15.06.2023 Sandra Hofmeister

Baustopp für Österreich

Partecipazione / Beteiligung – Der österreichische Beitrag zur 18. Internationalen Architekturausstellung in Venedig. © Clelia Cadamuro

Wirklich schade. Eigentlich lief beim diesjährigen österreichischen Pavillon der Architekturbiennale zunächst einmal alles nach Plan. Doch als es an die Umsetzung des temporären Umbaukonzepts mit dem Titel „Partecipazione“ – „Beteiligung“ ging, wurde die Genehmigung nicht erteilt; am Ende hat sich das Kuratorenteam, das Wiener Architekturkollektiv AKT & Hermann Czech, jedoch nicht entmutigen lassen, sondern das Scheitern und den Dialog zum Thema gemacht. Heraus kam ein halber Pavillon und ein engagiertes Veranstaltungsprogram im Venezianischen Stadtteil Castello. Der Besuch im nordöstlichen Eck der Giardini sowie die Lektüre der großartigen begleitenden Publikation lohnen sich trotzdem.

Grundriss, © AKT & Hermann Czech

Wem gehört die Stadt?

Wer für die Biennale oder auch sonst nach Venedig kommt, ist überwältigt von den Touristenmassen. Der alltägliche Rückzugsraum für Venezianer wird immer weniger – die Bevölkerung der Lagunenstadt schrumpft und ist aktuell auf einem Rekordtief von 50 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Kein Wunder, denn die Lebens- und Alltagsbedingungen in Venedig verschlechtern sich mit der Zunahme des Tourismus. Der öffentliche Raum verschwindet, die Gentrifizierung ist nicht aufzuhalten, auch Dank AirBnB und internationaler Großveranstaltungen wie der Kunst- und der Architekturbiennale. Waren die Giardini in Venedig früher einmal ein öffentlicher Garten für Alle, so ist der einzige große grüne Park der Lagunenstadt heute von einer Mauer umgeben. Nur zahlende Gäste können dort während der Kunst- oder Architekturbiennale im Schatten der großen Bäume flanieren. Die Stadtbewohner und nichtzahlende Touristen bleiben ausgeschlossen jenseits einer hohen Mauer.

Diesseits und jenseits der Mauer

„Das ist nicht der ursprüngliche Gedanke der Biennale, wie ihn Vittorio Gregotti formuliert hat“, meint Hermann Czech mit Verweis auf das Konzept der ersten Architekturbiennale 1975. Dass sich die Biennale im Lauf der Jahrzehnte Schritt für Schritt von der Stadt entfremdet hat, ist offensichtlich. Zudem hat sie sich räumlich weiter ausgebreitet und den Bewohnern der Stadt mehr und mehr Raum weggenommen. Mit einem temporären Umbaukonzept, entwickelt von AKT und Hermann Czech, sollte auf diesen Missstand aufmerksam gemacht werden – und für die Dauer der Biennale eine andere, nämlich partizipative Raumpraxis gelten. Durch eine Öffnung in der Mauer, so der Plan, hätte einer der beiden Räume des österreichischen Pavillons temporär von den Bewohnerinnen und Bewohnern des angrenzenden Viertels Castello genutzt werden können – für Nachbarschaftsinitiativen, als Versammlungsraum und Treffpunkt. Der Pavillon selbst wäre so vom reinen Ausstellungsraum zum Objekt der Teilung zwischen der Stadt und der Biennale geworden.

Workshop mit Anwohnern und Initiativen, © AKT & Hermann Czech

Welche Rolle spielt die Biennale für Venedig?

Vielleicht war es vorab schon absehbar, dass es für diesen Plan keine Genehmigung geben sollte. Auch der Versuch, die Mauer mit einer Brücke aus Gerüsten zu umgehen, konnte nicht realisiert werden. Heute mutet das Gerüst im Garten des österreichischen Pavillons wie eine Aussichtsplattform an. Besucherinnen und Besucher, die dort hinaufsteigen, können einen Blick hinter die Mauer der Giardini werfen – dorthin, wo der Alltag der Bewohnerinnen und Bewohner Venedigs stattfindet.

Das Gerüst im Innenhof des österreichischen Pavillons, © Clelia Cadamuro 

Außerhalb des Biennale-Geländes und an der Giardini-Mauer hat das Kuratorenteam gemeinsam mit verschiedenen venezianischen Initiativen auch kostenlose Veranstaltungen und eine Reihe von Aktivitäten während der sechsmonatigen Laufzeit der Architekturbiennale angesetzt. Im öffentlichen Stadtraum – einem prekären Restraum, der zunehmend bedroht ist. Die Rolle der Biennale für die Stadt Venedig und den Alltag der Venezianer wird dabei in zahlreichen Diskussionen aufgegriffen – und ja: Die Debatte wird nicht mehr nur lokal, sondern international geführt.

Weitere Beiträge zur 18. Internationalen Architekturbiennale Venedig.


Projektteam des Österreichischen Pavillons
Auftraggeber: Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport
Design- & Kurationsteam: AKT & Hermann Czech
Projektmanagement: Katharina Boesch, Julia Bildstein, section.a, Wien


Termine und Diskussionsprogramm: www.labiennale.at
Publikation: 396 Seiten, Luftschacht Verlag, Wien, Deutsch, Englisch, Italienisch 2023
AKT & Hermann Czech, Partecipazione. Beeteiligung, 400seitige Publikation.

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