Architektur-Symposium im und zum Erbe von Frei Otto
© Wilkhahn
Fabrikgebäude und Produktionshallen charakterisieren gemeinhin eine große, überbaute Fläche in schlicht quaderförmiger Struktur, ein Flachdach oder das ursprünglich eigens für diese Bautypologie entwickelte Sheddach. Im Vergleich ist die Form bzw. Konstruktionsweise dessen, was 1988 nach Plänen von Frei Otto und in enger Zusammenarbeit mit Belegschaft und Geschäftsführung des Unternehmens Wilkhahn in Bad Münder entstand, kein klassischer Vertreter der Bautypologie. Sicher aber eine humanistische und wegweisende Herangehensweise an die äußere Struktur von Produktionsstätten und vielleicht sogar Architektur im Allgemeinen.
Denn die Entstehungsgeschichte der Wilkhahn-Pavillons ist neben der beispiellosen Konstruktionsweise auch beispielhaft für die Arbeitsweise Frei Ottos sowie für die Haltung des 1907 von Friedrich Hahne und Christian Wilkening gegründeten Unternehmens. Gründersohn Fritz Hahne hatte im Vorfeld der Umsetzung 1984 einen bemerkenswerten Anspruch formuliert:
»Bei Wilkhahn werden keine zwei Backsteine aufeinandergelegt, solange wir nicht sicher sind, dass etwas entsteht, bei dem ökologische und ökonomische, ästhetische und humanitäre Erfordernisse auf einem Nenner sind.« Frei Otto wiederum setzte bei dem Auftrag auf ein von Kooperation gestütztes Entwurfsverständnis: Er diskutierte seine Pläne mit der Belegschaft, dem Betriebsrat und der Geschäftsführung, und integrierte deren Wünsche, etwa nach mehr Ausblickmöglichkeiten und Fensterflächen, in seinen Entwurf. Er betonte gleichzeitig die Bedeutung eines Bestandsgebäudes aus der Gründerzeit auf dem Fabrikationsgeländes für die Firmenidentität und regte eine Umnutzung dessen an. Seine Infragestellung des Neubaus als Selbstzweck und das Plädoyer für bewahrungswürdige Architektur trug dazu bei, dass die Fabrik erhalten blieb und letztendlich im Jahr 1993 gemeinsam mit dem Münchner Architekturbüro Herzog & Partner zum Verwaltungsgebäude konvertiert wurde.
Anlässlich des 30. Geburtstags der weltweit einzigen Fabrikationsgebäude, die von Frei Otto entworfen wurden, lädt Wilkhahn am 25. Juni 2018 zu einem Symposium in die Frei-Otto-Pavillons auf dem Wilkhahn-Gelände in Bad Münder sowie zur Besichtigung weiterer zeitgenössischer Architektur-Highlights in Hannover ein.
Die Veranstaltung beleuchtet die Transformation wesentlicher Aspekte des Forschens, Entwerfens und Bauens des Pritzker-Preisträgers Frei Otto in die Zukunft. Dabei stehen zunächst die vier, als leichte Holzkonstruktion ausgeführten Zeltdachpavillons im Fokus, denn sie nehmen laut Veranstalter eine changierende Rolle zwischen »Protagonisten« und »Kulisse« für das Symposium ein. Hier referieren am Vormittag nach einer Führung durch die Gebäude folgende Vertreter der zeitgenössischen Architektur und des Architekturdiskurses im deutschsprachigen Raum:
Prof. Dr. Georg Vrachliotis, Professor für Architekturtheorie und Leiter des Südwestdeutschen Archivs fur Architektur und Ingenieurbau saai am Karlsruher Institut für Technologie KIT; Kurator der Ausstellung »Frei Otto. Denken in Modellen«, ein gemeinsames Projekt von saai, KIT, Wüstenrot Stiftung und ZKM, Karlsruhe
Prof. Eike Roswag-Klinge, Mitgründer des Architekturbüros Ziegert Roswag Seiler und Professor am Natural Building Lab der Technischen Universität Berlin
Prof. Ruth Berktold, Inhaberin des Architekturbüros YES Architecture, München; Professorin für CAx und Entwerfen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München
Laura Fogarasi-Ludloff, Büro Ludloff Ludloff Architekten BDA, Berlin und Prof. Jens Ludloff, Büro Ludloff Ludloff Architekten BDA, Berlin; Professor für Nachhaltigkeit, Baukonstruktion und Entwerfen an der Universität Stuttgart
Prof. Dipl-Ing. Tobias Wallisser, Mitgründer von LAVA – Laboratory for Visionary Architecture; Prorektor und Professor für Architektur/Innovative Bau- und Raumkonzepte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Prof. Dr.-Ing. Jan Knippers, seit 2000 Leiter des Instituts für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen ITKE an der Universität Stuttgart; Gründer von »Jan Knippers Ingenieure« an der Schnittstelle zwischen Forschung, Entwicklung und Praxis
Am Nachmittag stehen in Hannover Führungen durch den Erweiterungsbau des Sprengel Museums durch Meili & Peter Architekten, Zürich und durch den Hafven Coworking und Maker-Space von Mensing Timofticiuc Architects, Berlin an. Die Führungen werden begleitet von:
Prof. Markus Peter, Gründer Büro Meili & Peter Architekten, Zürich; Leiter des Lehrstuhls für Architektur und Konstruktion an der ETH Zürich
Anca Timofticiuc und Marius Mensing, Büro Mensing Timofticiuc Architects, Berlin
Das Symposium steht unter der Schirmherrschaft der Bundesarchitektenkammer und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).
Über folgenden Link geht es zur Anmeldung: www.wilkhahn.de/anmeldung-architektensymposium
Teilnehmergebühr: 45 € pro Person, inkl. Transfers und Bewirtungen
Übrigens: Alle Referentenhonorare und Teilnahmegebühren kommen dem Verein Multihalle Mannheim e.V. für Aktivitäten und Veranstaltungen zum Erhalt der Multihalle Mannheim von Frei Otto zugute.
Mehr zu diesem Thema gibt es im Magazinteil der kommenden DETAIL 6/18 unter dem Titel »Rettet die Multihalle!«, ein Beitrag von Jakob Schoof.