staub. Die Schau zeigt eine wertschätzende Nutzung von Rest- und Abfallstoffen – den Rohstoffen der Zukunft?
Tasche aus Kuhmagenleder von Studio Billie van Katwijk, © Abel Minnée
Potenzial von vermeintlichem Abfall erkennen
Die Gewinnung und Weiterverarbeitung von Materialien in der Lebensmittel- und Textilherstellung sowie in der Tierhaltung und Bauindustrie geht mit einer großen Menge Abfällen einher. Es entstehen ungenutzte Stoffe, die meist aufwendig thermisch entsorgt, deponiert oder gar exportiert werden müssen. Die Produktentwicklung, Forschungsinstitute und Hochschulen arbeiten intensiv an Alternativen zu herkömmlichen Primärstoffen und Herstellungsverfahren, bei denen vermeintliche Abfallstoffe und Reste zu Wertstoffen werden.
Shards sind die ersten Fliesen, die zu 100 % auf Primärrohstoffe verzichten, auf Bauschutt und Altglas basieren und selbst ohne Abfall zu neuen Fliesen verarbeitet werden können. © Shards
Verwertbare Reststoffe in Produktforschung
Der Proto-Kunststoff Bois Durci vereinte schon im frühen 20. Jahrhundert Rinderblut mit Holzstaub als Ersatzmaterial für Holz und Gusseisen. Polyvinylchlorid, kurz PVC, ist der erfolgreichste Kunststoff der Nachkriegszeit und wurde ursprünglich erfunden, um den Reststoff Chlor zu binden. Seit den 1970er-Jahren ist auch die Holzfaserplatte aus Sägemehl und Restholz der Holzindustrie im Bau nicht mehr wegzudenken. Viele Reststoffe werden jedoch noch immer übersehen, wenig geschätzt oder sind mit Ekel behaftet.
Designer Souhaïb Ghanmi entwirft Lichtschalter und Steckdosen basierend auf Knochenmehl, ECAL Industrial Design, © Souhaïb Ghanmi
Forschung und Design sind gefragt
Anknüpfend an vorangegangene Ausstellung und als Auftakt für das interaktive „Material-Labor“ im Gewerbemuseum zeigt „Blut & Staub“ von März bis September eine Bandbreite an Forschungsarbeiten, Studien, experimentelle Projekte, innovative Neuentwicklungen und bereits wirtschaftlich bewährte Materialen und Produkte. Kunst und experimentelles Design fördern die allgemeine Wahrnehmung der Materialien positiv. Es werden die Grenzen der Ästhetik von vermeintlichem Abfall, Schmutz und Müll ausgetestet und Bewusstsein für die konsequente Einordnung als Wertstoff geschafft. Workshops und Führungen runden die Schau interaktiv und informativ ab.
Ausstellung: Blut & Staub: Wenn Reststoffe zu Werkstoffen werden
Ausstellungsort: Gewerbemuseum Winterthur, Kirchplatz 14, 8400 Winterthur (CH)
Ausstellungsdauer: 1. März bis 1. September 2024
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr; Donnerstag 10–20 Uhr; Montag geschlossen
Führungen: Sonntag, 28. April 2024, 11 Uhr; Sonntag, 23. Juni 2024, 11 Uhr
Weitere Informationen: gewerbemuseum.ch
Projekte von: Céline Arnould, CH | Vanessa Billy, CH | Sabina Brägger, CH | Byron Clark, UK | FluidSolids AG, CH & Shibuleru, Lukas Scherrer, CH | Formafantasma, IT | Souhaïb Ghanmi, CH | Max Greiner, DE | Isolena Naturfaservliese GmbH, AT | Tiziana Halbheer, CH | Hot Wire Extensions, CH | Kaffeeform GmbH, DE | Sinae Kim, UK|SK | Ville Kokkonen, CH|FI & Arkio Industries Ltd., FI | Leonor Kotoun, CH | Museo della Merda, IT | Julian Nachtigall-Lechner, DE | Plastic Innovation Competence Center, PICC, CH | Raúl Laurí Design Lab, SP | RECUP’HAIR, CH | Renewcell, SE & H&M, SE | Laura Lynn Reyes, CH | Rhino Machines Pvt. Ltd., IN | Ruckstuhl, CH | Shards, DE | Solidwool, UK | Studio Billie van Katwijk, NL | Studio Peipei, DE | Studio ThusThat, NL | swisspor AG, CH | Texaid, CH | The Tyre Collective, UK | Vuna GmbH, CH | WaterHub, Empa|EAWAG & Sandec, CH | Whisperwool, AT | Zelfo, DE & Inga Aleknaviciute, DE | u. a.
Sowie Projekte von Studierenden aus: Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, CH; Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, DE; ELISAVA Barcelona School of Design and Engineering, ES; Hochschule Luzern HSLU, CH
Kooperationspartner: Gewerbemuseums Winterthur, Material-Archiv der Zürcher Hochschule der Künste.