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Bauen mit System – Mehr als ein Trend
Die Stadt als Lebensort rückt immer stärker in den Fokus und steht gleichzeitig auch immer mehr unter Druck: neue Gesellschaftsformen benötigen neue Räume, mangelnde Flächenressourcen fordern nach neuen Nachverdichtungsstrategien, Kostenexplosionen für Grundstückspreise führen zu neuen Finanzierungskonzepten. Besonders im Wohnungsbau erstarken gemeinschaftliche Konzepte wie Genossenschaften oder Baugruppen. Vielen geht es um Zugang und Teilhabe statt um Besitz, ob auf der Ebene der Wohnung, des Gebäudes oder des Quartiers. Diese neue Gesellschaftskultur fordert auch eine neue Wohn-, Stadt- und Planungskultur. Die Finanzierung einzelner Prestigeobjekte scheint vielen nicht mehr zeitgemäß, vielmehr steigt die Bedeutung der sozialen Verantwortung. Invasive Eingriffe in den Stadtkörper, sensible Nachverdichtung und Lösungen im Bestand schaffen räumliche Qualitäten anstatt großer architektonischer Gesten. Nicht Städtebau von oben, sondern Urbanismus von unten, lautet das Kredo. Die Städte der Nachkriegszeit erfahren nun eine Metamorphose, sie wandeln sich zu einem differenzierten und lebendigen Stadtbild als Spiegel einer Gesellschaft aus Vielfalt, Nutzungsmischung und „Shared Spaces“. Der Wandel vollzieht sich hin zu einem demokratischen Design: vom Prestigeobjekt zum Quartier, vom Autor zur Gesellschaft, vom Produkt zum System, vom Besitz zur Teilhabe, vom Ewigkeitsdenken zu Flexibilität und Anpassung. Der Gebäudebestand wird zur Ressource und unterliegt einem stetigen Wandel. Das kostengünstige Bauen zu fördern, ist eine der aktuellen Herausforderungen für Politik, Wirtschaft und Planer. Besonders das Bauen in Systemen wiederentdeckte Möglichkeiten, über Elementierung und Vervielfältigung, über industrielle Herstellung und Vorfabrikation die Effizienz zu steigern.
Historie des Systembaus
Der Systembau an sich ist nicht neu. Als Ausgangspunkt kann der Kristallpalast von Joseph Paxton zur Weltausstellung 1851 in London gesehen werden. Mies von der Rohe und Le Corbusier zeigten sich in den 1920er-Jahren begeistert von dem „Haus aus der Fabrik“, das sich in Anlehnung an den Automobilbau am Fließband zusammenfügte. Auch Walter Gropius konzipierte in den 1920er-Jahren Konstruktionselemente für genormte Wohnhäuser, die als Baukastensystem zu verschiedenen Haustypen zusammengefügt werden sollten. Im zweiten Weltkrieg mussten Notunterkünfte für Soldaten und Flüchtlinge geschaffen werden, Jean Prouvé entwickelte u.a. hierfür demontierbare Leichtbaukonstruktionen aus Stahl und Holz. Martin Wagner, Hans Poelzig und Hans Scharoun beschäftigen sich in den 1930er-Jahren mit einem zeitgemäßen Holzfertigbausystem, das sich den Bedürfnissen der Nutzer flexibel anpassen lassen sollte. International machte sich in dieser Zeit Richard Buckminster Fuller mit dem Dymaxion House einen Namen. Das vollständig vorgefertigte Wohngebäude, das nach den Prinzipien des Schiffsbaus entwickelt wurde, sollte nicht mehr als ein Auto kosten. Ein gefeiertes Manifest für den Systembau schuf Konrad Wachsmann mit der Publikation „Wendepunkt im Bauen“ im Jahr 1959. Er stellt damit die Grundlage für die Umstellung der Planungs- und Fertigungsprozesse großer Raumtragwerke mittels standardisierter, industriell gefertigter Elemente. Erst durch den monotonen Einsatz von Bausystemen bei Fertigbauten in Ostblockländern geriet der Systembau in die Kritik, die Euphorie schwand. Trotzdem gab es immer glühende Verfechter des industriellen Bauens. Moderner Systembau
Nun im 21. Jahrhundert scheint die Zeit endgültig reif zu sein für das standardisierte Bauen in Systemen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung, der Individualisierung durch Industrie 4.0, von Robotik, 3D-Druck und Mass-Customization bieten bisher völlig ungeahntes gestalterisches Potenzial. Gleichzeitig deckt das elementierte Bauen die Anforderung nach erhöhter Kosteneffizienz ab. Durch den hohen Grad der Vorfertigung im Werk mit kurzen Montagezeiten auf der Baustelle, einer erleichterten Baustellenlogistik, guter monetärer und terminlicher Planbarkeit sowie einer geprüften Qualität und Gewährleistung, die bei Einzelanfertigungen durch das Handwerk nicht gegeben ist, werden Systembaulösungen bei Planern immer beliebter. Denn mit den steigenden technischen Anforderungen, insbesondere durch die EnEV, wird die fachgerechte Ausführung