23.05.2011

Abbruch oder Redevelopment?

Möglichkeiten und Chancen der Umnutzung von Bürohäusern der Fünfziger- bis Siebzigerjahre zu Wohngebäuden von Prof. Dr. Gert Kähler, Carsten Venus (blauraum architekten) und Prof. Dr. Bernd Kritzmann (HafenCity Universität Hamburg) In den letzten Jahren wurden in verschiedenen Städten der Bundesrepublik und im Ausland Bürohausbauten der fünfziger bis siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu Wohnungen umgebaut. Das im Folgenden beschriebene Forschungsvorhaben analysiert die vereinzelten Bemühungen auf ihren Wert und ihre Chancen hin und untersucht die Frage nach dem wirtschaftlichen Potenzial der Umnutzung.

Beispiel Dortmund: Umnutzung eines Bürogebäudes zu einem Hotel

Der Schwerpunkt der Untersuchung lag dabei nicht in einer allgemeinen statistischen Erhebung, sondern in exemplarischen, praktisch durchgearbeiteten Untersuchungen an Einzelprojekten in verschiedenen, ebenfalls exemplarisch ausgewählten Städten: - Großstadt, wachsend (Hamburg, Frankfurt/Main)
- Großstadt, schrumpfend (Dortmund, Bremen)
- Mittelstadt wachsend (Münster, Karlsruhe)
- Mittelstadt, schrumpfend (Magdeburg, Kassel) In diesen Städten wurden die Immobilienmärkte untersucht und modellhaft Bauten ausgewählt, deren Potential für eine Umnutzung - auch entwurflich - geprüft wurde.

Beispiel Hamburg: Vorher - Nachher

Foto: Brunner GmbH

Foto: Brunner GmbH

Schlussfolgerungen 

- Die technischen Anforderungen einer Umnutzung sind die gleichen, wie sie für eine umfassende bauliche Erneuerung als Bürohaus erforderlich sind, die die heutigen technischen und energetischen Standards berücksichtigt. Vor weiteren Überlegungen müssen diese geklärt werden.
- Als Zweites ist vor jeder Detailüberlegung zu klären, wie die rechtlichen Voraussetzungen sind bzw. ob die Stadt bereit ist, ein entsprechendes Vorhaben gegebenenfalls mit Ausnahmeregelungen zu stützen.
- Wegen der unterschiedlichen Interessenlagen, aber auch der Unterschiedlichkeit der Objekte hinsichtlich Alter, Erhaltungszustand, Lage gibt es keinen "Königsweg" der Entscheidung. Abriss, Bestandsnutzung ohne größere Eingriffe ("Refurbishment"), grundlegende Erneuerung als Bürohaus oder Umnutzung zum Wohnhaus sind Ergebnis eines offenen Entscheidungsprozesses.
- Die ökologische Gesamtrechnung ist eindeutig: Die Weiternutzung einer innerstädtischen Immobilie macht auch bei großem Umbaubedarf Sinn. - Die technischen und konstruktiven Aspekte sind beherrschbar. Akustische Probleme, Nachinstallation von Sanitärausstattung, Trennwänden, Fassaden sowie die Feuersicherheit sind lösbar.
- Ökonomische und baurechtliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umnutzung sind der Bestandsschutz des Gebäudevolumens und die Lösung des Mehrwertsteuerproblemes, bzw. anderer Förderinstrumente als Ausgleich.
- Die Nachverdichtung bestimmter innerstädtischer Lagen ist ein zusätzliches Instrument, die Umnutzung zu Wohnungen anzuregen, weil man sie so ökonomisch attraktiv machen kann.
- Die Baukennzahlen zeigen, dass die Baukosten eines grundlegenden Umbaus mit energetischer Modernisierung mit denen eines Neubaus vergleichbar sind. - Selbst bei gleichen Baukosten von Redevelopment und Neubau stellt sich das Redevelopment in der Regel finanziell günstiger, weil
- die Abrisskosten entfallen;
- sich die Bauzeit verkürzt und damit geringere Kosten der Zwischenfinanzierung anfallen;
- die Grundstücksausnutzung gleich bleibt, selbst wo heute andere rechtliche Bedingungen herrschen. Davon unberührt sind Fragen der Vermarktbarkeit von Wohnungen oder der Bereitschaft des Eigentümers, sich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen. Dieses Forschungsvorhaben wird von der Initiative Zukunft Bau des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) gefördert.

Beispiel Frankfurt: Die Vorhangfassade des Gebäudes wurde in der 1990er-Jahren erneuert. Sie entspricht der heutigen Wärmeschutzverordnung.

Foto: Hersteller

Photo: Manufacturer

Eine heute in allen großen Städten als problematisch angesehene Baugruppe mit großen Leerständen und schwieriger Vermarktungssituation stellen die innerstädtischen Bürohäuser aus der ersten Zeit nach Gründung der Bundesrepublik und der Zeit des Wiederaufbaus dar. Sie sind aufgrund der eingeschränkten Grundrissvariabilität (meistens Zweibund), ihrer häufig zu geringen Gesamtfläche (im Hinblick auf das Facility Management und die Betriebskosten), häufig wegen eines Innovationsstaus und zum Teil deswegen, weil die Bauart/Deckenhöhe nicht modernen Anforderungen angepasst werden kann, nicht oder nur durch erhöhten Aufwand an Anforderungen moderner Bürohaustechnik und zeitgemäßer Büroarbeitsformen anpassbar. Entsprechend groß ist der Leerstand in dieser Baugruppe. Ihre durchschnittlichen Mieten liegen häufig unter denen von innerstädtischen Neubau-Wohnungen. Auf der anderen Seite drängen viele Bewohner gerade der größeren Städte wieder in die Innenstädte zurück, ohne dass ihnen dort ein angemessenes und bezahlbares Angebot gemacht werden kann, weil der innerstädtische Wohnraum nicht beliebig vermehrt werden kann. Selbst auf neu zu nutzenden Konversionsflächen liegen die Kosten nach Beendigung des staatlich geförderten sozialen Wohnungsbaus vielfach zu hoch, um für breite Kreise der Bevölkerung attraktiv zu sein. Dabei werden durch die möglichen Umnutzungen mehrere erstrebenswerte Ziele erreicht:
- der Leerstand unrentabel gewordener innerstädtischer Bürobauten wird abgebaut;
- das Angebot innerstädtischen Wohnraums verbreitert sich;
- der Ausbreitung der Städte in ihr Umland wird durch eine sinnvolle Binnenentwicklung entgegengewirkt. Die Schaffung von neuem Wohnraum dieser Art ist unter ökologischen und klimapolitischen Gesichtspunkten äußerst sinnvoll (Nutzung vorhandener Ressourcen, keine neue Bodenversiegelung etc.).

Standorte der Fallstudien

Foto: © Loewe-Saal-GmbH

Foto: © Loewe-Saal-GmbH

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