19.05.2009

Architekten dürfen werben - das "Werbeverbot" ist Vergangenheit


Architekten, die in Zeitungen Werbeanzeigen schalten oder an Hauswänden Ihre Planungsleistung preisen? Bis vor wenigen Jahren schien das undenkbar, denn lange Zeit konnten Planer und Architekten Ihre Agonie in Sachen Eigenmarketing mit dem „Werbeverbot“ der Kammern begründen: „Werben dürfen wir doch aber gar nicht …“. Vorbei ist's. Fast alles, was beliebt, ist heute auch erlaubt. Nur von den verwirrenden Aussagen der Berufsordnungen darf man sich nicht schrecken lassen.
In welcher Form Architekten und Planer werben dürfen, das regeln die Architektengesetzte und Berufsordnungen der Architektenkammern. In mehreren Etappen haben die Landesarchitektenkammern ihre Werbebeschränkungen in den letzten Jahren immer weiter gelockert. Weil das aber stets auf Landesebene geschah, sehen sich deutsche Architekten heute mit sehr unterschiedlichen, im Text voneinander abweichenden Regeln konfrontiert.
So heißt es in der Berufsordnung der Architektenkammer Berlin unter Punkt 1.4.4, dass Printmedien nur dann erlaubte Werbeträger seien, „sofern sich die Publikation in ihrem redaktionellen Schwerpunkt mit dem Planen und Bauen befasst.“ Werbung also nur in Architekturzeitschriften?
Auch bei den zulässigen Werbeaussagen bestehen Widersprüche. So nennt § 6 der Berufsordnung der AK Bremen als unzulässige Werbemaßnahmen „Qualitätswerbung aufgrund subjektiver Einschätzung“ mit Formulierungen wie ‚Spezialist für…XYZ'. In Baden-Württemberg sind Formulierungen wie ‚Fachmann für…' oder ‚Spezialist für …' dagegen ausdrücklich gestattet. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Alexandra Seemüller, Juristin bei der Bayerischen Architektenkammer sagt: „Es ist heute fast alles erlaubt, so lange es nicht in Widerspruch steht zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.“ Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) richte sich insbesondere gegen „irreführende und sittenwidrige Werbung“ und gilt auch für andere Berufsgruppen.
Mittlerweile werden die strenger gefassten Werberegeln jedoch offenbar nicht mehr angewendet. „Mir ist für die letzten Jahren kein berufsrechtliches Verfahren bekannt, das sich auf das Thema Werbung bezogen hätte“, sagt Erik Budiner, Geschäftsführer der Bayerischen AK und Vorsitzender des Rechtsausschusses der Architektenkammern.
In der Bayerischen Berufsordnung heißt es: „Werbung, die über die berufliche Leistung in Form und Inhalt sachlich informiert, ist erlaubt, gleich ob dies durch Anzeigen, Büroflyer, Broschüren o. Ä. erfolgt.“ Doch im Rahmen der erlaubten Werbung dürfen Architekten ihre „Unabhängigkeit als Treuhänder des Auftraggebers“ nicht gefährden, was etwa der Fall wäre, wenn sie für bestimmte Baustoffe werben würden. Auch die Architektenkammer Baden-Württemberg hebt die Beschränkung von Werbemedien, Häufigkeit und Anlässen auf und unterstreicht gleichzeitig das Gebot sachlicher Werbeinhalte. Architekten dürfen also Anzeigen in Zeitungen schalten, sie dürfen Plakate oder Werbetafeln aufhängen oder ihr Fahrzeug mit sachlichen Hinweisen auf ihre Qualifikation beschriften.
Fazit des Verfassers: Ich halte die derzeit bestehenden Situation für ärgerlich – nicht zuletzt, weil der von vielen Regelungen hervorgehobene Gegensatz zwischen sachlicher Information und „reklamehaftem Sich-Herausstellen“(Hessen) beim Texten von Broschüren oder Anzeigen schwer auszumachen ist. Hilfreich ist daher der Rat von Alexandra Seemüller von der Bayerischen Architektenkammer, im Zweifelsfall vorher Kontakt zur zuständigen Kammer aufzunehmen und sich rückzuversichern.
In Ländern, wo Regelungen älteren Datums gelten, sollten Architekten von ihren Kammern eindeutige Informationen zum Thema einfordern, am besten kombiniert mit Praxisbeispielen. Wünschenswert ist eine bundeseinheitliche, mit dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und dem EU-Recht in Einklang stehende Regelung.

Elf Architekten mit elf goldenen Bällen. Als im Juni 2006 Deutschland der Fußball-WM entgegenfieberte, produzierte Johannes Berschneider mit zehn Kollegen dieses Plakat und stellte es an Standorten in Neumarkt auf. Soviel zum Thema Werbeverbot.

Autor:
Frank Peter Jäger

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