vor Ort von immer größerer Bedeutung und nicht selten auch zum Knackpunkt. Aktuelle Beispiele von Systembauten verdeutlichen das Potenzial und die Bandbreite der Möglichkeiten insbesondere im Holzfertigteilbau, der aufgrund der Materialeigenschaften für den digitalen Systembau prädestiniert ist. Das Illwerke Zentrum Montafon von Herrmann Kaufmann wird als Holzbau im Superlativ geführt und ist mit über 10.000 m2 Nutzfläche der größte Büro-Holzbau in Europa. Die vorgefertigte Konstruktion wurde in lediglich sechs Wochen zusammengefügt. Ebenfalls als ein Vorreiter gilt das Wohnhaus der Baugruppe X3Grün in Berlin, das von den Architekten des Instituts für urbanen Holzbau im Rahmen des Forschungsprojekts Fertighauscity5+ als erstes innerstädtisches fünfgeschossiges Mehrfamilienwohnhaus aus Holz errichtet wurde. Das Studentenwohnheim Cubity, das im Rahmen des Solar Decathlon-Wettbewerbs von der TU Darmstadt konzipiert wurde, basiert auf komplett vorgefertigten Wohnraummodulen und der Idee der Addition. Es wurde erkannt, dass Kosten- und Energieeffizienz in jeglicher Hinsicht immer mit einem größeren Maßstab, mit Gemeinschaft und Kooperationen, mit Netzwerken, mit Serien und Vervielfältigung zusammenhängen. Der Wert einer Immobilie misst sich an ihrer Zukunftsfähigkeit, die sich wiederum an ihrer Fähigkeit zeigt, den sich ändernden Anforderungen anpassen zu können. Verantwortungsvolles soziales Bauen bedeutet besonders auch diejenigen zu berücksichtigen, die nicht für sich selbst sprechen können und keine Lobby haben. Neben Hilfs- und Bildungsarchitekturen zählen hierzu beispielsweise Strukturen für die Unterbringung von Flüchtlingen, die Schaffung von Selbsthilfeprojekten in Entwicklungsländern oder die Entwicklung von Architekturen für Katastrophengebiete. Auch die Errichtung von Notunterkünften stellt eine wichtige Aufgabe. Um das kostengünstige Bauen in Systemen wird man bei dieser Diskussion nicht herumkommen, die auch von Systembauern und Fertighausherstellern unterstützt wird. Rolle des Architekten beim Bauen mit Systemen
Aus der sozialen und ökologischen Verantwortung von Politik, Wirtschaft und auch der Architektenschaft ergeben sich neue Herausforderungen, die nur im Netzwerk bewältigt werden können. Die gesamte Architektur wird zu einer Disziplin, die verstärkt im Netzwerk unter Beteiligung vieler verschiedener Experten und Branchen stattfinden wird. Die Aufgabe des Architekten wird es zukünftig sein, diese Netzwerke herzustellen, zu koordinieren und zu einem Ergebnis für das Bauen der Zukunft zu führen. Dieser Prozess findet bereits statt, Vorreiter haben begonnen neue Arbeits- und Entwurfsstrukturen einzuführen. Neben den erweiterten technischen Möglichkeiten durch Industrie 4.0 und BIM, durch Vorfertigung und Mass-Customization sind dabei aber vor allem auch neue Prozesse und Denkstrukturen vonnöten. Um zu innovativen Ansätzen zu gelangen und das Bauen entsprechend der zukünftigen Herausforderungen und Marktsituationen zu rüsten, müssen nicht nur Planer, Bauherren und die Bauwirtschaft, sondern auch die Politik bereit sein, in einen Dialog zu treten und auch scheinbar unumstößliche Aspekte zu überdenken. Normen, Standards, Bauordnung und Richtlinien werden teilweise als nicht mehr zeitgemäß oder als übernormiert empfunden. Architekten wünschen sich mehr Freiheit und Flexibilität, um auch experimentelle Ansätze austesten zu können. Die Trennung von Planung und Realisierung, das aktuelle Vergaberecht oder die HOAI sind Stellschrauben, die im Diskurs erörtert und hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit analysiert werden müssen. Nur Konzepte und Projekte, die auf allen Ebenen Ressourcen schonen, die nicht nur effizient, sondern suffizient und resilient sind, die gesellschaftliche Veränderungen berücksichtigen, die ökologisch, ökonomisch und auch sozial ausgerichtet sind, werden langfristig einen erfolgreichen Beitrag zur Baukultur leisten. Wir benötigen neue Ansätze, die nicht den Autoren, sondern die Gesellschaft und ihre Anforderungen in den Mittelpunkt stellen. Konzepte, die die Kultur der Offenheit spiegeln und experimentelle Denk- und Handlungsansätze zulassen. Wir werden in neuen Teams arbeiten, in neuen Netzwerken agieren und über die einzelne Gestaltungsdisziplin hinaus uns völlig neuen Bauaufgaben widmen. Denn die Zukunft wird vielseitig sein – eine dieser Zukünfte wird sicherlich auch im Systembau liegen.
