Bahnhofsmission in Hamburg von Carsten Roth

Viele Jahre hatte die Hamburger Bahnhofsmission ihren Sitz im Inneren des Hauptbahnhofs – bis die Deutsche Bahn die dortigen Flächen lukrativer vermarkten wollte und die Sozialeinrichtung deswegen auslagerte. Der neue Standort liegt unweit nordwestlich der Bahnhofshalle an einer viel frequentierten Straßenkreuzung. Das Raumprogramm für den Entwurf war vielfältig: Ein Empfangstresen, ein multifunktionaler Veranstaltungsraum, ein Raum der Stille, Verwaltungs- und Betreuungsräume sowie ein Hygienezentrum sollten auf 400 m² Fläche unterkommen.

Eigentlich sollten Carsten Roth und sein Büro für dieses Programm lediglich eine Hülle entwerfen. Am Ende gestalteten sie auch den Grundriss komplett neu. “Die Sozialarbeit der Bahnhofsmission, teilweise spendenfinanziert von Hamburgern, hat uns sehr beeindruckt – hier werden zum Beispiel Menschen mit Pflegestufe 3 notversorgt, die als Obdachlose im Rollstuhl leben! Unser Gebäude soll diese Arbeit würdigen, sichtbar machen und den Hilfsbedürftigsten der Gesellschaft eine respektvolle Anlaufstelle bieten”, so die Architekten über die Motivation ihres Entwurfs. 

Der untere Bereich der Glasfassade kann mit Streckmetall verschlossen werden. © Klaus Frahm

Der rund 40 m lange Gebäuderiegel gliedert sich längs in zwei Teile: einen höheren mit eineinhalbgeschossiger, transparenter Pfosten-Riegel-Fassade an der Straße im Westen und einen niedrigeren, eher geschlossenen im Osten. Anders als man es erwarten würde, liegt hinter der hohen, offenen Westseite ein Erschließungsflur. Ebenerdig lässt sich die Fassade mit robusten Streckmetall-Schiebeläden verschließen. Doch auch dann noch erlauben 45° geneigte Spiegel im Obergaden der Fassade Einblicke ins Gebäudeinnere – Passantinnen können die Mitarbeitenden im Haus gewissermaßen kopfüber ihrer Arbeit nachgehen sehen.

Bei Dunkelheit gewähren Spiegeldecken und Glasfassade tiefe Einblicke ins Gebäude. © Klaus Frahm

Auch für die übrigen Fassadenflächen stand der Schutz vor Vandalismus ganz oben auf der Prioritätenliste. Hier wählten die Architekten eine polyspektrale Edelstahlfassade, die je nach Betrachtungswinkel und Sonneneinstrahlung zwischen Olivgrün, Blau und Rotviolett changiert – Ersteres in Anlehnung an die Kupferdächer der umliegenden Altbauten, Letztere beide sind zwei CI-Farben der Bahnhofsmission. Die Paneele sind von außen sichtbar auf die Unterkonstruktion geschraubt und lassen sich einzeln tauschen. Die sonst unvermeidlichen Farbabweichungen spielen dabei laut Architekten keine Rolle, da jedes einzelne Paneel ohnehin einen individuellen Farbverlauf besitzt.