Kontextarchitektur | Tagung im Sprengel Museum Hannover
Mit der Errichtung des Fridericianums in Kassel im Jahre 1779 wurde der weltweit erste Museumsbau geschaffen, der einzig und allein der Präsentation von Kunst- und Kulturschätzen diente. Seitdem gehören Museen zu den wichtigsten Projekten namhafter Architekten. Das Bauwerk Museum galt als Aushängeschild der historischen Baukunst bis mit dem Ende des 20. Jahrhunderts die moderne Architektur verstärkt auch die Museumswelt prägte. Nicht nur das Guggenheim-Museum von Bilbao sorgte im Zuge dessen bei traditionellen Kunstwissenschaftlern und Museologen für hitzige Diskussionen. Parallel zu vielen modernen Projekte, die seitdem folgten, entbrannte ein Architektur-Streit um das Verhältnis von Inhalt und Form. Verschwindet die Bedeutung der ausgestellten Objekte hinter einer avancierten Museumsarchitektur, die als „Metaausstellungsstück“ selbst in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt? Oder gewinnt die Kunst mit der neuen Fassade gerade an Popularität?
In was für einen Kontext stellt zeitgenössische Architektur die ausgestellte Kunst? Und in welchem Kontext steht die museale Architektur selbst? Gerade das Sprengel Museum Hannover bietet für diese Fragen interessante Anknüpfungspunkte: Das von der Architektengruppe Peter und Ursula Trint, Köln, und Dieter Quast, Heidelberg, entworfene Museum wird von einem Konzeptionsprinzip des Dialoges zwischen „öffentlichem Bereich und Kunstaura“ getragen. Zu den besonderen Attraktionen des Museums gehören seine Künstlerräume. Das wiedererrichtete „Kabinett der Abstrakten“ von El Lissitzky und die Rekonstruktion des Merzbaus von Kurt Schwitters stellen zwei herausragende, dabei jedoch ganz unterschiedliche Konzepte vor, Raum künstlerisch zu gestalten. Mit James Turrells Lichträumen findet dieser Schwerpunkt seine Fortsetzung in der Kunst der Gegenwart.
Mit der Auslobung eines internationalen Architektenwettbewerbs begannen im Sommer diesen Jahres die Planungen für den Erweiterungsbau des Sprengel Museums. Gelegen auf dem angrenzenden Parkplatz neben dem Museum soll der Anbau - neben zusätzlichen Nutzflächen für Depots und Büros - neue Ausstellungsflächen für eine umfangreichere Präsentation der Sammlung sowie Platz für Sonderausstellungen bieten. Die für Februar 2010 erwartete Jury-Entscheidung und anschließende Präsentation der Entwürfe werden das Thema der Tagung Ende März somit um aktuellste Bezüge bereichern.
Architektur ist der zweite Themenschwerpunkt der Veranstaltungsreihe Philosophie:Kunst 2009-2011, die im Oktober diesen Jahres mit einer Vortragsserie zur Ästhetik von Kunst und Design im Neuen Museum in Nürnberg eröffnete. Das zweijährige, bundesweite Kooperationsprojekt der Kulturstiftung des Bundes und der LMU München (Lehrstuhl für Philosophie IV/ Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin) lädt dazu ein, zeitgenössische Bildende Kunst aus philosophischer Perspektive zu betrachten. In Zusammenarbeit mit fünf Kunstmuseen in Deutschland entstand ein Programm, das sich aus theoretischer und angewandter Perspektive mit zentralen Themen aktueller Kunstdiskurse auseinandersetzt. Eine interessante Auswahl ihrer Protagonisten und Standpunkte vorzustellen und in einen gemeinsamen Dialog mit dem Publikum zu treten, verbindet sich mit dem Ziel der Veranstaltungsreihe nach einer verstärkt interdisziplinären Kunstvermittlung.
Programm
Philosophie:Kunst 2009-2011 im Sprengel Museum Hannover Kontextarchitektur, Tagung am 27. März 2010 10 bis 19 Uhr, Eintritt frei
Moderation: Prof. Dr. Jakob Steinbrenner, Ludwig-Maximilians-Universität München
10:00-10:30 Begrüßung Prof. Dr. Ulrich Krempel, Sprengel Museum Hannover und Hortensia Völckers, Kulturstiftung des Bundes 10:30-10.45 Vorstellung des bundesweiten Kooperationsprojekts Philosophie:Kunst 2009-2011 Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, Ludwig-Maximilians-Universität München 10:45-11:45 Kontextkonstruktion Prof. Wilfried Kuehn, Kuehn Malvezzi Architects Berlin, Professor für Ausstellungsdesign und kuratorische Praxis HfG Karlsruhe 12:00-13:00 Jenseits von Ikone und Schneckenhaus: Museumsarchitektur im Kontext des Kunstsystems Dr. Eberhard Ortland, Institut für Philosophie, Universität Hildesheim Mittagspause 14:00-15:00 Erinnerungskultur und Inszenierung: Ästhetik und architektonische Formen des musealen Raums Prof. Dr. Ulrich Winko, Fakultät für Architektur, Hochschule München 15:15-16:15 Das Museum als Gegenstadt. In der Krise des Ausstellens: Wie kann ästhetische Erfahrung stattfinden? Dr. Niklas Maak, Frankfurter Allgemeine Zeitung Kaffeepause 16:45-17:45 Kunst aktiviert Kunst: Zu den Funktionen der Museumsarchitektur Dr. Christoph Baumberger, Institut für Umweltentscheidungen, ETH Zürich 18:00-19:00 Abschlussdiskussion
Adresse: Sprengel Museum Hannover Kurt-Schwitters-Platz 30169 Hannover