Der Systembau an sich ist nicht neu. Als Ausgangspunkt kann der Kristallpalast von Joseph Paxton zur Weltausstellung 1851 in London gesehen werden. Mies von der Rohe und Le Corbusier zeigten sich in den 1920er-Jahren begeistert von dem „Haus aus der Fabrik“, das sich in Anlehnung an den Automobilbau am Fließband zusammenfügte. Auch Walter Gropius konzipierte in den 1920er-Jahren Konstruktionselemente für genormte Wohnhäuser, die als Baukastensystem zu verschiedenen Haustypen zusammengefügt werden sollten. Im zweiten Weltkrieg mussten Notunterkünfte für Soldaten und Flüchtlinge geschaffen werden, Jean Prouvé entwickelte u.a. hierfür demontierbare Leichtbaukonstruktionen aus Stahl und Holz. Martin Wagner, Hans Poelzig und Hans Scharoun beschäftigen sich in den 1930er-Jahren mit einem zeitgemäßen Holzfertigbausystem, das sich den Bedürfnissen der Nutzer flexibel anpassen lassen sollte. International machte sich in dieser Zeit Richard Buckminster Fuller mit dem Dymaxion House einen Namen. Das vollständig vorgefertigte Wohngebäude, das nach den Prinzipien des Schiffsbaus entwickelt wurde, sollte nicht mehr als ein Auto kosten. Ein gefeiertes Manifest für den Systembau schuf Konrad Wachsmann mit der Publikation „Wendepunkt im Bauen“ im Jahr 1959. Er stellt damit die Grundlage für die Umstellung der Planungs- und Fertigungsprozesse großer Raumtragwerke mittels standardisierter, industriell gefertigter Elemente. Erst durch den monotonen Einsatz von Bausystemen bei Fertigbauten in Ostblockländern geriet der Systembau in die Kritik, die Euphorie schwand. Trotzdem gab es immer glühende Verfechter des industriellen Bauens. Moderner Systembau
Nun im 21. Jahrhundert scheint die Zeit endgültig reif zu sein für das standardisierte Bauen in Systemen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung, der Individualisierung durch Industrie 4.0, von Robotik, 3D-Druck und Mass-Customization bieten bisher völlig ungeahntes gestalterisches Potenzial. Gleichzeitig deckt das elementierte Bauen die Anforderung nach erhöhter Kosteneffizienz ab. Durch den hohen Grad der Vorfertigung im Werk mit kurzen Montagezeiten auf der Baustelle, einer erleichterten Baustellenlogistik, guter monetärer und terminlicher Planbarkeit sowie einer geprüften Qualität und Gewährleistung, die bei Einzelanfertigungen durch das Handwerk nicht gegeben ist, werden Systembaulösungen bei Planern immer beliebter. Denn mit den steigenden technischen Anforderungen, insbesondere durch die EnEV, wird die fachgerechte Ausführung vor Ort von immer größerer Bedeutung und nicht selten auch zum Knackpunkt. Aktuelle Beispiele von Systembauten verdeutlichen das Potenzial und die Bandbreite der Möglichkeiten insbesondere im Holzfertigteilbau, der aufgrund der Materialeigenschaften für den digitalen Systembau prädestiniert ist. Das Illwerke Zentrum Montafon von Herrmann Kaufmann wird als Holzbau im Superlativ geführt und ist mit über 10.000 m2 Nutzfläche der größte Büro-Holzbau in Europa. Die vorgefertigte Konstruktion wurde in lediglich sechs Wochen zusammengefügt. Ebenfalls als ein Vorreiter gilt das Wohnhaus der Baugruppe X3Grün in Berlin, das von den Architekten des Instituts für urbanen Holzbau im Rahmen des Forschungsprojekts Fertighauscity5+ als erstes innerstädtisches fünfgeschossiges Mehrfamilienwohnhaus aus Holz errichtet wurde. Das Studentenwohnheim Cubity, das im Rahmen des Solar Decathlon-Wettbewerbs von der TU Darmstadt konzipiert wurde, basiert auf