Zu schade zum Wegwerfen: Isarphilharmonie in München von gmp Architekten
Foto: HGEsch Photography
40 Millionen Euro sind eine Menge Geld – aber nicht für einen Konzertsaal für knapp 2000 Menschen. Was ein solcher kosten kann, ist der deutschen Öffentlichkeit seit den Debatten um die Hamburger Elbphilharmonie sattsam bekannt.
Ihr Münchener Pendant ist nun, nach nur 18 Monaten Bauzeit, zu den besagten Kosten Anfang Oktober fertiggestellt worden. Zugegeben, der Vergleich ist nicht ganz fair: Die Isarphilharmonie von gmp architekten und ihren Münchener Partnerarchitekten CL MAP ist nur als temporäres Ausweichquartier für die Münchener Philharmoniker konzipiert, deren Stammhaus aus den 1980er-Jahren im Kulturzentrum Gasteig in den kommenden Jahren saniert wird.
Nicht nur die finanziellen, sondern auch die städtebaulichen Spielräume für den Neubau waren minimal: Eng geht es zu auf dem Industriegelände der Stadtwerke im Süden der Stadt, deren bisherige Nutzer – Künstler, Architekten und Designer, aber auch ein Reifenhändler – auch weiterhin auf dem Areal bleiben sollten. Eine Transformatorenhalle aus dem Jahr 1929 dient nun als Eingangsfoyer für das Konzerthaus und neue Zweigstelle der Münchener Stadtbibliothek. Für eine intensive Nutzung scheint gesorgt, denn in der Philharmonie sollen auch Popkonzerte, Kongresse und Filmvorführungen stattfinden. Im Gegenzug bleiben die Bibliotheksräume auf den offenen Galerien der Halle auch während der Abendkonzerte geöffnet. Mit zwei neuen, rückbaubaren Treppenhäusern haben die Architekten den Stahlbetonskelettbau für seine neue Nutzung ertüchtigt. Das Glasdach über dem Atrium wurde erneuert und die darunter abgehängte Lichtdecke aus Drahtglas repariert und mit neuen Leuchten bestückt.
Der südlich angrenzende Konzertsaal scheint auf den ersten Blick kaum der Rede wert: eine große, dunkelgraue Box mit Hülle aus Stahlblech-Sandwichplatten, wie sie sonst für Industriehallen verwendet werden. In ihrem Inneren jedoch verbirgt sich ein architektonisches Schmuckstück. Dunkel lasierte, massive Brettsperrholztafeln mit aufgesetzten Fichtenholzlatten umschließen den Saal. Die Raumdecke besteht aus dem gleichen Material, auf dem Boden liegt helles Parkett. Maximal 1956 Plätze fasst die Isarphilharmonie, keiner davon ist mehr als 33 Meter von der Bühne entfernt. Die eigens für den Neubau entwickelten Klappsessel sind so ausgelegt, dass ihre Schalldämpfung im zugeklappten Zustand genau der eines Konzertbesuchers entspricht. Dies war eine Maßgabe von Yasuhisa Toyota und seinem Büro Nagata Acoustics, das nach der Elb- nun auch die Isarphilharmonie akustisch gestaltet hat. Eine zweite war, die 30 cm starken Brettsperrholzelemente der Saalwände leicht geschuppt anzuordnen, damit sich die Schallreflexionen besser im Raum verteilen.
Nur punktuell ist die Massivholzkonstruktion des Saals an der sie umgebenden Tragkonstruktion rückverankert. Das Erdgeschoss des Gebäudes und die Stirnwände hinter den Saalenden bestehen aus Stahlbeton. Darüber trägt ein Stahlskelett die Holzwände und -decken des Konzertsaals. Die Architekten vergleichen ihr Werk durchaus treffend mit einer Geige im Geigenkasten: ein wertvolles Instrument, gebettet in eine robuste, fast schon etwas schäbige Schutzhülle. Zu wertvoll eigentlich, um es in ein paar Jahren wieder abzureißen. Wetten also, dass das Provisorium am Isarufer auch nach vollendeter Gasteig-Sanierung noch Bestand haben wird?
Weitere Informationen:
Landschaftsarchitektur: realgrün landschaftsarchitekten
Raumakustik Konzertsaal: Nagata Acoustics
HLS-Planung: Ingenieurbüro Hausladen
Bauphysik: Müller-BBM
ELT-Planung: Raible + Partner
Bauunternehmen: Nüssli AG