Drei Farben: Grün, Gelb, Rot
Bicocca Superlab von Balance Architettura
Das heutige Bicocca Superlab diente einst als Verwaltungssitz eines Stahlwerksbetreibers. © Filip Dujardin
Das Stadtviertel Bicocca weit im Nordosten von Mailand ist seit jeher ein Industriestandort. Diesen Charakter hat es sich bis heute erhalten. Doch in und zwischen den Gewerbehallen sind neue, kulturelle Nutzungen eingezogen und auch eine Universität hat sich im Viertel etabliert.
Filigrane Stützen und Fachwerkträger aus Stahl tragen die Decken. © Filip Dujardin
Altbau hinter neuer Glashülle
Auch hinter der glatten Glashülle des Bicocca Superlab verbirgt sich ein Bestandsgebäude – doch um das zu erkennen, muss man schon zweimal hinsehen. Jahrzehntelang beherbergte der 100 m lange, dreistöckige Gebäuderiegel die Verwaltung des Stahlherstellers Breda Siderurgica. Getragen wurde das Gebäude von einem bemerkenswert filigranen Stahlskelett, das jedoch weder außen noch innen wirklich sichtbar wurde. Nicht ein Kilogramm Material, berichten die Architekten, war hier überflüssig, alles auf das statisch Notwendige reduziert.
Stahltragwerk als Blickfang
Fast folgerichtig beschlossen Balance Architettura, die schlanken Stützen und Fachwerkträger zum zentralen Blickfang in den Innenräumen zu machen. Trennwände und abgehängte Decken wurden entfernt und das Haus auch in der Vertikalen geöffnet. Der Haupteingang führt nun von Norden, der ursprünglichen Rückseite, ins Untergeschoss, das zu einer vollwertigen Büroebene aufgewertet wurde. Den Investor freut es, erhielt er dadurch doch rund 1650 m² an zusätzlicher vermietbarer Fläche.
Auch das Untergeschoss dient heute als Bürofläche. Hier blieb der Stahlbeton unverkleidet sichtbar. © Filip Dujardin
Neue Eingangshalle im Untergeschoss
Zwischen Unter- und Erdgeschoss ließen die Architekten einen Teil der Decke entfernen und schufen eine doppelt geschosshohe Eingangshalle. Die beiden obersten Geschosse werden durchgehend als Büroebenen genutzt und auf dem Dach ist zwischen den beiden markanten Treppentürmen ein Dachgarten entstanden.
In den Obergeschossen erhielten die Pfosten-Riegel-Fassaden markante Deckprofile aus Silikon. © Filip Dujardin
© Filip Dujardin
Pfosten-Riegel-Fassade schafft Transparenz
An beiden Längsseiten wurde die Fassadenverkleidung aus vorgehängten Betonfertigteilen entfernt und durch eine maximal transparente Glashülle ersetzt. Deren großformatige Scheiben sind in einem ungewöhnlichen Pfosten-Riegel-System montiert: Auf den Aluminium-Klemmleisten sind halbrunde, transluzente Silikonprofile befestigt – eine elegante Lösung, die die Architekten und das Fassadenbauunternehmen inzwischen zum Patent angemeldet haben.
Der Haupteingang führt nun von Norden ins Haus. Hier ist das Gelände vor dem Gebäude abgegraben. © Filip Dujardin
Flachdach nutzbar gemacht
Geschosshohe Stahlkonstruktionen mit dazwischen gespannten Fangnetzen auf dem Dach lassen das Gebäude nun höher erscheinen als es ist. Die Treppen- und Aufzugstürme treten hinter die Straßenfassade zurück. Vor ihren verputzten Stirnseiten ist das Pfosten-Riegel-System einfach ohne Verglasung fortgeführt – eine reizvolle Überblendung von Alt und Neu.
In jedem Geschoss erhielt das Stahltragwerk eine andere Farbe. © Filip Dujardin
Sichtbeton mit Macken und dreifarbiger Stahl
Deutlich in Erscheinung treten die Erschließungstürme dagegen auf der Eingangsseite im Norden. Hier stellen sie ihre Materialität auch ganz unverhüllt zur Schau. Die raue, vom Zahn der Zeit gezeichnete Sichtbetonästhetik setzt sich auch im Untergeschoss fort. In den Ebenen darüber beeindruckt dann das geschossweise differenzierte Stahlskelett: Im einstigen Erdgeschoss erhielt es einen grünen, darüber einen gelben und im obersten Geschoss schließlich einen korallenroten Anstrich. Das war jedoch keine Vorfestlegung von Anfang an, betonen die Architekten – über Farbe oder Nicht-Farbe entscheiden sie stets erst zum Ende der Projektlaufzeit abhängig davon, ob ein Gebäude diese noch benötigt.
Architektur: Balance Architettura
Bauherr: Masini 011
Standort: Viale Sarca 336, 20126 Mailand (IT)
Projektsteuerung: Corradino e Petitti Architetti
Tragwerksplanung: Alessandro Ferro
Nachhaltigkeitsberatung: AM Ingegneria
Leed-Beratung: Macro Design Studio & Arch. Amit Anafi