komplett vorgefertigten Wohnraummodulen und der Idee der Addition. Es wurde erkannt, dass Kosten- und Energieeffizienz in jeglicher Hinsicht immer mit einem größeren Maßstab, mit Gemeinschaft und Kooperationen, mit Netzwerken, mit Serien und Vervielfältigung zusammenhängen. Der Wert einer Immobilie misst sich an ihrer Zukunftsfähigkeit, die sich wiederum an ihrer Fähigkeit zeigt, den sich ändernden Anforderungen anpassen zu können. Verantwortungsvolles soziales Bauen bedeutet besonders auch diejenigen zu berücksichtigen, die nicht für sich selbst sprechen können und keine Lobby haben. Neben Hilfs- und Bildungsarchitekturen zählen hierzu beispielsweise Strukturen für die Unterbringung von Flüchtlingen, die Schaffung von Selbsthilfeprojekten in Entwicklungsländern oder die Entwicklung von Architekturen für Katastrophengebiete. Auch die Errichtung von Notunterkünften stellt eine wichtige Aufgabe. Um das kostengünstige Bauen in Systemen wird man bei dieser Diskussion nicht herumkommen, die auch von Systembauern und Fertighausherstellern unterstützt wird. Rolle des Architekten beim Bauen mit Systemen
Aus der sozialen und ökologischen Verantwortung von Politik, Wirtschaft und auch der Architektenschaft ergeben sich neue Herausforderungen, die nur im Netzwerk bewältigt werden können. Die gesamte Architektur wird zu einer Disziplin, die verstärkt im Netzwerk unter Beteiligung vieler verschiedener Experten und Branchen stattfinden wird. Die Aufgabe des Architekten wird es zukünftig sein, diese Netzwerke herzustellen, zu koordinieren und zu einem Ergebnis für das Bauen der Zukunft zu führen. Dieser Prozess findet bereits statt, Vorreiter haben begonnen neue Arbeits- und Entwurfsstrukturen einzuführen. Neben den erweiterten technischen Möglichkeiten durch Industrie 4.0 und BIM, durch Vorfertigung und Mass-Customization sind dabei aber vor allem auch neue Prozesse und Denkstrukturen vonnöten. Um zu innovativen Ansätzen zu gelangen und das Bauen entsprechend der zukünftigen Herausforderungen und Marktsituationen zu rüsten, müssen nicht nur Planer, Bauherren und die Bauwirtschaft, sondern auch die Politik bereit sein, in einen Dialog zu treten und auch scheinbar unumstößliche Aspekte zu überdenken. Normen, Standards, Bauordnung und Richtlinien werden teilweise als nicht mehr zeitgemäß oder als übernormiert empfunden. Architekten wünschen sich mehr Freiheit und Flexibilität, um auch experimentelle Ansätze austesten zu können. Die Trennung von Planung und Realisierung, das aktuelle Vergaberecht oder die HOAI sind Stellschrauben, die im Diskurs erörtert und hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit analysiert werden müssen. Nur Konzepte und Projekte, die auf allen Ebenen Ressourcen schonen, die nicht nur effizient, sondern suffizient und resilient sind, die gesellschaftliche Veränderungen berücksichtigen, die ökologisch, ökonomisch und auch sozial ausgerichtet sind, werden langfristig einen erfolgreichen Beitrag zur Baukultur leisten. Wir benötigen neue Ansätze, die nicht den Autoren, sondern die Gesellschaft und ihre Anforderungen in den Mittelpunkt stellen. Konzepte, die die Kultur der Offenheit spiegeln und experimentelle Denk- und Handlungsansätze zulassen. Wir werden in neuen Teams arbeiten, in neuen Netzwerken agieren und über die einzelne Gestaltungsdisziplin hinaus uns völlig neuen Bauaufgaben widmen. Denn die Zukunft wird vielseitig sein – eine dieser Zukünfte wird sicherlich auch im Systembau liegen.